| # taz.de -- Hilfe für die Ukraine: Merz und die mysteriösen weitreichenden Wa… | |
| > Erst verspricht der Kanzler Geräte, mit denen die Ukraine Ziele im | |
| > russischen Hinterland treffen kann. Dann will er es anders gemeint haben. | |
| Bild: Hatte möglicherweise Probleme mit seiner Weitsicht: Bundeskanzler Merz b… | |
| Berlin taz | Eigentlich müsste sich Friedrich Merz mal wieder an den Kopf | |
| fassen. Der Bundeskanzler und CDU-Chef dachte, sich der leidigen Debatte um | |
| die Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers an die Ukraine entledigt zu | |
| haben. [1][Dafür hatte seine neue Regierung direkt nach ihrem Antritt | |
| erklärt, weniger detailliert über Waffenexporte nach Kyjiw informieren zu | |
| wollen.] Zum Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am | |
| Mittwoch in Berlin hat sich Merz jedoch genau die Taurus-Debatte selbst | |
| eingebrockt und für Unverständnis im Bundestag und bei seinen | |
| Koalitionspartnern von der SPD gesorgt. | |
| Es solle keine Reichweitenbeschränkung für an die Ukraine gelieferte Waffen | |
| mehr geben, sagte Merz am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung des WDR | |
| in Berlin. „Weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns. Von | |
| den Amerikanern auch nicht.“ Und der Bundeskanzler schob hinterher: „Wir | |
| nennen das im Jargon ‚long-range fire‘, also die Ukraine auch mit Waffen | |
| auszustatten, die militärische Ziele im Hinterland angreifen.“ | |
| Mit den Koalitionspartnern von der SPD schien diese Einlassung nicht | |
| abgesprochen. Der Vizekanzler und Finanzminister von der SPD, Lars | |
| Klingbeil, widersprach Merz noch am selben Abend. Was die Reichweite von | |
| Waffen angehe, gebe es keine neue Verabredung, die über das hinausgehe, was | |
| die Vorgängerregierung gemacht habe. Das würde bedeuten, dass die Ukraine | |
| mit dem Material aus Deutschland weiterhin Ziele auf russischer Seite in | |
| Grenznähe erreichen könnte, nicht jedoch mehrere hundert Kilometer tief im | |
| Landesinneren. | |
| Schon wenige Stunden nach seiner Aussage wollte auch Merz es nicht mehr | |
| ganz so gemeint haben. Gegenüber Journalist*innen erklärte er bei einer | |
| Reise [2][ins finnische Turku], er habe etwas beschrieben, was schon seit | |
| Monaten geschehe – „dass die Ukraine nämlich das Recht hat, die Waffen, die | |
| sie geliefert bekommt, auch jenseits der eigenen Landesgrenzen einzusetzen | |
| gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet“. | |
| ## Die SPD: „Wir haben Informationsbedarf“ | |
| Falko Droßmann ärgert sich über die unklare Debattenlage. „Wir haben | |
| Informationsbedarf“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der | |
| SPD-Fraktion der taz. „Vor allem diejenigen in der Fraktion, die weniger | |
| mit Verteidigungspolitik zu tun haben, fragen: Hey, was meint Merz da?“ | |
| Für Droßmann ist auch unklar, warum der Bundeskanzler von „long-range fire�… | |
| spricht. Dort ginge es um Waffensysteme mit einer Reichweite von 3.000 bis | |
| 5.000 Kilometern. Der Taurus mit seiner Zieldistanz von etwa 500 Kilometern | |
| falle nicht unter diese Gattung. „Soll Merz doch sagen, er liefert den | |
| Taurus. Das, was er angekündigt hat, macht er ja selber nicht“, so | |
| Droßmann. | |
| Damit spielt Droßmann darauf an, dass Merz im Wahlkampf Kanzler Olaf Scholz | |
| mehrfach [3][für seine ablehnende Haltung bei der Lieferung des | |
| Marschflugkörpers] kritisiert und selber einen Export des Marschflugkörpers | |
| in Aussicht gestellt hatte. Seit er im Amt ist, hat er diese Position | |
| jedoch nicht wiederholt – und stattdessen die Rüstungslieferungen in die | |
| Ukraine verschleiern lassen. | |
| Ulrich Kühn bezeichnet das Statement von Merz zur Aufhebung der | |
| Reichweitenbegrenzung als „merkwürdig“. Der Leiter des Forschungsbereichs | |
| Rüstungskontrolle des Instituts für Friedensforschung und | |
| Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) hält zwei | |
| Interpretationen für denkbar. Einerseits könnte Merz ein Signal an den | |
| Kreml senden wollen, die Friedensbemühungen in der Ukraine ernster zu | |
| nehmen. | |
| ## Grüne fordern Merz auf, alles zu liefern | |
| Zweitens müsse sich der Bundeskanzler an den Versprechungen zu den | |
| Taurus-Lieferungen messen lassen. Möglicherweise hätten Experten aus der | |
| Bundeswehr, die ihn nun umgeben würden, ihm den Rat gegeben, eine Lieferung | |
| des Taurus mit einer „glaubhaften Bestreitbarkeit“ zu versehen, um | |
| verteidigungspolitische Konsequenzen abzumildern. „Deshalb bringt er so ein | |
| kryptisches Statement, dass die Reichweitenbegrenzungen nicht mehr gelten.“ | |
| Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sara | |
| Nanni, kann die aktuelle Diskussion nicht verstehen. „Die Bundesregierung | |
| kommuniziert, als gäbe es keine Bedrohung: chaotisch, widersprüchlich, | |
| unstrategisch“, erklärte sie. Ihr sei weiterhin unklar, wie es um die | |
| Lieferung des Taurus stehe. Sie forderte, der Ukraine alles zu liefern, was | |
| sie brauche, um sich gegen die Einnahme durch Russland zu wehren. „Russland | |
| kann diesen Krieg gewinnen, wenn der Westen nicht endlich all in geht bei | |
| der Unterstützung der Ukraine.“ | |
| Die Lieferung des Marschflugkörpers dürfte auch auf der Agenda stehen, wenn | |
| der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch zum eintägigen | |
| Besuch in Berlin eintrifft. Die Frage wird dabei nur sein, ob Merz | |
| gegenüber seinem Gesprächspartner klarere Worte findet – und was davon nach | |
| außen dringen wird. | |
| 27 May 2025 | |
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| Cem-Odos Güler | |
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