# taz.de -- Rumäniens ehemaliger Präsident: Späte Anklage gegen Ion Iliescu | |
> Brutaler Einsatz gegen Studenten 1990: Wegen Verbrechen gegen die | |
> Menschlichkeit wird gegen den Exmachthaber ermittelt. | |
Bild: Rumäniens einstiger starker Mann Ion Ilescu auf einem Foto aus dem Jahre… | |
Berlin taz | Die rumänische Generalstaatsanwaltschaft hat am Mittwoch mit | |
den Vernehmungen des früheren Staatschefs Ion Iliescu begonnen, der wegen | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden soll. In dem Verfahren | |
geht es um die gewalttätigen Vorfälle im Juni 1990, als in Sonderzügen | |
mehrere tausend Bergarbeiter nach Bukarest gebracht wurden, um den | |
Universitätsplatz zu räumen. | |
Im Zentrum der rumänischen Hauptstadt waren ab April 1990 täglich | |
zahlreiche Menschen an einer Demonstration beteiligt, die den Rücktritt von | |
Ion Iliescu forderten, der mit seiner Mannschaft nach dem gewaltsamen Sturz | |
des kommunistischen Autokraten Nicolae Ceausescu im Dezember 1989 an die | |
Macht gekommen war. | |
Eine Radikalisierung der Bukarester Marathondemonstration war nach den | |
ersten freien Wahlen vom 20. Mai 1990 festzustellen. Iliescu hatte die Wahl | |
gewonnen und fühlte sich durch das Ergebnis als Präsident demokratisch | |
legitimiert. In der spannungsgeladenen Atmosphäre drohte die Situation zu | |
eskalieren. Auf dem Universitätsplatz gaben rechtsnationalistische Kräfte | |
zunehmend den Ton an. Für Iliescu und die neue Regierung unter Petre Roman | |
war der Rechtsruck ein hinreichender Vorwand, um an die proletarische | |
Solidarität der Bergarbeiter zu appellieren und sie zu Hilfe zu rufen. | |
Um die Regierung vor einem „drohenden faschistischen Umsturzversuch” zu | |
beschützen, gingen die mit Stöcken, Beilen, Eisenstangen und Spitzhacken | |
ausgestatten Grubenarbeiter gegen alle Personen vor, die sie als | |
Oppositionelle einstuften. | |
## Polizei an Gewaltorgie beteiligt | |
Die Folge des Bergarbeitereinsatzes war eine blutige Gewaltorgie, die den | |
Tod von vier Menschen zur Folge hatte. Bei den Auseinandersetzungen wurden | |
etwa 1000 Personen verletzt, weitere waren schweren Misshandlungen | |
ausgesetzt und zahlreiche Demonstranten wurden in einem vom | |
Innenministerium verwalteten Lager interniert. | |
Die drei Tage lang andauernden Ausschreitungen, an denen auch Einsatzkräfte | |
der Polizei beteiligt waren, endeten am 15. Juni 1990. In einer Rede | |
bedankte sich Iliescu bei den Arbeitern, die daraufhin die Hauptstadt | |
verließen und sich auf den Heimweg ins südrumänische Schiltal machten. | |
Die im Laufe der letzten Jahre wiederholt eingeleiteten Ermittlungen gegen | |
Iliescu und weitere Mitverantwortliche wurden zumeist eingestellt. Auch die | |
von einem Militärstaatsanwalt 2005 erhobenen Beschuldigungen gegen Iliescu | |
– Kriegspropaganda, Genozid, Unterwanderung der Staatsgewalt – wurden | |
fallen gelassen. Die jetzt eingeleiteten Ermittlungen konzentrieren sich | |
lediglich auf den als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichneten | |
Straftatbestand. | |
21 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Wlliam Totok | |
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