# taz.de -- Antisemitismus in Rumänien: Die Polizei schaut zu | |
> Anlässlich des Holocaust-Gedenktages leugnen drei Rechtsradikale auf | |
> Kranzschleifen den Massenmord an den Juden – vor den Augen der Polizei. | |
Bild: Rechtsradikale bei ihrer „Kranz-Aktion“ am Donnerstag in Bukarest | |
BERLIN taz | Drei Rechtsradikale haben am Donnerstag die offizielle | |
Gedenkveranstaltung anlässlich des internationalen Holocausttages in der | |
rumänischen Hauptstadt Bukarest gestört. Sie legten in der Nähe des | |
Holocaustdenkmals einen Kranz nieder, auf dessen Schleifen folgende | |
Inschriften zu lesen waren: „Rumänien hat während des Holocaust 400.000 | |
Juden gerettet“ und: „Vergessen wir nicht bezüglich des Holocaust: Die | |
Hälfte der Wahrheit ist eine Lüge“. | |
Der Vorfall ereignete sich unter den Augen der Polizei, der | |
Antiterroreinheit sowie weiterer Sicherheitskräfte, die für den Schutz des | |
anwesenden israelischen Botschafters in Rumänien, David Saranga, sorgen | |
sollten. | |
Alexandru Florian, der Vorsitzende des Landesinstituts für das Studium des | |
Holocaust in Rumänien „Elie Wiesel“ hat unterdessen den rumänischen | |
Innenminister schriftlich aufgefordert, den Vorfall untersuchen zu lassen. | |
Die Leitung der Bukarester Polizei reagierte mit einer Mitteilung, in der | |
es heißt, man werde eine Untersuchung des Zwischenfalls einleiten und gegen | |
die Beteiligten wegen des Verstoßes gegen das Gesetz, das antisemitische | |
Hetze verbietet, ermitteln. In der gleichen Polizeimitteilung heißt es, | |
dass das Vergehen mit einer Gefängnisstrafe zwischen drei Monaten und drei | |
Jahren geahndet werden könne. | |
## Zwei Personen identifiziert | |
Von den drei Provokateuren, konnten inzwischen mindestens zwei | |
identifiziert werden, was Alexandru Florian gegenüber der taz bestätigte. | |
Es handelt sich um Mihai R. Und Mihai T. | |
Der in radikalen Kreisen aktive Rechtsanwalt Mihai R. war in den letzten | |
Jahren auch an anderen antisemitischen Aktionen beteiligt. 2010 nahm er an | |
einer Demonstration vor der israelischen Botschaft in Bukarest teil. | |
In einem an den damaligen israelischen Präsidenten Shimon Peres gerichteten | |
offenen Brief forderten die Teilnehmer diesen auf, die für den | |
„kommunistischen Holocaust“ verantwortlichen „kommunistischen Juden“ | |
öffentlich zu verurteilen. Der Brief wurde unter der Überschrift „Rumänien | |
ist nicht der Gazastreifen“ von den Organisatoren im Internet verbreitet. | |
Auch ein Kundgebungsvideo war dort abrufbar. Der Vorfall hatte keinerlei | |
strafrechtliche Konsequenzen. | |
Rumänische Rechtsextremisten verkünden seit der politischen Wende von 1989, | |
dass Juden für die Verbreitung des Kommunismus und des stalinistischen | |
Terrors in den 1950-er Jahren in Rumänien verantwortlich seien. Die | |
Beteiligung Rumäniens am [1][Holocaust] wird systematisch geleugnet oder | |
verharmlost. | |
## Eigene Konzentrationslager | |
Dabei war das rumänische faschistische Militärregime unter Ion Antonescu | |
nicht nur zusammen mit Deutschland am Überfall auf die Sowjetunion | |
beteiligt, sondern hatte eigene Konzentrationslager und Ghettos für Juden | |
errichtet. Von den nach Transnistrien ab Oktober 1941 Deportierten starben | |
etwa 300.000 rumänische und ukrainische Juden sowie über 11.000 Roma. | |
Rumänien war zudem in zahlreiche Massaker involviert. Nach der Einnahme | |
Odessas im Herbst 1941 richteten die rumänischen Truppen ein Blutbad unter | |
der jüdischen Bevölkerung an. Die Zahl der Opfer wird auf 34.000 geschätzt. | |
Aus einer kürzlich im Auftrag des Wiesel-Instituts durchgeführten Umfrage | |
geht hervor, wie realitätsfern das Geschichtsbild vieler Rumänen ist. 59 | |
Prozent der Befragten vertreten allen Ernstes die Meinung, der als | |
Kriegsverbrecher 1946 hingerichtete Ion Antonescu sei ein großer | |
rumänischer Patriot gewesen. | |
In den vergangenen Monaten ist eine Zunahme rechtsextremistischer Vorfälle | |
zu verzeichnen. Auch [2][die ultranationalistische und coronaskeptische | |
Partei „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR)] erfreut sich eines | |
wachsenden Sympathisanten- und Unterstützerkreises. Aus einer am Mittwoch | |
veröffentlichten Umfrage geht hervor, dass für die seit zwei Jahren im | |
Parlament vertretene AUR-Partei 20,6 Prozent der Wählerschaft stimmen | |
würden. | |
28 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Geschichtsaufarbeitung-in-Rumaenien/!5628779 | |
[2] http://Streit%20um%20Holocaust%20als%20Schulfach | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
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