# taz.de -- Gasverbrauch der Bierbranche: Zum Wohl, Klima | |
> Die Gaspreise machen der Bierbranche zu schaffen. Brauen ohne fossile | |
> Energie ist schwer. Ein Berliner versucht es trotzdem. | |
Bild: Energieintensive Produktion: Bierbrauerei | |
BERLIN taz | Gregor Schwadtke schaut in seinen leeren Sudkessel. Der Rührer | |
am Boden war lange kaputt, ein Jahr lang wartete der 41-jährige Brauer auf | |
die Lieferung des Ersatzteils. „Bis vor Kurzem musste ich das von Hand | |
machen“, erzählt er. Die Brauerei Georgsbräu ist ein kleiner Betrieb, zwei | |
Personen reichen aus, um hier Bier zu brauen. Er bekomme es sogar allein | |
hin, sagt Schwadtke, aber dann werde es stressig. Ein Gasbrenner, nicht | |
größer als ein mittelgroßer Kühlschrank, stellt die Energie zur Verfügung, | |
die den Sud aus Malz, Hopfen und Wasser erhitzt. | |
Damit macht Georgsbräu es so, wie es in der Branche üblich ist, erklärt | |
Thomas Becker, Professor für Brau- und Getränketechnologie an der | |
Technischen Universität München. „Ein großer Anteil der Brauereien | |
verwendet fossile Energien, um ihren Sud zu erhitzen“, erklärt er. „Der | |
gesamte Brauprozess ist geprägt davon, dass er sehr energieintensiv ist. Da | |
unterscheidet er sich nicht von den allermeisten technischen | |
Lebensmittelprozessen.“ | |
Der Energieträger Gas wird in der Malzherstellung – dem Trocknen oder | |
sogenannten Darren von Braugetreide – für das Erhitzen des Suds und in der | |
Flaschenherstellung eingesetzt. Weiteres CO2 entsteht bei den chemischen | |
Reaktionen während der Gärung: Wenn Zucker unter Einwirkung von Hefe zu | |
Ethanol wird, entsteht Kohlendioxid. Viel elektrische Energie wird für die | |
Kühlung und Lagerung gebraucht. | |
Eine Umrüstung auf mehr Energieeffizienz und weniger Gasverbrauch wäre für | |
die Kleinbrauerei Georgsbräu teuer. Derzeit plagen den Betrieb sowieso | |
andere Sorgen: Kaum waren die aufgrund der Corona-Pandemie ausbleibenden | |
Gäste im zugehörigen Gasthaus zurück, kamen Inflation, Lieferprobleme und | |
steigende Gaspreise. | |
## Wöchentliche Preiserhöhungen | |
„Wir bekommen im Moment wöchentlich Preiserhöhungen“, so die 51-jährige | |
Annett Greiner-Bäuerle, die den Betrieb leitet. „Wir könnten in der | |
Brauerei nicht arbeiten, wenn uns das Gas ausfallen würde“, sagt sie. Nicht | |
nur das Gas, auch die elektrische Energie werde teurer. Und der Preis für | |
das Malz, das für das Brauen benötigt wird, sei um 15 Prozent gestiegen. | |
Brauexperte Becker zufolge können manche Mälzereien nicht liefern, „weil | |
sie so enorm hohe Energiekosten haben, dass sie nur noch völlig | |
unwirtschaftlich produzieren können“. | |
Ohnehin ist die Lage der Branche aufgrund der Coronakrise schwierig. Der | |
Bierabsatz erholt sich nur langsam. Er stieg [1][laut Statistischem | |
Bundesamt] im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar | |
um 3,8 Prozent, lag aber immer noch 5,5 Prozent unter dem Niveau vor der | |
Pandemie. „Nach der Absatzkrise kämpfen unsere Brauereien jetzt gegen eine | |
Energiekrise, deren Dimensionen sich nur erahnen lassen“, sagt Holger | |
Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. | |
Die Gasabhängigkeit der Branche macht nicht nur das Brauen teurer, sie | |
schadet dem Klima: Ein halber Liter Bier in einer Glasflasche verursacht | |
laut einer [2][Berechnung des Instituts für Energie- und Umweltforschung | |
Heidelberg] im Schnitt ungefähr 0,9 Kilogramm CO2-Äquivalente – | |
Ressourcenanbau, Brauen, Flaschenherstellung, Abfüllung, Transport und | |
Anfahrt zum Supermarkt eingerechnet. | |
Der Ausstoß ist im Vergleich zu anderen Lebensmitteln zwar relativ gering: | |
500 Gramm Rindfleisch stoßen in einer Berechnung zum Beispiel im Schnitt | |
6,8 Kilogramm CO2-Äquivalente aus. Bei einem Bierkonsum in Deutschland von | |
8,5 Milliarden Litern pro Jahr gibt es aber durchaus Einsparpotenziale. | |
## Klimaneutrales Brauen in Schiffscontainern | |
In einem Hof hinter Backsteinmauern in einem Industriegebiet im Berliner | |
Bezirk Reinickendorf will Michael Schwab in vier ausrangierten | |
Schiffscontainern zumindest das Bierbrauen klimaneutral hinbekommen. „Jeder | |
Container ist eine Funktionseinheit“, erklärt er die Idee. Wenn alles | |
fertig ist, soll in jeweils einem Container das flüssige Gold gekocht, | |
gegärt, gelagert und abgefüllt werden. „Die Container kann man stapeln, | |
transportieren, sie haben eine stabile Hülle und kosten nicht viel“, | |
erklärt Schwab die Vorteile. | |
Auf den Dächern sollen Photovoltaikanlagen installiert werden, um die | |
benötigte Energie zu produzieren. „Das Innovative daran ist, dass das alles | |
mit bestehenden Mitteln funktioniert“, sagt er. Die Braugeräte kaufte er | |
gebraucht. So will er ab Ende 2022 seinen Vorstellungen nach klimaneutrales | |
Bier brauen. Damit möchte Schwab auch andere dazu inspirieren, | |
klimaschonender zu brauen. „Wir möchten dann einen Showroom haben“, sagt | |
er. „Saufen für den Klimaschutz“ nennt er das mit einem Augenzwinkern. | |
Schwab kann sich vorstellen, weitere Schritte in Produktion und Lieferkette | |
nachhaltiger zu gestalten, sobald seine Brauerei funktionstüchtig ist. Er | |
hat viele Ideen: Das Elektroauto, mit dem er sein Bier ausliefert, soll mit | |
überschüssigem Strom der Photovoltaikanlagen auf dem Dach der | |
Containerbrauerei betankt werden. | |
Doch den gesamten Herstellungs- und Lieferprozess wird Schwab noch nicht | |
klimaneutral hinbekommen. Anbau und Transport der Rohstoffe, Trocknen des | |
Malzes, Herstellung von Flaschen, Kronkorken und Etiketten und einen | |
Großteil der Abfüllung gibt er an andere Unternehmen ab. Schließlich | |
besteht das Brauunternehmen nur aus ihm und seiner Frau, einer | |
Betriebswirtin. „Ich muss aufpassen, mich nicht zu verzetteln“, sagt er. | |
## Denkt die Branche um? | |
Dazu kommt: Schwabs Brauerei ist sehr klein. Zum Vergleich: Während er | |
plant, 100.000 Liter pro Jahr zu brauen, produzierte die Biermarke | |
Krombacher in ihrer Brauerei 2021 rund 559 Millionen Liter Bier. | |
Experte Becker glaubt nicht, dass sich die Branche in absehbarer Zeit | |
umstellen wird. „Es ist bisher nicht sichtbar, dass große | |
Industriebrauereien ihre Anlagen strombasiert betreiben“, sagt er. „Wenn | |
sie auf fossile Energieträger verzichten wollen, sind die klassischen | |
Prozess- und Produktionsregimes zu überdenken.“ Er sieht große Potenziale | |
in grünem Wasserstoff für eine klimafreundliche Bierproduktion. Dabei gilt | |
wie überall: [3][Ohne genug erneuerbare Energien gibt es nicht genügend | |
grünen Wasserstoff.] | |
3 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_324_799.h… | |
[2] https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/Reinhardt-Gaertner-Wagner-2020-Oekolo… | |
[3] /Physiker-ueber-Heizen-mit-Wasserstoff/!5868793 | |
## AUTOREN | |
Michael Schlegel | |
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