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# taz.de -- Selenskyj und Merz: Fürs nähere Kennenlernen keine Zeit
> Zum ersten Mal reist der ukrainische Präsident zum Bundeskanzler nach
> Berlin. Kyjiw braucht schnell Klarheit in Sachen Hilfe.
Bild: Schon im März unterhielten sich der damals designierte Bundeskanzler Fri…
Luzk taz | Man kennt sich bereits. [1][Zuletzt Anfang Mai hatten sich der
ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Bundeskanzler Friedrich
Merz in Kyjiw getroffen] und auch mit US-Präsident Donald Trump
telefoniert. Doch angesichts der Lage auf dem ukrainischen Schlachtfeld
kommt Selenskyjs Besuch bei Merz an diesem Mittwoch in Berlin zur rechten
Zeit. Die Ukraine wartet weiterhin auf ausreichend Flugabwehrsysteme.
[2][In den vergangenen Tagen bombardierte die russische Armee die Ukraine
mit einer Rekordzahl an Waffen] – allein in einer Nacht feuerten sie über
300 Drohnen und Raketen ab. Die Menschen in Kyjiw suchten Schutz in der
Metro. In gesamten Land starben mehr als 20 Menschen. Im Gebiet Schytomyr
töteten russische Angriffe drei Kinder einer Familie – sie waren 8, 12 und
17 Jahre alt.
Deshalb muss Selenskyj im Mai 2025, wie schon vor drei Jahren, um die Welt
reisen – nicht nur um politische Unterstützung zu gewinnen, sondern auch um
Waffen und Verteidigungssysteme zu beschaffen.
Kurz vor Selenskyjs Reise berichtete die Washington Post, Deutschland
plane, ältere Raketen für das Patriot-Flugabwehrsystem an die Ukraine zu
liefern. Zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt,
Deutschland werde der Ukraine Patriot-Raketen und vier Iris-T-Systeme –
Waffen mit kurzer und mittlerer Reichweite – übergeben.
## Weiter Hoffen auf Taurus
Noch relevanter für die ukrainische Lage im Krieg erscheint, dass Kanzler
Merz Hoffnungen darauf geweckt hat, die Reichweitenbeschränkungen für die
vom Westen gelieferten Waffen an die Ukraine aufzuheben. Natürlich wartet
man in der Ukraine in diesem Zusammenhang auf die Taurus-Marschflugkörper.
„Aber all das sind nur Informationen anlässlich des bevorstehenden
Berlin-Besuchs von Selenskyj, die von wichtigeren und schmerzhafteren
Themen ablenken könnten“, erklärte Viktor Savinok, leitender Analyst am
Instytut Zachodni (Westinsitut) im polnischen Poznań.
Selenskyj wird in Berlin viel zu tun haben. Er und sein Team müssen sich
mit der neuen Bundesregierung vertraut machen, die erst seit Anfang Mai im
Amt ist. Doch für ein Kennenlernen bleibt wenig Zeit. Analyst Savinok
betont, Kyjiw erwarte neue Impulse, die Merz in Bezug auf die Dynamik
deutscher Waffenhilfe versprochen habe. Deutschland hat bereits 3
Milliarden Euro für Militärhilfe zugesagt und weitere 9 Milliarden bis
2028/29 angekündigt. Selenskyj will jedoch Klarheit: Welche Schwerpunkte
setzt Deutschland künftig? Wo wird die Zusammenarbeit vertieft? Welche
Teile der zusätzlichen Produktion könnten in der Ukraine angesiedelt
werden?
„Kyjiw hofft auf eine Ausweitung der Produktion westlicher Waffen in der
Ukraine selbst, da dies die Angelegenheit vereinfachen würde: Die Ukrainer
benötigten keine Genehmigungen und Lizenzen, auch logistisch würde es
leichter“, sagt Savinok. „Aber deutsche Zweifel bezüglich der
regulatorischen Rahmenbedingungen und der Korruption in der Ukraine bremsen
diese Pläne. Und auch, dass sowohl die alte als auch die neue Regierung in
Deutschland nichts in Bezug auf Garantien und Unterstützung für
Investitionen versprechen.“
## Was wird mit dem EU-Beitritt der Ukraine?
Zudem gibt es in der Ukraine Skepsis gegenüber einem Teil der
CDU-Politiker, die denken, ein Waffenstillstand könnte den Weg zurück auf
den russischen Markt ebnen. Savinok verweist auf die Träume einiger
deutscher Politiker und Unternehmer, die Nord-Stream-Pipelines wieder in
Betrieb zu nehmen. Dies würde ihrer Logik zufolge billiges russisches Gas
nach Deutschland zurückbringen und die Industrie wettbewerbsfähiger machen.
Die Ukraine will solche Diskussionen beenden, sagt Saviok. Auch um mögliche
Einnahmen des Kremls zu verringern.
Ein weiteres Thema der Gespräche zwischen Merz und Selenskyj könnte die
Außenpolitik sein. Die EU plant ein neues Sanktionspaket gegen Russland,
und Kyjiw interessiert sich für Berlins Haltung zu einem anderen zentralen
Punkt: [3][die Gespräche über einen EU-Beitritt der Ukraine]. Formal
könnten die Verhandlungen über mindestens einen Themencluster bereits am
26. oder 27. Juni aufgenommen werden, wenn der EU-Rat zusammentritt. Doch
vor allem Ungarn unter Ministerpräsident Orbán blockt.
„Dieser Besuch in Berlin dient dazu, sich in wichtigen Fragen abzustimmen:
Sanktionen gegen Russland, Waffen, EU“, fasst Politologe Viktor Savinok
zusammen.
Aus dem Ukrainischen: Gaby Coldewey
28 May 2025
## LINKS
[1] /Merz-Macron-Starmer-und-Tusk-in-Kyjiw/!6087434
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!6087000
[3] /EU-Beitrittsgespraeche-mit-der-Ukraine/!6019871
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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Charkiw
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