# taz.de -- Beeinträchtigung im Bahnverkehr: „Es werden Strecken gesperrt“ | |
> Bund und Länder blockieren eine Gesetzesänderung zur Sanierung des | |
> Schienennetzes. Das kann fatale Folgen haben, sagt Verkehrsexperte Dirk | |
> Flege. | |
Bild: Hier dürfen Züge auf einer Neubaustrecke unterwegs sein: Abschnitt bei … | |
taz: Herr Flege, Deutschland will sein Schienennetz auf den Stand bringen. | |
[1][Im Sommer soll die Sanierung besonders belasteter Strecken beginnen.] | |
Bund und Länder streiten allerdings noch über eine Gesetzesänderung des | |
Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG). Steht jetzt die viel beschworene | |
Generalsanierung auf der Kippe? | |
Dirk Flege: Je länger es dauert, bis sich Bundesrat und Bundestag einigen, | |
desto mehr wackelt der Zeitplan für die Sanierung von | |
Hochleistungskorridoren, wie der Bund sie plant. Schon Bundesregierung und | |
Bundestag haben lange über die Novelle diskutiert. Wenn jetzt weitere | |
Monate verstreichen, wird das Konzept Korridorsanierung im schlimmsten Fall | |
torpediert. | |
Warum braucht es die Gesetzesänderung für die Sanierungen? | |
Bisher wird bei der Finanzierung des Schienennetzes zwischen | |
Ersatzinvestitionen, Neu- und Ausbau sowie Instandhaltung unterschieden. | |
Das sind drei verschiedene Finanzierungsströme, das ist zu fragmentiert. | |
Der Bund kann nur Geld in die Bahninfrastruktur stecken, wenn etwas ersetzt | |
oder neu gebaut wird. An der Instandhaltung kann er sich bisher nicht | |
beteiligen. Wenn man groß angelegt Hochleistungskorridore sanieren möchte, | |
muss man die Finanzierung als Ganzes angehen. | |
Das müsste doch im Interesse der Länder sein. Warum haben sie das BSWAG in | |
seiner aktuellen Form in den Vermittlungsausschuss geschickt? | |
Die Novelle, die der Bundestag beschlossen hat, finden erst mal alle gut. | |
Die Länder, aber auch viele Vertreterinnen und Vertreter der | |
Eisenbahnbranche wünschen sich aber noch mehr als das. Bislang ist es so, | |
dass sich der Bund nicht verantwortlich fühlt für die Finanzierung von | |
Bahnhofsgebäuden. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Deutsche | |
Bahn so viele davon verkauft hat und so viele in so einem erbärmlichen | |
Zustand sind. Die Bundesländer sind der Auffassung, dass Bahnhofsgebäude in | |
die Finanzierungsverantwortung des Bundes gehören. | |
Wenn eine Schienenstrecke saniert und dafür komplett gesperrt wird, braucht | |
es einen Schienenersatzverkehr. Die Länder fordern auch, dass der Bund | |
hierfür Geld gibt. | |
Das ist eine im Grundsatz richtige Forderung, die sowohl für den Personen- | |
als auch für den Güterverkehr gilt. [2][Bei dem, was in den nächsten Jahren | |
vor uns liegt, reicht kein normales Baustellenmanagement.] Sondern hier | |
werden über Monate stark frequentierte Strecken gesperrt. Gerade für den | |
Schienengüterverkehr sind damit extrem weiträumige Umleitungen verbunden. | |
Das ist natürlich teuer, bringt Nachteile im direkten Wettbewerb mit dem | |
Lkw und darf nicht dazu führen, dass auf Dauer Transporte von der Schiene | |
auf den Lkw verlagert werden. | |
Und im Personenverkehr? | |
Auch da erwartet uns mehr als der normale Schienenersatzverkehr mit Bussen. | |
Monatelang werden Hunderte Busse gebraucht. Das kostet Geld, und damit kann | |
man die Länder nicht alleine lassen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing | |
argumentiert, dass die Länder Geld sparen, wenn in diesen Monaten | |
Nahverkehrszüge wegfallen. Und dass sie deshalb genug finanzielle | |
Ressourcen haben, den Schienenersatzverkehr zu bezahlen. Meines Erachtens | |
ist das eine verkürzte Argumentation. | |
Als der Verkehrsausschuss und der Haushaltsausschuss im Bundestag über | |
Monate hinweg um die Novelle gerungen haben, war auch der | |
Schienenersatzverkehr Thema. Mehr als die Reform in ihrer aktuellen Version | |
war offenbar nicht drin. Sollten die Länder sie nicht lieber durchwinken, | |
damit der Schienenausbau überhaupt in die Gänge kommt? | |
Das war in der Tat alles schon monatelang Zankapfel zwischen den | |
Ampelfraktionen: der Schienenersatzverkehr, die Finanzierung der | |
Bahnhofsgebäude oder auch die Digitalisierung des Zugverkehrs. Wie gesagt, | |
die inhaltliche Kritik der Länder finde ich richtig. Jetzt müssen aber alle | |
zusammen, der Bund, die Länder und die Eisenbahnbranche, dafür Sorge | |
tragen, dass sich die Diskussion nicht ins Unendliche zieht. Eine nicht | |
ganz perfekte Gesetzesänderung ist besser als gar keine Gesetzesänderung. | |
Bund und Länder müssen sich schnell einigen. Am besten vor der Sommerpause, | |
damit sich auch Güterbahnen und der Personennahverkehr auf die Belastungen | |
durch die großen Sanierungsprojekte einstellen können. | |
Das Geld für die Sanierung der Riedbahn, den ersten Teil der | |
Generalsanierung, hat die Deutsche Bahn vorgestreckt. Bleibt die Bahn auf | |
den Kosten sitzen, wenn sich Bund und Länder nicht einigen? | |
Für dieses Jahr haben der Bund und die Bahn Regelungen gefunden. Zum | |
Beispiel hat die Bundesregierung das Eigenkapital der DB erhöht. Ich glaube | |
nicht, dass die Bahn dann auf den Kosten sitzen bleibt. Aber für 2025 wurde | |
auf jeden Fall noch keine Vorsorge getroffen. Ohne die Gesetzesänderung ist | |
das nicht möglich. Die Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und | |
Mannheim kann wie geplant weiterlaufen, selbst wenn das Gesetz erst zum | |
Ende des Jahres geändert würde. | |
Gibt es wirklich keine Alternative für die Generalsanierung ab 2025, falls | |
das BSWAG nicht durchkommt? | |
Wenn das Gesetz nicht durchkommt, wäre das Konzept Korridorsanierung | |
mausetot. Eine andere Lösung für die Schienensanierung liegt einfach nicht | |
auf dem Tisch. Dann müsste man das Netz weiter so sanieren wie bislang. | |
Wenn der Bahnsteig gerade erneuert ist, muss man drei Monate später | |
dieselbe Strecke sperren, weil die Oberleitung repariert werden muss. Vier | |
Monate später wird der Schotter gewechselt. Das war die bisherige Praxis. | |
Kürzere Sperrungen, Bauarbeiten unter dem rollenden Rad, dafür immer wieder | |
Instabilität im Schienensystem. Das hat zu dem Zustand geführt, den alle | |
beklagen: ein völlig marodes Schienennetz, unterfinanziert und völlig | |
überbürokratisiert, jede Menge verschiedene Zuständigkeiten und | |
Finanzierungstöpfe. Deshalb haben sich Bund und Branche ja für die | |
Sanierung der Hochleistungskorridore, diese Radikalkur, entschieden. Das | |
wird wirklich eine harte Herausforderung. Aber eine bessere Alternative hat | |
niemand. | |
30 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nanja Boenisch | |
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