# taz.de -- Streit zwischen Rumänien und Ungarn: „Eine Provokation“ | |
> Ungarn will auch an der Grenze zu Rumänien einen Zaun errichten. Das | |
> stößt bei der Regierung in Bukarest auf heftige Kritik. | |
Bild: Ein Stein, der die ungarisch-rumänische Grenze markiert. | |
Berlin taz | „Wie viele andere europäische Politiker fühle ich mich | |
verpflichtet, auf das unhaltbare und konstante Auftreten hoher | |
Regierungsvertreter aus Ungarn aufmerksam zu machen und es zu verurteilen. | |
Diese sind eine Schande für die Kultur und die Werte Europas; auch was ihre | |
antisemitischen Äußerungen betrifft und ihre Haltung allen Minderheiten | |
gegenüber und insbesondere bezüglich der Flüchtlinge.“ | |
Diese scharfe Reaktion auf die Ankündigung der ungarischen Regierung, nun | |
auch einen Zaun an der rumänisch-ungarischen Grenze errichten zu wollen, | |
stammt vom rumänischen Premierminister Victor Ponta. Damit versuchte er auf | |
Facebook am Dienstagabend seinem Ärger Luft zu machen. | |
Durch den neuen Zaun will Budapest verhindern, dass Flüchtlinge von Serbien | |
über den Umweg über Rumänien nach Ungarn kommen. | |
In einer Erklärung hatte am Dienstag auch das rumänische Außenministerium | |
gegen das Vorhaben Ungarns protestiert. „Die Errichtung eines Zauns | |
zwischen zwei Mitgliedsländern der Europäischen Union, die zudem | |
strategische Partner sind“, heißt es in der Verlautbarung, „ist politisch | |
gesehen keine korrekte Geste und entspricht auch nicht dem europäischen | |
Geist.“ | |
## „Zynische Maßnahme“ | |
In einem Gespräch mit einem Bukarester Fernsehsender kam Ponta am Dienstag | |
erneut auf den Zaun zu sprechen, der die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten im | |
Dreiländereck Serbien-Ungarn-Rumänien stoppen soll. Ponta bezeichnete das | |
Vorhaben als eine „zynische Maßnahme“, „als Ausdruck eines Denkens“, d… | |
„Ungarn aus Europa ausschließt“, als eine „Provokation“, die an „die | |
Nazizeit und an den Kalten Krieg erinnert“. Gleichzeitig erinnerte Ponta | |
daran, dass Rumänien die „Aufnahme von Flüchtlingen mit dem Stock“, so wie | |
sie von Ungarn betrieben werde, aufs Schärfste verurteile. | |
Die Antwort kam postwendend vom ungarischen Außenminister Peter Szijjarto. | |
Laut rumänischen Presseberichten etikettierte dieser die Aussagen des | |
rumänischen Premiers als „extremistisch und verlogen“ und als Versuch, von | |
dem Umstand abzulenken, dass dessen Sessel wackele. Szijjarto spielte damit | |
auf das gegen Ponta laufende Ermittlungsverfahren der | |
Antikorruptionsbehörde an. | |
Nach Rumänien, das nicht Mitglied des Schengenraums ist, sind bislang kaum | |
Bürgerkriegsflüchtlinge eingereist. Sowohl der Regierungs- als auch der | |
Staatschef, Klaus Johannis, hielten sich eher bedeckt, als die anderen | |
östlichen EU-Länder eine Flüchtlingsaufnahme per Quotenregelung ablehnten. | |
Premier und Präsident erklärten schließlich übereinstimmend, Rumänien sei | |
solidarisch mit der Europäischen Union und bereit, 1.785 Flüchtlinge | |
aufzunehmen. Für eine größere Anzahl habe das 20-Millionen-Land keine | |
Unterbringungsmöglichkeiten und keine „logistischen Kapazitäten“. | |
Derweil machte Ex-Präsident Traian Băsescu Stimmung gegen die Aufnahme von | |
Flüchtlingen. Im vergangenen Monat hatte er sich bereits gegen den | |
geplanten Bau einer Moschee und einer islamischen Gebetsschule in Bukarest | |
ausgesprochen. Er begründete das mit dem Hinweis auf die Infiltration | |
islamistischer Gotteskrieger und die damit verbundene Gefahr eines | |
aufkeimenden religiös motivierten Terrorismus. | |
## Hauptschuldige Angela Merkel | |
Hinter ähnlichen Argumenten verschanzen sich auch rechtsradikale rumänische | |
Kreise, die sich in den vergangenen zwei Wochen auf Facebook unter dem | |
Namen „Nein zu der Islamisierung Rumäniens“ zu einer Kampfgemeinschaft | |
zusammengeschlossen haben. Mit kruden fremdenfeindlichen und rassistischen | |
Sprüchen wird hier der demografische Untergang Rumäniens als Vorposten des | |
christlichen Abendlands beschworen. | |
Als Hauptschuldige an der bevorstehenden Überfremdung Rumäniens durch die | |
traditionellen Feinde des Christentums gilt Kanzlerin Angela Merkel. | |
„Haltet Merkel auf, sie will uns vernichten!“, heißt es auf der | |
islamophoben Facebookseite, die bisher von fast 40.000 Personen mit ihren | |
ermutigenden Likes unterstützt wird. Es könnten bald noch einige | |
dazukommen. | |
16 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
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