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# taz.de -- Geschichtsaufarbeitung in Rumänien: Glimpflich davon gekommen
> Ein Ex-Offizier des Geheimdienstes wird wegen Holocaust-Leugnung zu einer
> Bewährungsstrafe verurteilt. Es ist das erste derartige Urteil seit 1989.
Bild: Soldaten der Ehrengarde bei einer Gedenkfeier am Holocaust-Denkmal in Buk…
Berlin taz | Ein Bukarester Bezirksgericht hat am Donnerstag den
notorischen Holocaustleugner Vasile I. Zărnescu zu einer Gefängnisstrafe
von 13 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde jedoch zur Bewährung
ausgesetzt. Der Angeklagte muss die Gerichtskosten von 1.500 Lei (rund 300
Euro) tragen und kann innerhalb der nächsten 10 Tage Berufung gegen das
noch nicht rechtskräftige Urteil einlegen.
Damit wird zum ersten Mal seit der Revolution von vor 30 Jahren in Rumänien
ein seit Jahrzehnten bekannter Holocaustleugner verurteilt. Besonders
brisant ist der Fall, weil es sich um einen kürzlich pensionierten Obristen
des rumänischen Inlandsgeheimdienstes (SRI) handelt, gegen den es auch in
den vergangenen Jahren Strafanzeigen wegen antisemitischer und
holocaustleugnender Hetze gegeben hatte. Alle Verfahren verliefen im Sand.
Das nun abgeschlossene Strafverfahren geht auf eine Anzeige des Nationalen
Instituts für das Studium des Holocaust in Rumänien „[1][Elie Wiesel]“
zurück. Das Institut hatte Zărnescu bereits 2016 angezeigt. Die
Staatsanwaltschaft verzichtete jedoch auf eine Anklage mit der Begründung,
die angezeigten Vergehen seien kein Verstoß gegen die
Dringlichkeitsverordnung.
Diese 2002 von der rumänischen Regierung erlassene Verordnung stellt die
Leugnung des Holocaust, die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und
faschistische Volksverhetzung unter Strafe. Holocaustleugnung kann gemäß
der Verordnung mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet
werden.
## Systematisches Schweigen
[2][2015 wurde eine verschärfte Form der Verordnung als Gesetz
verabschiedet], in dem zusätzlich auch die Propaganda im Sinne der
rumänischen Faschistenbewegung, der so genannten Legion des Erzengels
Michael (auch noch als Eiserne Garde bekannt), unter Strafe gestellt wurde.
Obwohl in den drei Jahrzehnten nach dem Umbruch von 1989 ein wahrer Boom
holocaustleugnender Schriften zu verzeichnen war, Straßen nach
Kriegsverbrechern benannt wurden und rechtsradikale Parteien sich auf die
Traditionen der einheimischen Faschistenbewegung beriefen, hatte die Justiz
systematisch geschwiegen.
Auch im Falle Zărnescu. Dieser hatte 2015 unter der Schlagzeile „Die
Perfidie der Holocaustpropaganda“ nicht nur die „Auslöschung des Staates
Israel“ gefordert, sondern auch die „Ausrottung aller Juden“.
In seinem Buch „Der Holocaust ein teuflisches Trugbild“ konzentrierte sich
Zărnescu auf die Verharmlosung und Leugnung der antijüdischen Verbrechen
während der faschistischen Militärdiktatur des rumänischen
Hitlerverbündeten Ion Antonescu. In der Zeit von 1940 bis 1944 organisierte
das damalige Regime die Deportation rumänischer Juden und Roma in die
Todeslager von Transnistrien, einem Gebiet das heute zur Republik Moldau
gehört und an die Ukraine grenzt.
## Eigenes Vernichtungsprogramm
Eine internationale Kommission, die den rumänischen Holocaust untersucht
hatte, stellte in ihrem 2004 vorgelegten Abschlussbericht fest, dass die
Verantwortung für den Tod von über 300.000 Juden und 11.000 Roma
ausschließlich den rumänischen Behörden zuzuschreiben sei.
Bekanntlich hatte Antonescu keine Juden an die Nazis ausgeliefert, sondern
sein eigenes Vernichtungsprogramm durchgeführt. Außer Deutschland, heißt es
deshalb im zitierten Kommissionsbericht, sei nur noch Rumänien in einem
vergleichbaren Ausmaß in Massaker an Juden involviert gewesen.
Vasile Zărnescu leugnet in seinen Veröffentlichungen nicht nur die
Vernichtungspolitik Rumäniens, sondern auch die der Nazis. Zur
Untermauerung seiner pseudohistorischen Argumente übersetzte Zărnescu das
1976 erschienene Buch des amerikanischen Geschichtsrevisionisten Arthur
Butz, „The Hoax of the Twentieth Century“, dessen deutsche Fassung ein Jahr
später unter dem Titel „Der Jahrhundertbetrug“ herauskam.
Die von Zărnescu redigierte rumänische Variante enthält zahlreiche
Anmerkungen, in denen er sich voll und ganz mit den holocaustleugnenden
Ansichten von Butz identifiziert und diese stellenweise potenziert. Wenn er
von Juden spricht, benutzt Zărnescu in seinen Anmerkungen ausnahmslos den
herabsetzenden und beleidigenden Begriff „jidani“, statt der neutralen
rumänischen Bezeichnung „evreu“.
In einigen seiner Artikel, die er bis 2015 auch auf der inzwischen
eingestellten rechtsextremistischen Internetseite AlterMedia veröffentlicht
hatte, erklärt Zărnescu in Übereinstimmung mit anderen Holocaustleugnern,
dass der Tod von sechs Millionen Juden nichts anderes als eine
Propagandalüge sei, die auf eine Entschädigung von erfundenen Opfern
hinauslaufe.
4 Feb 2021
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Elie-Wiesel/!5318521
[2] /Vergangenheitsbewaeltigung-in-Rumaenien/!5218314
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Rumänien
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Holocaust
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