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# taz.de -- Antisemitismus in Rumänien: Blanker Hass
> Die Intendantin des Jüdischen Theaters in Bukarest, Maia Morgenstern,
> wird per Mail mit dem Tod bedroht. Angeblich ist der Absender
> identifiziert.
Bild: Verwüsteter Jüdischer Friedhof in Bukarest 2008
Berlin taz | In Rumänien hat ein neuer Vorfall von antisemitischer Hetze
eine heftige Debatte ausgelöst. „Die elende Hure Maia Morgenstern werde ich
umbringen“, „sie in eine Gaskammer werfen“, „ihre Tochter vergewaltigen…
„euer idiotisches jüdisches Theater anzünden“ und „alle Schauspieler di…
Rattenlochs ermorden“. „Sollte sie es noch einmal wagen, von Antisemitismus
zu sprechen, werde ich sie endgültig zum Schweigen bringen“.
Diese unsäglichen Zitate stammen aus einer E-Mail, die am vergangenen
Samstag an die bekannte Schauspielerin und Intendantin des Jüdischen
Staatstheaters in Bukarest geschickt worden war. Die Morddrohungen wurden
zusätzlich mit dem irreführenden Hinweis „Seitens der AUR“ unterzeichnet.
AUR ist die Abkürzung der rechtsradikalen, euro- und coronaskeptischen
Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen, die 2020 ins rumänische
Parlament eingezogen ist. Der Co-Vorsitzende der Partei distanzierte sich
von dem Drohschreiben und erklärte, der Verfasser sei kein Mitglied seiner
Organisation und habe in Eigenregie gehandelt.
Maia Morgenstern veröffentlichte das Schreiben auf Facebook und löste damit
eine Flut von Kommentaren aus. Kurz darauf reagierte der
Regierungsbeauftragte für die Bekämpfung von Antisemitismus und
Fremdenfeindlichkeit, Alexandru Muraru, und forderte die zuständigen
Behörden in einem Schreiben, das der taz vorliegt, auf, den Verfasser der
Drohungen zu identifizieren und strafrechtlich gegen ihn vorzugehen.
## Geheimdienst reagiert nicht
Auch die Behörden reagierten erstaunlich schnell. In einem Kommuniqué, aus
dem rumänische Medien am Montag zitierten, hieß es, der Täter sei
identifiziert worden. Es handle sich um eine „psychisch gestörte Person“,
die mit Hilfe der Polizei und des Rumänischen Nachrichtendienstes (SRI)
ausfindig gemacht werden konnte. Eine an den Geheimdienst SRI gerichtete
Anfrage sowie das Ersuchen, den Wortlaut des besagten Kommuniqués zur
Verfügung zu stellen, blieben unbeantwortet.
Am Montagabend veröffentlichte die rumänische Polizei eine weitere
Verlautbarung, wonach der mutmaßliche Täter für 60 Tage unter
Polizeiaufsicht gestellt wurde. In dieser Mitteilung fehlen der Hinweis auf
eine psychische Erkrankung, die angekündigte Untersuchungshaft des
möglichen Straftäters sowie die geheimdienstliche Mitwirkung bei dessen
Identifikation.
Inzwischen ist eine zweite Drohmail aufgetaucht, in der Morgenstern als
„korrupte“ und „speckige Jüdin“ beschimpft wird, die kein Recht habe, …
rumänischem Boden“ zu leben. Die Äußerungen sind mit dem Pseudonym „Enola
Gay“ unterzeichnet. Enola Gay ist der Name eines der amerikanischen
B-29-Bomber, die bei den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki
eingesetzt wurden.
In zahlreichen Kommentaren rechtsnationalistischer Journalisten und
rechtsradikaler Publikationen fand der Vorfall ein breites Echo. In einigen
dieser Kommentare wird der Schauspielerin unterstellt, mit der
Veröffentlichung der Drohmail versucht zu haben, Rumänien als
antisemitisches Land zu verunglimpfen. In weniger vehementen, jedoch
verharmlosenden Bemerkungen heißt es, es handle sich um einen bedauerlichen
Einzelfall. Von virulentem Antisemitismus könne nicht gesprochen werden.
## Gedenkhaus geschändet
Solch bagatellisierenden Behauptungen widerspricht Alexandru Florian,
Leiter des Landesinstituts für das Studium des Holocaust in Rumänien. Als
das Gedenkhaus [1][des Nobelpreisträgers Elie Wiesel] 2018 in Sighet mit
antisemitischen Schmierereien geschändet wurde, sei die Tat ebenfalls
verharmlost worden, sagte er der taz.
Ähnliche Vorfälle, wie 2019 die Verwüstung des jüdischen Friedhofs in Huşi,
wurden unverantwortlichen Jugendlichen zugeschrieben, die keineswegs aus
antisemitischen Beweggründen gehandelt haben. Etliche solcher
beschönigender Erklärungsbeispiele dienten in den letzten 30 Jahren dazu,
die Existenz antisemitischer, [2][holocaustleugnender], rassistischer und
fremdenfeindlicher Einstellungen in Rumänien einfach zu ignorieren, zu
verniedlichen, zu verneinen oder totzuschweigen.
Dabei sprechen nicht nur die Umfragen, die aggressiv nationalistische
Publizistik sowie die sozialen Medien eine ganz andere Sprache. In einer
für den Nationalen Antidiskriminierungsrat (CNCD) vor drei Jahren
veröffentlichen Umfrage, erklärten 46 Prozent der Befragten, sie hätten
kein Vertrauen zu Juden. 21 Prozent lehnten es ab, jüdische Verwandte zu
haben und 14 Prozent wollten auch keine jüdischen Freunde.
31 Mar 2021
## LINKS
[1] /Antisemitismus-in-Rumaenien/!5521200
[2] /Geschichtsaufarbeitung-in-Rumaenien/!5749212
## AUTOREN
William Totok
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Rumänien
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