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# taz.de -- Parlamentswahl in Rumänien: Für Gott, Familie und Vaterland
> Mit alten Parolen und belasteten Personen geht’s am Sonntag zur Wahl. Vor
> allem in den sozialen Netzwerken kämpfen die Parteien um Stimmen.
Bild: Will weitermachen: Rumäniens Regierungschef Dacian Ciolos
Bukarest taz | „Alles Lügner, Halsabschneider und Ganoven, die sich
bereichern wollen“, schimpft ein Bukarester. Er steht vor einem der
winzigen Wahlplakate, die an Fassaden und Litfaßsäulen der rumänischen
Hauptstadt kleben. 18,9 Millionen Rumänen sind am Sonntag aufgerufen, ein
neues Parlament zu wählen.
Von dem früher auch auf den Straßen ausgetragenen Wahlkampf ist in
Rumänien, das seit 2007 Mitglied der EU ist, diesmal kaum etwas zu sehen.
Großflächige Wahlplakate sind verboten genauso wie Wahlgeschenke. Erlaubt
sind nur kleine Plakate mit dem Bild eines Kandidaten und einem Wahlspruch
von dessen Partei. Auffallend an dieser Wahlpropaganda sind die
vaterländischen Slogans, in denen das Wort Rumänien oder Heimat nicht
fehlen darf.
Umso leidenschaftlicher tobt der Wahlkampf im virtuellen Raum. Facebook ist
zur beliebtesten Wahlkampftribüne aller Parteien geworden, die mit ihren
vollmundigen Versprechungen und populistischen Lockversen um die Gunst der
Wähler buhlen. Um die 466 Sitze im Parlament, dem Abgeordnetenhaus und dem
Senat bewerben sich mehr als 6.500 Kandidaten von 11 Parteien und 17
nationalen Minderheitenorganisationen.
Alle setzen auf das Erfolgsrezept Wohlstand, Bürokratieabbau,
Korruptionsbekämpfung, Nationalismus und christliche Werte. Zwei, auf den
ersten Blick politisch unvereinbare Blöcke stehen sich unversöhnlich
gegenüber. Auf der einen Seite die Sozialdemokratische Partei (PSD) mit
ihren Satelliten, der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) und der
erklärt fremden- und EU-feindlichen, homo- und islamophoben Partei
Vereinigtes Rumänien (PRU).
## Ultrarechte Allianz
Auf der anderen Seite die Nationalliberale Partei (PNL) und der
„ideologiefreie“ Verband Rettet Rumänien (USR). Eine zwischen diesen Polen
stehende Gruppierung ist die ultrarechte Partei Unsere Allianz Rumänien
(ANR). Sie steht für ein protektionistisches und antiglobalistisches
Wirtschaftsmodell sowie für die christliche Familie und die Abschaffung der
als neomarxistisch bezeichneten „politischen Korrektheit“.
Die Partei wurde von dem ehemaligen Studentenführer Marian Munteanu
gegründet. Er versuchte bereits Mitte der 1990er Jahre die rechtsextreme,
inzwischen untergegangene Bewegung für Rumänien (MPR) ins Parlament zu
führen. Diesmal dürfte er über die Fünfprozenthürde kommen. Sein
politisches Comeback bereitet auch der frühere Präsident Traian Basescu mit
seiner Gruppierung vor, die sich Volksbewegung (MP) nennt und die
insbesondere durch antiungarische Sticheleien und islamophobe Sprüche
aufgefallen ist.
Umfragen sehen die Sozialdemokraten bei 42 Prozent der Stimmen, die
Nationalliberalen bei 27 Prozent. Zusammen mit ihren Verbündeten aus der
Allianz ALDE (6 Prozent) könnten die Sozialdemokraten als Sieger
hervorgehen und den künftigen Premier vorschlagen, den Staatspräsident
Klaus Johannis bestätigen muss. Dieser kündigte indes an, seine Zustimmung
zu verweigern, sollte die siegreichen Parteien einen Regierungschef
benennen, der „strafrechtliche Probleme“ hat.
Die Kandidaten der voraussichtlichen Wahlgewinner für den Posten des
Regierungschefs sind vorbestraft oder in strafrechtliche Ermittlungen
verwickelt. Die Nationalliberalen, die sich für eine Koalition mit dem
Verband Rettet Rumänien (acht Prozent) ausgesprochen haben, setzen auf den
parteilosen, Technokratenpremier Dacian Ciolos. Dieser hat sich auch schon
bereit erklärt, erneut als Regierungschef zur Verfügung zu stehen.
Die hinter den Kulissen entworfenen Pläne bezüglich eines Schattenkabinetts
wurden durch die Plagiatsvorwürfe überschattet, mit denen der zukünftige
Unterrichtsminister, der liberale Kandidat und Rektor der Temeswarer
Universität, Marilen Pirtea, konfrontiert ist. Frei nach Bertolt Brecht:
Vorhang auf und alle Fragen offen.
10 Dec 2016
## AUTOREN
William Totok
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Dacian Ciolos
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Islamophobie
Victor Ponta
Europäische Union
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