| # taz.de -- FAQ zum Parteiverbotsantrag: Ein AfD-Verbotsantrag? So könnte es a… | |
| > Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter will, dass das | |
| > Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der AfD prüft. Das | |
| > gibt es zu wissen. | |
| Bild: Die AFD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla nach den Landtagswah… | |
| ## Warum wollen einige Abgeordnete [1][die AfD verbieten lassen]? | |
| Weil sie die AfD für eine ernsthafte Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat | |
| halten. Sie sind der Ansicht, dass die Indizien für eine | |
| Verfassungswidrigkeit der Partei so groß sind, dass das | |
| Bundesverfassungsgericht diese prüfen sollte. Die AfD wende sich „gegen | |
| zentrale Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung“, | |
| heißt es etwa zur Begründung in ihrem Antrag, den sie diese Woche | |
| vorgestellt haben. Die Partei stelle die Menschenwürde aller „unverhohlen“ | |
| infrage und vertrete ein völkisches Gesellschaftsbild, das Migrant*innen | |
| nicht als vollwertige Deutsche sehe. Zudem beschäftige die AfD im Bundestag | |
| mehr als 100 rechtsextreme Mitarbeiter*innen, bagatellisiere NS-Verbrechen | |
| und sei der verlängerte Arm autoritärer Regime. | |
| Initiator ist Marco Wanderwitz (CDU), der frühere Ostbeauftragte der | |
| Bundesregierung. Unterstützt wird er bislang von Abgeordneten von SPD, | |
| Grünen, Linken, CDU und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Der | |
| Bundestag ist eines der drei Verfassungsorgane, die einen Verbotsantrag | |
| stellen können – neben Bundesrat und Bundesregierung. Letztere lehnt ein | |
| AfD-Verbotsverfahren bislang ab, im Bundesrat fordert einzig das | |
| rot-grün-rote Bremen, dass der Verfassungsschutz eine Materialsammlung als | |
| Grundlage für ein Verbot vorlegen soll. | |
| ## Wie geht es nun weiter? | |
| Die Verbotsverfechter*innen wollen im Bundestag weitere | |
| Unterschriften sammeln – und ihren Antrag dann voraussichtlich im November | |
| im Bundestag einbringen. Anschließend gäbe es eine Plenardebatte, der | |
| Antrag würde in den Ausschüssen und einer Sachverständigenanhörung beraten. | |
| Für die spätere Abstimmung bräuchte es eine einfache Mehrheit der 736 | |
| Bundestagsabgeordneten, damit der Antrag dem Bundesverfassungsgericht | |
| vorgelegt wird. | |
| ## Ist diese Mehrheit absehbar? | |
| Bisher noch nicht. Die FDP-Fraktion und die BSW-Gruppe lehnen den Antrag | |
| weitgehend ab. In der Unionsfraktion unterstützen bislang nach eigener | |
| Auskunft nur 7 der 196 Abgeordneten das Vorhaben. Grüne, SPD und Linke | |
| sollen weitere gut 40 Erstunterstützer stellen – nötig für die Einbringung | |
| ins Parlament sind 37. Die Antragsteller*innen rechnen damit, dass bei | |
| einer tatsächlichen Abstimmung zahlreiche weitere Abgeordnete für ein | |
| Verbot votieren. Und dass es viele Enthaltungen geben wird, die eine | |
| Mehrheit erleichtern würden. | |
| ## Wie steht es bislang um Parteienverbote? | |
| Das Verbot einer verfassungswidrigen Partei ist nach Artikel 21 des | |
| Grundgesetzes ausdrücklich möglich, es gibt aber hohe Hürden dafür. Das | |
| Bundesverfassungsgericht selbst hat die Möglichkeit eines Verbots als | |
| „schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen | |
| Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde“ bezeichnet. Seit Gründung | |
| der Bundesrepublik wurden zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische | |
| Reichspartei (SRP), ein Sammelbecken alter Nazis, und 1956 die | |
| Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). | |
| Ein Verbot der rechtsextremen NPD, die inzwischen „Die Heimat“ heißt, hat | |
| das Bundesverfassungsgericht dagegen zwei Mal abgelehnt. Zunächst weil | |
| V-Leute, also Informanten des Verfassungsschutzes, in der Partei | |
| einflussreiche Posten innehatten. 2017, beim Urteil im zweiten Verfahren, | |
| bescheinigte Karlsruhe der NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, hielt sie | |
| aber [2][für zu unbedeutend], um die Demokratie zu gefährden. | |
| ## Angenommen, der Antrag ist im Bundestag erfolgreich, wie geht es dann | |
| weiter? | |
| Dann würde der Bundestag eine Materialsammlung über die AfD zusammentragen | |
| lassen, maßgeblich aus Verfassungsschutzbelegen und Gerichtsurteilen. | |
| Zugleich würde das Parlament eine Zusicherung einfordern, dass mögliche | |
| V-Leute in der Partei abgeschaltet werden. Erst dann würde beim | |
| Bundesverfassungsgericht offiziell die Prüfung beantragt, ob die AfD | |
| verfassungswidrige Ziele verfolgt. Wie lange solch ein Verfahren dauern | |
| würde, ist unklar. Es könnte aber schneller gehen als beim | |
| NPD-Verbotsverfahren, das vier Jahre dauerte. | |
| ## Wie sind die Erfolgsaussichten vor dem Bundesverfassungsgericht? | |
| Da gehen die juristischen Einschätzungen auseinander. Beim NPD-Verbot | |
| prüfte das Bundesverfassungsgericht Verstöße gegen die Menschenwürde und | |
| ein Agieren gegen das Demokratieprinzip, etwa indem deutschen | |
| Migrant*innen Rechte vorenthalten oder entzogen werden sollen. [3][Das | |
| Oberverwaltungsgericht Münster entschied im Frühjahr], dass die Einstufung | |
| der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall rechtens ist und sah bei der AfD | |
| ebenso „Anhaltspunkte“ auf Verstöße gegen die Menschenwürde. Anders als … | |
| der NPD finden sich im AfD-Programm allerdings keine klar | |
| verfassungsfeindlichen Inhalte. Das Gericht müsste also anhand von Aussagen | |
| der AfD-Funktionäre nachweisen, dass sich hier der wahre, | |
| verfassungsfeindliche Charakter der Partei zeigt. | |
| Zu belegen wäre auch, dass die AfD „kämpferisch“ gegen die Demokratie | |
| agiert. Die Blockaden bei der Konstituierung des Thüringer Landtags waren | |
| hier ein Hinweis – aber es bräuchte etliche weitere. Und nur drei | |
| AfD-Landesverbände sind bisher vom Verfassungsschutz als gesichert | |
| rechtsextrem eingestuft: in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das | |
| Bundesamt will bis Jahresende entscheiden, ob es die Gesamtpartei als | |
| Verdachtsfall fortführt – oder als „gesichert rechtsextrem“ hochstuft. | |
| Letzteres würde das Verbotsvorhaben deutlich beflügeln. | |
| Am Ende bräuchte es vor dem Bundesverfassungsgericht eine | |
| Zweidrittelmehrheit, es müssten also sechs von acht Richter*innen einem | |
| Parteiverbot zustimmen. Ist die Beweislage zu wackelig, dürfte das Gericht | |
| im Zweifel für die Parteienfreiheit und die AfD entscheiden. | |
| ## Ist die AfD inzwischen nicht zu groß und einflussreich, um sie zu | |
| verbieten? | |
| Dieses Argument wird oft gegen ein Verbotsverfahren angeführt, trägt | |
| juristisch aber nicht. Im Gegenteil: Das | |
| Bundesverfassungsverfassungsgericht hat die Ablehnung eines Verbots der NPD | |
| damit begründet, dass die Partei zu unbedeutend ist, um ihre | |
| verfassungswidrigen Vorhaben in die Tat umzusetzen. An der nötigen Relevanz | |
| der AfD dagegen zweifelt keiner. Die Partei sitzt im Bundestag und in 14 | |
| von 16 Landesparlamenten. In Thüringen ist sie gerade stärkste Kraft | |
| geworden, in den anderen vier ostdeutschen Landtagen stellt sie die | |
| zweitstärkste Fraktion. Auch in Hessen, Bayern und Niedersachsen sowie bei | |
| der Bundestagswahl hat sie zweistellige Ergebnisse erzielt. | |
| Wie bereitet sich die AfD auf ein drohendes Parteiverbotsverfahren vor? | |
| Der [4][Umgang der AfD mit dem möglichen Verbotsverfahren] oszilliert | |
| zwischen wütender Empörung, der lang eingeübten Opferinszenierung und | |
| aufgesetzter Harm- und Sorglosigkeit. Einerseits würde die Partei ein | |
| Verbotsverfahren gnadenlos ausschlachten für ihre autoritäre Erzählung. | |
| Andererseits: Gibt es kein Verfahren, wird sie betonen, eine normale | |
| demokratische Partei zu sein, weil sie ja schließlich nicht verboten sei. | |
| Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster hat die AfD versucht, zahlreiche | |
| menschenrechtswidrige, islamfeindliche und antidemokratische Äußerungen als | |
| Einzelaussagen und dahergeredetes „Blech“ einzelner Mitglieder wegzuwischen | |
| – allerdings ohne Erfolg. | |
| ## Was passiert, wenn ein Verbotsverfahren erfolgreich ist? | |
| Würde die AfD als Gesamtpartei verboten, würde sie aufgelöst, das | |
| Parteivermögen vom Staat eingezogen, alle AfD-Abgeordneten verlören ihre | |
| Mandate – von der Gemeindevertretung bis zum Bundestag. Und es wäre | |
| untersagt, eine Nachfolgeorganisation zu gründen. | |
| ## Und wenn nicht? | |
| Es könnte auch sein, dass das Bundesverfassungsgericht nur Teile der Partei | |
| verbietet, einzelne Landesverbände zum Beispiel oder die Jugendorganisation | |
| Junge Alternative. Oder dass die AfD – für zunächst sechs Jahre – von der | |
| staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird. Würde das | |
| Parteiverbot in Gänze abgelehnt, könnte die AfD so weitermachen wie bisher. | |
| 18 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
| Konrad Litschko | |
| Gareth Joswig | |
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