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# taz.de -- Geschichtsaufarbeitung in Rumänien: Weg frei für Holocaust-Museum
> Präsident Johannis unterzeichnet das Gesetz für ein Museum über den
> Holocaust. Nationalisten und Rechtsradikale lehnen das Projekt vehement
> ab.
Bild: Auch in dieser Bukarester Kirche wird Ion Antenescu mit einem ikonenartig…
Berlin taz | [1][Rumäniens Präsident Klaus Johannis] hat am Dienstag ein
vom Parlament verabschiedetes Gesetz unterzeichnet, das die Errichtung
eines Museums für die Geschichte der Juden und des Holocaust in Rumänien
vorsieht. Das Museum wird in einem zentral gelegenen Gebäude in der
Hauptstadt Bukarest eingerichtet. Das Gesetz sieht vor, dass das Museum dem
Institut zur Erforschung des rumänischen Holocaust „Elie Wiesel“ (INSHR-EW)
untersteht. Finanziert wird es aus öffentlichen Mitteln sowie
Privatspenden.
Anlässlich der Unterzeichnung des Gesetzes hielt Johannis eine Rede, in der
er den Beitrag der rumänischen Juden zur Entwicklung der Wirtschaft und
Kultur des Landes würdigte. Zudem betonte er, die Notwendigkeit einer
ehrlichen und kritischen Geschichtsschreibung und -aufarbeitung.
Eine Aufarbeitung der Geschichte des von dem faschistischen Militärregime
unter dem Hitlerverbündeten Ion Antonescu durchgeführten
Vernichtungsprogramms der rumänischen Juden stagnierte in den ersten Jahren
nach dem politischen Umsturz von 1989.
Antonescu, der Hauptverantwortliche für den Tod von etwa 380.000
rumänischen und ukrainischen Juden, wurde in den Medien als „großer
Patriot, antibolschewistischer Kämpfer, Verteidiger des Christentums und
Held beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg“ gepriesen.
Straßen erhielten seinen Namen, in einigen Städten errichtete man
Denkmäler. In orthodoxen Kirchen wird er auch heute noch auf ikonenhaften
Wandgemälden dargestellt.
## Vernichtung in Eigenregie
Gegen den Kult Antonescus, der 1946 als Kriegsverbrecher zum Tod verurteilt
wurde, gab es wiederholt Proteste seitens ausländischer Politiker. Eine vom
Expräsidenten Ion Iliescu einberufene internationale Kommission unter dem
Vorsitz des [2][2016 verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel],
erhielt 2004 den Auftrag, die Involvierung Rumäniens in den Holocaust zu
untersuchen.
Im Abschlussbericht der Kommission heißt es, dass außer Deutschland nur
noch Rumänien in einem vergleichbaren Ausmaß an Massakern an Juden
beteiligt gewesen sei. Die Zahl der im Bericht genannten jüdischen Opfer
liegt zwischen 280.000 und 380.000, die der Roma bei mindestens 11.000
Personen. Hervorgehoben wird, dass Rumänien die Vernichtung der nach
Transnistrien deportierten Juden und Roma in Eigenregie durchgeführt hat.
Zahlreiche nationalistische Historiker versuchen die Verantwortung des
Regimes zu bagatellisieren, indem sie auf die etwa 300.000 überlebenden
Juden im rumänischen Kernland hinweisen, die Antonescu gerettet habe. In
Rumänien lebten zwischen den Weltkriegen über 700.000 Juden. Laut
Volkszählung von 2011 zählt die jüdische Gemeinde 3.271 Mitglieder.
Nationalisten haben sich in den vergangenen Monaten wiederholt gegen die
Errichtung des Museums ausgesprochen und sich an antisemitisch unterlegten
Protestaktionen beteiligt. Ein ursprünglich für das Museum vorgesehenes
Gebäude im historischen „Leipziger“-Stadtviertel – Lipscani – lehnte d…
Bukarester Stadtrat ab.
## Gedenkstätte für Kommunismus-Opfer
Einer der vehementesten Gegner des anfangs geplanten Standortes war der
Bukarester Vize-Bürgermeister, Aurelian Bădulescu. Seine Haltung begründete
er mit dem Hinweis, das Leipziger-Viertel sei „eine von Rumänismus
durchtränkte Zone“. Gleichzeitig erklärte er, dass er in Bukarest eine
Büste von Ion Antonescu aufstellen wolle, denn dieser gehöre ebenso zur
Geschichte Rumäniens, wie die von „den Nazis massakrierten und ermordeten
Juden“.
Das Museum lehnen auch rechtsradikale Gruppen ab. Diese fordern die
Errichtung einer den Opfern des Kommunismus gewidmeten Gedenkstätte. Sie
bezeichnen das jahrelange Plädoyer des Wiesel-Instituts für ein Museum in
Bukarest als eine „Frechheit“.
9 Oct 2019
## LINKS
[1] /Nach-der-Wahl-in-Rumaenien/!5361073
[2] /Nachruf-auf-Elie-Wiesel/!5318521
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Holocaust
Rumänien
Museum
Rechtsradikalismus
Klaus Johannis
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ion Antonescu
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Schwerpunkt Rassismus
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