# taz.de -- Nach der Wahl in Rumänien: Auf dem Weg ins Chaos | |
> Präsident Johannis lässt die sozialdemokratische Kandidatin für den | |
> Posten des Regierungschefs abblitzen. Eine Neuwahl ist nicht | |
> ausgeschlossen. | |
Bild: Fand nicht die Zustimmung des Staatspräsidenten: Sevil Shhaideh | |
BERLIN taz | „Der rumänische Staatspräsident hat genau das getan, was zu | |
befürchten war. Er hat uns in einen Zustand der Uneindeutigkeit versetzt, | |
nach einer Wahl mit einem eindeutigen Ergebnis. Das ist ein unzulässiges | |
Spiel mit dem Feuer.“ Diese Einschätzungen des politischen Schwebezustands, | |
in dem sich Rumänien nach den Wahlen von Anfang Dezember befindet, stammen | |
von Costi Rogozanu, einem der wenigen authentischen Linken, die ihre | |
politische Meinung fast ausschließlich auf Internetplattformen und Blogs | |
äußern können. | |
Präsident Klaus Johannis hatte vor den Wahlen am 11. Dezember angekündigt, | |
seine Zustimmung zu verweigern, falls die siegreichen Parteien einen | |
Premier benennen, der „strafrechtliche Probleme“ hat. Damit schloss | |
Johannis eine Nominierung des Chefs der Sozialdemokratischen Partei (PSD) | |
Liviu Dragnea aus, der wegen Wahlmanipulationen zu einer zweijährigen | |
Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Dragneas Sozialdemokraten gewannen | |
die Wahl und schlossen mit der Allianz der Liberalen und Demokraten (Alde) | |
ein Bündnis, das im Parlament über mehr als die Hälfte der Mandate verfügt. | |
Da aber auch Alde-Chef Calin Popescu Tariceanu wegen „strafrechtlicher | |
Probleme“ „ungeeignet“ für das Amt eines Premiers ist, machte der PSD-Ch… | |
einen unerwarteten Schachzug und nominierte Sevil Shhaideh. Die Kandidatin, | |
eine Muslimin, die der tatarischen Minderheit angehört und in einer | |
früheren Regierung als Entwicklungsministerin tätig war, lehnte Johannis | |
ab. In einem einsilbigen Statement äußerte er, er habe nach sorgfältigen | |
Überlegungen seine Entscheidung gefällt und erwarte von der | |
parlamentarischen Mehrheit einen neuen Vorschlag. | |
Die Johannis nahestehende Nationalliberale Partei (PNL), die | |
Volksbewegungspartei (PMP) des Expräsidenten Traian Basescu und der | |
angeblich „ideologiefreie“ Verband Rettet Rumänien (USR), die im Parlament | |
als rechte Opposition auftreten und vergeblich versucht hatten, ein Bündnis | |
zu schmieden, um die Sozialdemokraten auszuhebeln, begrüßten lautstark die | |
Verweigerung von Johannis. | |
## Journalistische Enthüllungen | |
Was der Staatschef in seinem Statement verschwieg, verkündeten umso | |
schriller die Oppositionsparteien. Unter Berufung auf Enthüllungen der | |
Journalisten von dem investigativen Rise Project, wurde Sevil Shhaideh | |
vorgeworfen, sie sei ein Risikofaktor für die Europäische Union. Shhaideh | |
ist mit einem syrischen Geschäftsmann verheiratet, der sich als | |
begeisterter Anhänger des diktatorischen Regimes von Baschar al-Assad | |
geoutet haben soll. Akram Shhaideh war zwei Jahrzehnte Beamter im | |
Landwirtschaftsministerium Assads. Er zog 2010 nach Rumänien, heiratete | |
Sevil und erhielt 2015 die rumänische Staatsbürgerschaft. | |
PSD-Chef Dragnea war Trauzeuge. Seither gilt Sevil als dessen Vertraute und | |
wird von der Opposition als Marionette bezeichnet, mit deren Hilfe Dragnea | |
versuchen wollte, die Regierungsgeschäfte zu beeinflussen. Nach der | |
Ablehnung seines Vorschlags drohte Dragnea, seine Partei werde im Parlament | |
gegen Johannis ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. | |
Staatschef Johannis ist in einer Zwickmühle. Um nicht seine Glaubwürdigkeit | |
zu verlieren, kann er keinen Rückzieher machen, auch auf die Gefahr hin, | |
eine politische Krise heraufzubeschwören. Wenn die Sozialdemokraten keinen | |
Kandidaten vorschlagen, den Johannis akzeptiert, müssen innerhalb von zwei | |
Monaten eine Neuwahl organisiert werden. Das hieße, die Sozialdemokraten | |
würden einen noch höheren Wahlsieg verzeichnen als im Dezember, und das | |
Verwirrspiel begänne von vorn. | |
28 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
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