| # taz.de -- Gesetzespaket Migration und Asyl: Eilig bei den Verschärfungen | |
| > Am Freitag will der Bundestag sieben umstrittene Gesetze verabschieden. | |
| > Auch ihr Zustandekommen ruft Kritik hervor – sogar von Teilen der SPD. | |
| Bild: Dürfen künftig bleiben: Geflüchtete Azubis, Berufschule Düsseldorf | |
| BERLIN taz | Von „durchpeitschen“ sprachen die Grünen. Von einer Eile, die | |
| nur ein „oberflächliches“ und keineswegs ein ordentliches | |
| Gesetzgebungsverfahren ermögliche, die Linkspartei. Die Opposition fand | |
| deutliche Worte, um nicht nur das Was, sondern auch das Wie zu kritisieren, | |
| mit dem die Große Koalition am Freitag ein ganzes Paket an Gesetzesvorhaben | |
| aus den Bereichen Migration, Integration und Asyl durch den Bundestag | |
| bringen will. | |
| „Im Schweinsgalopp“ würden die Gesetzesvorhaben durch das parlamentarische | |
| Verfahren gejagt, kritisierte am Mittwoch auch Annelie Buntenbach, | |
| Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). | |
| Aus Sicht der Großen Koalition ist diese Eile durchaus verständlich. Sowohl | |
| SPD als auch CDU und CSU hatten ihren Wähler*innen Ergebnisse versprochen – | |
| die SPD bei der Öffnung des Landes für reguläre Einwanderung zum Kampf | |
| gegen den Fachkräftemangel, die Union bei mehr Kontrolle und härterer | |
| Abschiebepolitik. | |
| Und beide liefern nun. Gerade in der Krise, in der die Große Koalition | |
| derzeit vor sich hin bröckelt, wollen die Politiker*innen das auch als | |
| Beweis der eigenen Handlungsfähigkeit verstanden wissen. So betonten es | |
| ranghohe Abgeordnete von Union und SPD ein ums andere Mal, als sie das | |
| Paket am Dienstag der Presse präsentierten. | |
| ## „Humanismus und Realismus“ | |
| Acht Gesetze umfasst das Paket, darunter Wege zur Erwerbsmigration für | |
| Fachkräfte, mehr Ausbildungsförderung für Ausländer*innen, erleichterte | |
| Abschiebungen, Änderungen bei den Leistungen für Asylbewerber*innen, | |
| Wohnsitzauflagen für Geflüchtete und Duldungen für eigentlich | |
| ausreisepflichtige Menschen mit Job oder Ausbildung. Sieben dieser acht | |
| Gesetze sollen am Freitag im Bundestag beschlossen werden. | |
| Bei vier dieser sieben Gesetze hatte der Innenausschuss erst am Montag | |
| Sachverständige befragt, nur wenige Minuten nach Ende der Anhörung lagen | |
| schon zahlreiche Änderungsanträge der Regierungsfraktionen vor. Das | |
| Staatsangehörigkeitsgesetz, das vorsieht, Doppelstaatler*innen die deutsche | |
| Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wenn sie sich etwa dem IS anschließen, | |
| soll Ende Juni folgen. | |
| Liberalisierung und Verschärfung – die einen nennen es „zwei Seiten der | |
| gleichen Medaille“, die anderen einen Kompromiss. Man müsse das Gesamtpaket | |
| betrachten, das die „richtige Balance findet zwischen Humanismus und | |
| Realismus“, schrieben am Dienstag die SPD-Fraktionsvizes Eva Högl und Katja | |
| Mast sowie die innen- und sozialpolitischen Sprecher*innen Burkhard Lischka | |
| und Kerstin Tack in einem Brief an ihre Fraktion. | |
| Es seien harte Verhandlungen gewesen. „Nicht jedes der acht Vorhaben und | |
| nicht jede einzelne Neuregelung entsprechen 1:1 unseren Vorstellungen, | |
| insbesondere nicht das Geordnete-Rückkehr-Gesetz.“ | |
| ## Scharfe Kritik | |
| Dieses sieht zur besseren Durchsetzung von Abschiebung unter anderem eine | |
| massive Ausweitung von Haftgründen für Betroffene vor, außerdem zahlreiche | |
| Sanktionierungen für Menschen, die aus Behördensicht nicht ausreichend an | |
| der Passbeschaffung mitwirken und die vorübergehende Inhaftierung von | |
| Abzuschiebenden in regulären Gefängnissen. | |
| Grüne und Linke kritisieren diese Vorhaben scharf, ebenso | |
| zivilgesellschaftliche Akteur*innen und sogar die Gewerkschaft der Polizei. | |
| Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats hat Bedenken geäußert. | |
| Erst am Montag hatten mehr als 100 SPD-Funktionär*innen aus dem ganzen | |
| Bundesgebiet ihre Genoss*innen im Bundestag aufgefordert, dem Gesetz nicht | |
| zuzustimmen. „Es ist genug“, [1][twitterte am Mittwoch Johanna Uekermann], | |
| Vize-SPD-Vorsitzende in Bayern und Mitglied im SPD-Vorstand. | |
| Dennoch dürfte es eine vergebliche Forderung sein. Erstens gilt es, den | |
| Fraktionsfrieden zu bewahren. Zweitens gab es auch auf Unionsseite | |
| Vorbehalte gegen jene Teile des Pakets, die der SPD wichtig waren. | |
| ## Eilige Verschärfungen | |
| Die Innenpolitiker*innen von CDU und CSU hatten sich vor allem gesträubt, | |
| gut integrierten Geduldeten eine Bleibeperspektive zu geben, wenn diese ein | |
| Ausbildungsangebot haben oder einen sozialversicherungspflichtigen Job. | |
| Dies biete Menschen weltweit einen Anreiz, auch auf illegalen Wegen nach | |
| Deutschland zu kommen, hatte etwa Andrea Lindholz (CSU) kritisiert. | |
| Die Union hatte schließlich ihre Zustimmung zur Fachkräfteeinwanderung – | |
| einem Herzensanliegen der SPD – an die Bedingung geknüpft, dass diese im | |
| Gegenzug das Abschiebegesetz mit ermöglicht. | |
| Schaut man genau hin, zeigt sich denn auch: Eilig war das | |
| Gesetzgebungsverfahren vor allem bei den Verschärfungen. Schon im Dezember | |
| hatte das Kabinett das Einwanderungsgesetz beschlossen. Doch dann kam der | |
| Prozess ins Stocken. „Die Union hat lange Zeit die Verhandlungen blockiert | |
| und verzögert“, schrieben nun Högl, Lischka, Mast und Tack an ihre | |
| Genoss*innen. | |
| ## Schnell noch vor der Sommerpause | |
| Doch man habe sich nicht abbringen lassen. „Unser Ziel war es, das Gesetz | |
| noch vor dem Sommer zu verabschieden.“ Mit den Abstimmungen am Freitag wird | |
| das gerade noch so gelingen – es ist die vorletzte Sitzungswoche vor der | |
| Sommerpause. Ende Juni kann dann der Bundesrat über die Gesetze abstimmen, | |
| die seiner Zustimmung bedürfen. | |
| „Wir sind ein Einwanderungsland“ – diese Botschaft werde mit der Reform d… | |
| Einwanderungsrechts gesandt, betont die SPD. In der öffentlichen Debatte | |
| überwiegt allerdings schon längst das Geordnete-Rückkehr-Gesetz von | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer. Und das haben Kritiker*innen nicht | |
| zufällig „Hau-ab-Gesetz“ getauft. | |
| 7 Jun 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/j_uekermann/status/1136152951792316416 | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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