Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechtsextreme in Rumänien: Streit um „Holocaust“ als Schulfach
> Rumänien führt das Pflichtfach „Holocaust und Geschichte der Juden“ ein.
> Die rechtsradikale AUR-Partei hetzt dagegen und spricht von
> „Umerziehung“.
Bild: Ein Mitglied der Ehrengarde steht am Nationalen Gedenktag am Holocaustmah…
Berlin taz | In einem Schreiben an den rumänischen Unterrichtsminister hat
[1][die rechtsradikale Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen
(AUR)] den „Abbruch ideologischer Experimente mit Schulkindern“ gefordert.
Sie behauptete, das Studium des Holocaust sei ein „unwichtiges Thema“ im
Unterricht und nur eine „simple Lektion“. Schwerpunkte im Unterricht, heißt
es, sollten die exakten Wissenschaften, die nationale Geschichte sowie die
rumänische Sprache und Literatur sein.
Die Einführung des Pflichtfachs „Holocaust und Geschichte der Juden“ ab dem
kommenden Schuljahr sowie die Sexualaufklärung seien nichts anderes als
eine „systematische Aktion zur qualitativen Unterwanderung des
Unterrichts“. Das Unterrichtsministerium wird in dem Schreiben als ein
Ministerium der globalistischen Umerziehung bezeichnet, da es die
nationalen Werte und die Herkunft des rumänischen Volkes ignoriere.
Den Behauptungen der AUR-Partei widersprachen das Landesinstitut für das
Studium des Holocaust in Rumänien (Elie-Wiesel-Institut) und Alexandru
Muraru, Parlamentsabgeordneter der nationalliberalen Partei (PNL) und
Regierungsbeauftragter für die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus.
In einer am Montag veröffentlichten offiziellen Stellungnahme des
Elie-Wiesel-Instituts wurden die Behauptungen der AUR als
„Holocaustleugnung einer extremistischen Partei“ beschrieben. Die Aufnahme
Rumäniens in die NATO und die EU, heißt es weiter, war an die Bedingung
geknüpft, die offizielle Verantwortung für die antisemitischen Verbrechen
des Antonescu-Regimes anzuerkennen. „Holocaustleugnung“, schlussfolgerte
das Wiesel-Institut, „ist gleichzeitig ein klarer Beweis für die Ablehnung
der Demokratie seitens der AUR“.
Der faschistische Militärdiktator Ion Antonescu und Verbündete Hitlers
beteiligte sich am Feldzug gegen die Sowjetunion. Das Antonescu-Regime war
am Tod von über 300.000 rumänischen und ukrainischen Juden sowie von etwa
11.000 Roma verantwortlich. Diese wurden nach Transnistrien gebracht – ein
Gebiet zwischen der Ukraine und der Republik Moldau –, in rumänischen
Lagern interniert und nicht an die verbündeten Deutschen ausgeliefert.
## Strafanzeige gegen AUR-Chefs
Alexandru Muraru verurteilte in einem Interview mit dem Sender Radio France
Internationale (RFI) die Forderungen der AUR-Partei, den Holocaust aus dem
Lehrprogramm zu entfernen. Muraru meinte, die AUR habe damit „den
rechtlichen Rahmen, in dem die Partei funktioniert, weit überschritten“. Er
erinnerte daran, dass Holocaustleugnung in Rumänien eine Straftat sei.
Die im Parlament vertretene Partei bezeichnete Muraru als
verfassungsfeindlich und forderte deren Verbot. Gleichzeitig gab er
bekannt, dass er wegen Volksverhetzung und Verharmlosung des Holocaust
gegen die beiden Parteivorsitzenden, George Simion und Claudiu Târziu,
Strafanzeige gestellt habe.
In einer Talkshow des nationalistischen Skandalsenders România TV
widersprach AUR-Chef Simion den Ausführungen Murarus und erklärte, seine
Partei sei weder faschistisch noch legionaristisch, d.h. sie habe rein gar
nichts mit der rechtsextremen, in der Zwischenkriegszeit gegründeten Legion
des Erzengels Michael zu tun. In Wirklichkeit fürchteten sich die
etablierten Parteien vor der steigenden Popularität der AUR, meinte Simion.
Tatsächlich befindet sich die coronaskeptische und ultranationalistische
Partei im Aufwind. Laut Umfragen bekäme die AUR jetzt 17 Prozent der
Wählerstimmen. Die in die Regierungskoalition eingebundene
Sozialdemokratische Partei (PSD) rangiert mit 35 Prozent auf Platz eins,
gefolgt von der Nationalliberalen Partei (PNL) mit rund 22 Prozent.
## Straßenumbenennung sei „Kulturterrorismus“
Die rechtsextreme Gazette Incorect Politic widersprach der Stellungnahme
des Wiesel-Instituts und bezichtigte dessen Direktor, Alexandru Florian,
des „Kulturterrorismus“, weil dieser auch die Umbenennung von Straßen
gefordert hatte. Es handelt sich dabei um Straßennamen, durch die
faschistische Legionäre im postkommunistischen Rumänien öffentlich geehrt
wurden.
„Die Holocaustleugnung ist notwendig und völlig normal, wenn es sich dabei
um imaginäre und fiktive Anschuldigungen handelt“, heißt es in der
Publikation, die in den letzten Jahren zur radikalsten Stimme der
rumänischen Ultranationalisten und Antisemiten aufgestiegen ist.
„Der Holocaust als Lehrfach ist Spucke auf das Angesicht des Volkes und
eine Beleidigung der Opfer unserer Vorfahren. Alexandru Florian ist ein
Mistkerl, ebenso Muraru, Dreckskerle, die nichts im Garten der Muttergottes
zu suchen haben.“ Nationalistische Fundamentalisten bezeichnen Rumänien als
den Garten der Muttergottes.
Auf die Forderungen der AUR reagierte in Bukarest inzwischen auch der
Botschafter Israels, David Saranga. Er bezeichnete die Ausführungen der AUR
als „beleidigend“, da es sich um einen Versuch handele, den Genozid an den
Juden als ein „unwichtiges Thema“ darzustellen.
5 Jan 2022
## LINKS
[1] /Rechtsextremismus-in-Rumaenien/!5757456
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Rumänien
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Rechtsradikalismus
Holocaust
GNS
Rumänien
Rumänien
Rumänien
Ion Antonescu
Lesestück Recherche und Reportage
Rumänien
Rumänien
Holocaust
Rumänien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rechtsradikalismus in Rumänien: Fragwürdige Heilige
Rumäniens orthodoxe Kirche hat drei frühere rechtsradikale Geistliche in
den Stand der Heiligen versetzt. Sie hätten Wunder vollbracht.
Kulturhauptstadt Europas 2023: Ehrung für Faschisten
Im rumänischen Temeswar sind immer noch Straßen nach Rechtsradikalen und
Antisemiten benannt. Beschwerden darüber ignoriert die Stadt bisher.
Internationale Konferenz in Rumänien: Ultrarechte als Retter Europas
Die Delegierten rechter europäischer Parteien machen Stimmung gegen die
„Vereinigten Staaten von Europa“. Ihre Vorbilder sind Polen und Ungarn.
Antisemitismus in Rumänien: Die Polizei schaut zu
Anlässlich des Holocaust-Gedenktages leugnen drei Rechtsradikale auf
Kranzschleifen den Massenmord an den Juden – vor den Augen der Polizei.
Holocaust-Überlebende als Zeitzeugen: Die Erinnerung bewahren
Je weniger Zeugen leben, desto mehr rückt die zweite Generation in den
Fokus. Tswi Herschel, seine Tochter und die Enkelin zeigen auf die Zukunft.
Plagiatsvorwürfe in Rumänien: Ciucă hat abgekupfert
Plagiatsjägerin Emilia Şercan liefert neue Enthüllungen: Rumäniens Premier
soll mehrere Passagen seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben.
Gerichtsentscheidung in Rumänien: Wiedervorlage im Fall Iliescu
Gegen Rumäniens Ex-Präsidenten wird ein Strafverfahren neu aufgerollt. Es
geht um dessen Rolle bei gewalttätigen Zusammenstößen im Sommer 1990.
Ulrich Herbert über Holocaust-Forschung: „Quellenlage ist besser geworden“
16 Bände zählt die breiteste Sammlung zur Holocaust-Forschung. Historiker
Ulrich Herbert über den finalen Band – und warum er den Diskurs zur NS-Zeit
skeptisch sieht.
Antisemitismus in Rumänien: Blanker Hass
Die Intendantin des Jüdischen Theaters in Bukarest, Maia Morgenstern, wird
per Mail mit dem Tod bedroht. Angeblich ist der Absender identifiziert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.