# taz.de -- Im Zug von Hamburg zum Bodensee: Den ICE müssen wir vorlassen | |
> Das Deutschland-Ticket beim Wort genommen: Ohne einen einzigen schnellen | |
> Zug zu besteigen, reist unsere Autorin von Hamburg an den Bodensee. | |
Bild: Deutschland, vom Regionalzug aus betrachtet | |
Da war dieser Wunsch, einmal den Bodensee zu bereisen, von dem man so viel | |
in Romanen liest. Von Hamburg aus ratschen die ICEs auf eigenen Trassen in | |
den Süden, über Kassel-Wilhelmshöhe und Würzburg. Oder weiter östlich über | |
Berlin, Leipzig, Erfurt. In nur fünf, sechs Stunden wären wir dort. Aber | |
die Landschaft, die Häuser, die Flüsse, die Tiere auf den Feldern: Es | |
rauscht alles so schnell vorbei, in einem irgendwann nur noch grauen | |
Bilderbrei. | |
Warum nicht langsamer reisen? Die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn lässt | |
sich so einstellen, dass ein Ziel ohne ICE und Intercity erreicht wird. | |
Also so nur mit Nahverkehrszügen, sodass das Deutschlandticket als | |
Fahrkarte reicht. Von Hamburg-Hauptbahnhof zur Insel Lindau am Bodensee, | |
das ist so theoretisch in 14 Stunden und 7 Minuten zu schaffen, Abfahrt | |
7.57 Uhr, Ankunft 22.04 Uhr – und acht Mal umsteigen. | |
Nur muss das ja gar nicht an ein- und demselben Tag passieren. Mit den | |
Regionalexpresslinien 3, 2, 1, 7, 80, 73 und 70 sowie einmal S-Bahn, ganz | |
unten im Süden, führt unsere Reise durch 75 Städte, die wir uns alle | |
ansehen können. Die Vorbereitung macht Spaß, versetzt uns schon ein | |
bisschen in Hochstimmung, lange bevor wir aufbrechen. An den Bodensee in | |
fünf Tagen, so planen wir. Das ist immer noch sportlich, wenn man bedenkt, | |
dass diese Reise Wochen gedauert hätte, als es noch gar kein Bahn gab. | |
## Celle, 30. September | |
Celle ist unsere Teststadt: Hier haben wir unseren ersten Mittagsstopp. | |
Gemütlich sind wir um kurz vor elf in Hamburg in den Metronom gestiegen und | |
gut vorangekommen. Gut, als um 12 in Uelzen alle Passagiere aufgefordert | |
wurden, in einen anderen Zug umzusteigen, kam schon ziemlich Hektik auf in | |
der engen Unterführung. | |
Celles Bahnhof liegt eher trist und autogerecht am Rand der Stadt. Das | |
erste Bauwerk, das schon beim Aussteigen ins Auge springt, ist ein lang | |
gezogenes Park-and-Ride-Haus. Ein ehemaliges Hotel mit hübscher | |
Stuckfassade, auf dessen Historie ein Plakat der Stadtwerke hinweist, | |
beherbergt inzwischen ein Friseurgeschäft. Dass Reisende in Celle nächtigen | |
könnten, gehört hier offenbar zur Vergangenheit. | |
Wir gehen ein paar Schritte, bald verläuft parallel zur Bahnhofstraße eine | |
Grünanlage. Auf einer Bank schläft ein Mann. Dann sehen wir Zäune, Mauern, | |
ein altes Gebäude mit Natodraht am Dach: [1][Die JVA Celle] liegt friedlich | |
im Sonnenschein, fast hübsch. Ein paar hundert Meter weiter, vorbei an | |
einem aufgegeben Auktionshaus, auf das „Kein Mensch ist illegal“ gesprüht | |
wurde, kommen wir zur Altstadt, in der es an diesem Samstagmittag vor | |
Menschen nur so wimmelt. Entzückende Fachwerkhäuser umrahmen den „Großen | |
Plan“, so heißt ein Platz, auf dem ein junger Mann auf einem Podest Gitarre | |
spielt. Ringsherum trinken Menschen Kaffee und Bier. An einem Tisch sitzen | |
Männer mit Jeanskutten, auf denen „AC/DC“ steht – offenbar ein Fantreffe… | |
Eine Ecke weiter, an der Poststraße, wirbt die [2][Celler Tafel] mit einem | |
Stand für ihr Anliegen. Gegenüber sind die Galeria-Kaufhof-Schaufenster | |
leer, „Wir sagen Danke!“, ist die letzte Botschaft des Kaufhauses an die | |
Kunden. Vor dem Portal des Celler Schlosses lässt ein Hochzeitspaar Fotos | |
schießen. Auf einer Bank am Schloßgraben unter schattigen hohen Bäumen | |
haben sich ein paar Ältere mit Bierdosen niedergelassen, es riecht nach | |
Zigarette. Von hier fährt die Buslinie 100 zurück zum Bahnhof. Die | |
Klimaanlage kühlt, die Sitze sind weich und sauber. | |
## Göttingen, 30. September | |
Eine entspannte Weiterfahrt über Hannover und durch das grüne Leinetal, mit | |
eigenem Tisch zum Kartenspielen. Kurz bevor wir aussteigen, spricht uns ein | |
älterer Herr an: Woher wir kommen, wohin wir wollen? Fahrgastbefragungen | |
seien wichtig, um unter den Bahnfirmen das Geld zu verteilen. Als wir die | |
Metronom-Züge loben, weil sie pünktlich sind, sagt der Mann, das sollten | |
wir mal den Mitarbeitern erzählen: „Die fallen Ihnen um den Hals.“ | |
Göttingen hat einen schönen großen Bahnhofplatz und viele Fahrradständer. | |
Schon nach wenigen Metern erreichen wir die Altstadt, entlang der mit | |
Platanen gesäumten Goethe-Allee, wo in einem ersten Stock auch unser Zimmer | |
liegt. Wir haben vorab Hotels gebucht, und das in Göttingen war mit 128 | |
Euro fürs Doppelzimmer gleich das teuerste. Wir legen den Rucksack ab und | |
bummeln, lassen uns ein Restaurant im Alten Rathaus empfehlen, das auch | |
draußen Tische stehen hat, setzen uns aber doch lieber zum Italiener | |
nebenan. Der hat kurz vor sechs fast keine Gäste, obwohl die Stadt voll | |
ist, mehr Menschen sitzen bei der Eisdiele am sonnigen Ende des Platzes. | |
Als es dämmert, baut ein Musiker mit Gitarre sein Mikrofon auf, neben ihm | |
begleitet ihn einer auf einer Sitz-Trommel. Eine alte Frau stellt ihr Rad | |
ab und tanzt zur Musik. Auch ein älterer Mann, in Cordhose und dunkelblauem | |
Hend distinguiert wirkend, tänzelt ein paar Schritte, bevor er ehrerbietig | |
eine Münze vor dem Duo ablegt. Auffällig viele Abendgäste steigen | |
zielstrebig die Treppe zum Alten Rathaus hinauf. Wir schielen kurz rein: Im | |
bunt bemalten Saal beginnt gleich die „21. Göttinger Gitarrennacht“. | |
Wir drehen noch eine Runde durch die Altstadt. Das kleine Café Gartenlaube | |
führt überraschend in einen verschlungenen Hinterhof. In einer Kirche an | |
der Nikolaistraße steht eine Seitentür offen, drinnen singen junge Menschen | |
ein Abendlied. Ein paar Schritte weiter sieht ein verwaistes Fachwerkhaus | |
einsturzgefährdet aus: Die Fassade des „Schwarzen Bären“ wird von drei | |
dicken Stützpfeilern gehalten, die selbst schon alt wirken. Auf dem Rückweg | |
zum Hotel sehen wir Obdachlose, die vor den nun geschlossenen Läden ihr | |
Nachtlager richten. | |
Es ist Semesterbeginn. Ein Trupp Studenten zieht an uns vorbei und witzelt | |
über von Chat-GPT geschriebene Masterarbeiten. Unsere Nacht bei auf Kipp | |
gestellten Fenster wird unruhig. In einer Loungebar gegenüber haben junge | |
Leute Hunderte rote Luftballons aufgeblasen – und platzen lassen. Ein 20. | |
Geburtstag? Ein Ballons hat die Form einer Zwei. | |
## Mühlhausen, 1. Oktober | |
Wir reisen gelassen, wollen uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Doch der | |
Göttinger Bahnsteig ist voll, und das ist nun auch der Regionalzug nach | |
Süden. Viele Studierende zieht es offenbar nach Hause. In strengem Ton | |
fordert der Schaffner auf, die Taschen von den Sitzen zu nehmen, in die | |
Gepäckablage. | |
Mühlhausen, einstige Wirkungsstätte des Reformators und Revolutionärs | |
Thomas Müntzer, ist unser zweiter Zwischenstopp. Wir sind in Thüringen! Ein | |
großer Greifvogel kreist gegenüber dem Bahnhof über Büschen und Bäumen. Vom | |
Bahnsteig erreichen wir einen verlassenen Busbahnhof. Nehmen die Linie bis | |
zur „Pfortenstraße“, wo ein Wall die Altstadt begrenzt. Eine ältere Frau | |
mit schwarzem Kopftuch schiebt eine Kinderkarre, drei Jugendliche sitzen | |
auf einer Bank und spielen mit dem Smartphone. Wir folgen einer Gasse zur | |
Marienkirche aus dem 14. Jahrhundert. Dort erklärt ein als Mönch | |
verkleideter Stadtführer einer kleinen Touristengruppe gerade die | |
Verzierungen am Kirchengiebel. Die Zuhörer lachen. Irgendetwas Anzügliches, | |
das Mönch und Nonne da oben offenbar tun, schnappen wir auf. | |
Hinter der Kirche beginnt eine große Fußgängerzone, die etwas verlassen | |
wirkt. In Mühlhausen leben 266 Einwohner je Quadratkilometer, in Göttingen | |
sind es fast viermal so viele. Wir gehen die liebevoll mit Blumenampeln | |
geschmückte Straße runter bis zum Eiscafé San Marco – wieder der Ort, an | |
dem am meisten Betrieb herrscht, – und wieder zurück zur Kirche. Dort hat | |
ein Grieche geöffnet. Die Stadt habe viel zu bieten. „Sie müssten schon | |
zwei Tage bleiben“, sagt er beim Kassieren, nachdem wir ihm beichteten, | |
dass wir nur zwei Stunden bleiben. Da fährt eine kleine Bimmelbahn auf | |
Reifen an uns vorbei, die mit zwei, drei Gästen in 45 Minuten alle | |
Sehenswürdigkeiten abklappert. So was wollen wir in der nächsten Stadt | |
auch. | |
## Gotha, 1. Oktober | |
So voll die Bahn am Morgen war, so leer ist der Zug zwei Stunden später. | |
Konfettischnipsel und leere Bierflaschen liegen auf dem Abteilboden, es | |
waren wohl Fußballfans vor uns da. Thüringen ist schön, es gibt viel zu | |
gucken. Die ganze Fahrt über klackert eine leere Flasche gegen die Tür. | |
Beim Aussteigen nehme ich sie mit. | |
Vom Gothaer Bahnhof bringt uns eine gelbe Straßenbahn fast bis zum Hotel. | |
Unser Zimmer liegt im 4. Stock und bietet einen weiten Blick über die | |
Stadt. Die Einrichtung ist dem Publizisten Joseph Meyer gewidmet: Der Sohn | |
der Stadt gab einst „Meyers Lexikon“ mit vielen Illustrationen heraus. Im | |
Badezimmer sind nun nachgedruckte Lexikonseiten im Bodenbelag zu sehen: | |
neben Seehunden, Löwen und Elefanten auch gruselige Schlangen. | |
Nach Gotha sind heute mehr Besucher gekommen als nach Mühlhausen, aber auch | |
hier sind es nicht viele. Unweit von unserem Hotel führt die schmale | |
Waisengasse zum Neumarkt an der Margarethenkirche, wo wiederum eine | |
Fußgängerzone ins Zentrum beginnt. Das alte Rathaus ist hier knallrot | |
gestrichenen, die Häuser am dahinter liegenden Hauptmarkt sind es in | |
Pastell. Der Platz, auf dem sich gemütlich wirkende Sitzflächen verteilen, | |
steigt steil an bis zu einer Aussichtsplattform vor dem großen, weißen | |
Schloss Friedenstein. Das Licht und der Blick über die Dächer hinaus aufs | |
Land sind toll. Zwei Jungen auf Rädern passen den Moment ab, in dem der Weg | |
frei ist, und sausen gefährlich nah zwischen Pollern und Passanten die | |
Schräge hinab, hinunter in die Stadt. Nach ihnen tut ein Mountainbiker mit | |
Helm das Gleiche. Es scheint die inoffizielle Downhill-Strecke dieser | |
hübschen Renaissancestadt zu sein. | |
## Neudietendorf, 2. Oktober | |
Ein Aufkreischen bei jedem neuen Getränk: Den Abschied erleichtert hat uns | |
am Morgen die Kaffeemaschine im Frühstücksraum. Kaum eingestiegen in die | |
Linie R1, fordert die Schaffnerin dazu auf, diesen Zugteil wieder zu | |
verlassen: Er werde ausgesetzt. Entsprechend schlecht ist im | |
weiterfahrenden vorderen Teil die Aussicht auf einen Sitzplatz. Im ersten | |
Wagen belegten zwei junge Männer plus Rucksäcke eine Vierersitzgruppe. Der | |
eine, den ich anspreche, nimmt sein Gepäck sofort auf den Schoß. Als ich | |
den ihm gegenüber Sitzenden frage, reagiert der gereizt. „Die könnten ja | |
auch fragen“, sagt er mit Blick auf die vielen Fahrgäste, da draußen im | |
Gang, steht dann auf und geht mitsamt Rucksack. Die beiden Plätze besetzt | |
daraufhin ein älteres Ehepaar. | |
Die Bahnstrecke ist eingleisig. Wir müssen halten und einen anderen Zug | |
vorbeilassen. Und wir verpassen unseren Anschlusszug, die R7 nach Würzburg. | |
So kommt es, dass wir in der Mittagshitze zwei Stunden lang in einem Ort | |
namens „Neudietendorf“ warten, den wir niemals für einen Stopp ausgewählt | |
hätten. Uns wird klar, dass wir es niemals an einem Tag zum Bodensee | |
geschafft hätten: Das geht nur auf dem Papier, Umsteigeketten sind | |
sensibel, glatt läuft es nie, irgendwas ist immer. | |
Im Bahnhof gibt es keinen Kiosk, aber eine „Landfleischerei“, die | |
Mittagessen anbietet. Wir ordern zwei mal Bulette mit Gemüse und | |
Kartoffeln. Die Verkäuferin macht das Essen warm, füllt es in eine schwarze | |
Plastikschale und schweißt Klarsichtfolie drauf. „Wissen Sie, wo man sich | |
hier im Grünen hinsetzen kann?“, frage ich. Sie reagiert, als hätten wir | |
etwas falsch gemacht. Das hätten wir doch gleich sagen können, sagt sie: | |
Sie hätten hinten doch Tische aufgestellt. Die Frau reicht uns die Tüte mit | |
dem Essen über den Tresen. Wir gehen lieber. | |
Durch den Ort, vorbei an einem Mann, der einen Zaun anstreicht, hin zu | |
einem Friedhof, den wir auf der Landkarte gefunden hatten und der Schatten | |
verspricht. Die Steine liegen flach auf dem Boden, das älteste Grab, so ist | |
zu lesen, ist von 1743. Wir sind, so erfahren wir später, auf dem unter | |
Denkmalschutz stehende Gottesacker der Brüdergemeinde gelandet, auf dem | |
alle Gräber erhalten bleiben. Aber das Tor ist unverschlossen, Radfahren | |
verboten. Also wird es wohl okay sein, sich hier aufzuhalten. Auf einer | |
wackeligen Bank essen wir Frikadelle und Rosenkohl mit spitzen Fingern – an | |
Besteck haben wir nicht gedacht. | |
Der Zug, der uns von diesem Ort wegbringt, ist wieder ziemlich voll. Ich | |
spreche eine ältere Frau an, ob ich neben ihr sitzen darf? Wir würden ihre | |
Tasche auch für sie ins Gepäckfach heben. Das will sie aber nicht: Dann | |
würden die Sachen zerdrückt. Sie spricht kein Wort mehr, während der Zug | |
durch den Thüringer Wald saust. Der liegt beim Blick aus dem Fenster auch | |
mal leicht schräg. Es ist ein wenig wie auf einer Achterbahn: Es gibt | |
spezielle Triebwagen, die sich neigen können, erklärt uns später ein | |
Fahrgast. | |
## Schweinfurt, 2. Oktober | |
Später als geplant erreichen wir Schweinfurt-Stadt. Beim Ausstieg steht | |
eine Asiatin mit einem Klappbett im Weg. Das wollte sie eigentlich rollen, | |
aber die Rollen sind kaputtgegangen. Wir helfen ihr, das Ding bis zum | |
Ausgang zu tragen. Dann irren wir etwas durch die Gegend, vorbei an einem | |
Kulturhaus mit Anti-Nazi-Plakaten und einer Skaterbahn. Als wir uns am | |
Marienbach auf eine Bank setzen, setzt sich auch eine Hornisse – auf meine | |
Tasche. | |
Als wir das Tier vertrieben haben, schaffen wir die letzten Meter vorbei am | |
Main und einer Beachbar einige Treppen hinauf bis zu einer fürchterlich | |
lauten Autobrücke. Uns wird bewusst, wie angenehm still es dagegen in | |
Thüringen war. Die Feuerwehr hält mit Blaulicht vor einem Kunstmuseum auf | |
der anderen Straßenseite. „Fehlalarm“, hören wir Passanten sagen. Direkt | |
daneben, im restaurierten Erbracher Hof, liegt unser Altstadthotel. Das | |
Zimmer ist ein wenig düster, aber mit Himmelbett. | |
Es ist nicht weit zum Markt, wo wir Pasta und Tomatensuppe essen und noch | |
durch die Gassen gehen. Viele junge Menschen sind an diesem Brückentag | |
unterwegs. Eine Frau bettelt vor Edeka. Wir wollen ans Wasser. Auf der | |
Maininsel sitzen wir auf einer Bank und sehen Schweinfurts Skyline am | |
Abend. Gänse fliegen uns vom Fluss her entgegen. Ein Turm sticht heraus, | |
der „Schrotturm“. Schweinfurt ist ein bedeutender Industriestandort mit | |
Geschichte. Um kleine Kugeln zu erzeugen, also Munition, goss man dort | |
früher Blei aus der Höhe in kaltes Wasser. | |
## Donauwörth, 3. Oktober | |
In Donauwörth beziehen wir ein schönes, geräumiges Zimmer im Goldenen | |
Hirschen, während unten die Belegschaft reichlich Mittagsgäste zu versorgen | |
hat. Wir blicken direkt auf die Kirche gegenüber, wieder ein schöner alter | |
Ort. Nur die Luft draußen ist sehr stickig. Eine Wetter-App zeigt schlechte | |
Luftqualität und hohe Feinstaubbelastung für diesen Teil Bayerns an. Zum | |
Glück kommt abends wenigstens ein Gewitter auf. | |
## Lindau-Insel, 4. Oktober | |
Ach ja, wir wollen an den Bodensee. Am fünften Tag unserer Reise kommen wir | |
in Lindau an. Die Stadt ist zauberhaft, bunte Geschäfte, alte Häuser, am | |
Hafen bilden eine Löwenskulptur und ein alter Leuchtturm das Eingangstor. | |
Und der Blick auf die Berge ist schön. Hier fährt auch eine Bimmelbahn so | |
wie in Mühlhausen. Am Ufer hinter dem Bahnhof befindet sich Deutschlands | |
„südlichste Sunset-Bar“, die Menschen schauen zu, wie die Sonne im See | |
verschwindet. | |
In Lindau bleiben wir zwei Nächte. Die Bimmelbahnfahrt ist etwas lieblos, | |
der Fahrer fährt schnell, es wird nur wenig erklärt. Ein kurzer Abstecher | |
mit der Fähre in die Schweiz irritiert uns, weil es dort so ruhig und leer | |
ist – langweilig. Tags darauf nehmen wir die Fähre bis nach Meersburg und | |
Überlingen, tolle Urlaubsorte und lebendige Städte: In Meersburg sehen wir | |
zu, wie Winzer ihre Trauben zum Pressen abliefern. In Überlingen | |
verschwindet morgens der See im Nebel. | |
Dann müssen wir auch wieder zurück, wieder nur mit dem Nahverkehr Über | |
Radolfzell planen wir die Fahrt mit der RE2 nach Offenburg. Das sei die | |
schönste Strecke, hatte uns ein Rentner verraten, der schon seit Wochen mit | |
dem 49-Euro-Ticket herumcruist, „zum Einkaufen“. Und wirklich: Die Strecke | |
ist schön. „Da will ich wohnen!“, ruft ein kleines Mädchen aus, als der Z… | |
aus einem Tunnel auftaucht und ein Almhaus zu sehen ist. | |
Für den Oktober ist es ungewöhnlich warm. In Offenburg übernachten wir mit | |
Schwarzwaldblick und schauen an der Stadtmauer sich kabbelnden Jugendlichen | |
zu. Heidelberg wuselt vor Touristen, trotzdem ergattern wir eine Rundfahrt | |
im Cabrio-Sightseeing-Bus und bekommen diesmal auch alles erklärt. In | |
Marburg, weithin als linke Unistadt geltend, geraten wir prompt in eine | |
Demo gegen Rechts. Und in Hameln wird uns sogar das Frühstücksei in einer | |
Ratte aus Filz serviert. | |
Die letzte Etappe nach Hamburg dauert dann wieder etwas länger: Zweimal | |
müssen wir einen ICE vorlassen. „Die wichtigeren Züge“, nennt sie der | |
Schaffner. | |
21 Oct 2023 | |
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Kaija Kutter | |
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