| # taz.de -- Evakuierungen aus Afghanistan: Propaganda und Panik | |
| > Die Taliban behaupten, auch nach dem Ende der Evakuierungen dürfe man | |
| > Afghanistan verlassen. Doch die Realität sieht schon jetzt anders aus. | |
| Bild: Die Taliban wollen nur noch Ausländer zum Flughafen Kabul durchlassen | |
| Berlin taz/dpa/rtr | Auch künftig werden Afghanen noch problemlos und in | |
| Ruhe das Land auf legalem Weg verlassen können. Dies versprach der älteste | |
| Sohn von Taliban-Gründer Mullah Omar und heutige Taliban-Vizechef Mullah | |
| Jakub laut Nachrichtenagentur dpa am Dienstagabend in einem auf offiziellen | |
| Taliban-Kanälen verbreiteten Audio-Interview. Wenn sie für Jobs ins Ausland | |
| gehen oder ihr Leben verbessern wollten, könnten sie später Pässe | |
| beantragen, Visa bekommen und über legale Wege das Land verlassen, sagt er | |
| demnach. | |
| Die Äußerungen passen zu den ungewohnt freundlichen und deshalb für viele | |
| völlig unglaubwürdigen Statements der Taliban seit ihrer Machtübernahme am | |
| 15. August. Darin stellen sie sich als geläutert, gemäßigt und human dar. | |
| Vor ihnen zu fliehen sei völlig unnötig, so der Tenor. | |
| Auch Jakub äußerte sich in diese Richtung. In Wirklichkeit wolle der | |
| absolute Großteil der Menschen am Flughafen nur „für ihre Fantasien“ das | |
| Land verlassen. Die Menschen seien nicht dort, um vor der | |
| Taliban-Herrschaft zu fliehen. Schon seit Tagen machen die Taliban die | |
| Länder, die Ortskräfte ausfliegen, für das Chaos am Flughafen | |
| verantwortlich. | |
| Um zu unterstreichen, dass eine Flucht völlig unnötig sei, verwies der vor | |
| allem als militärischer Führer bekannte Jakub auf hochrangige Vertreter des | |
| bisherigen Regimes. Die lebten jetzt unbehelligt weiter in Afghanistan. Es | |
| gelte eine Amnestie für alle. Doch im Gegensatz zu Jakubs Äußerungen stehen | |
| glaubwürdige Berichte aus den vergangenen Tagen über Racheaktionen an | |
| ehemaligen Sicherheitskräften sowie über Berufsverbote für [1][prominente | |
| Frauen], etwa für Fernsehmoderatorinnen. | |
| ## Die Lage am Flughafen verschärft sich weiter | |
| Der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid hatte am Montag westlichen | |
| Staaten vorgeworfen, Afghanen zur Flucht zu ermutigen. Offenbar ist den | |
| Islamisten bewusst, dass es mit dem fortgesetzten „Brain Drain“ von | |
| Fachkräften schwieriger wird, das Land künftig zu regieren. Ärzte und | |
| Ingenieure sollten „nicht in andere Länder gebracht werden“, forderte | |
| Mudschahid. Die Äußerungen passen zu Berichten, dass die Taliban nur noch | |
| Ausländer zum Flughafen durchlassen wollen. | |
| Dort läuft die Zeit für die Evakuierungsflüge bald ab. Wenn die letzten | |
| US-Truppen den Flughafen dort, wie von US-Präsident Joe Biden angekündigt | |
| und wie von den Taliban gefordert, am nächsten Dienstag verlassen sollen, | |
| werden die Soldaten anderer Nationen wie etwa die deutsche Bundeswehr schon | |
| einige Tage früher abziehen müssen. All dies dürfte den Andrang und die | |
| Sorgen der bisher noch nicht Evakuierten erhöhen und könnten auf den | |
| letzten Drücker zu panischen Reaktionen führen. | |
| „Jetzt beginnen für uns die anspruchsvollsten und auch die gefährlichsten | |
| Stunden“, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums laut | |
| Reuters. Die Sicherheitslage am Flughafen verschärfe sich immer weiter. | |
| Am Mittwoch wollte das Bundesverteidigungsministerium entsprechende | |
| Informationen über ein Ende der deutschen Evakuierungsflüge nicht | |
| bestätigen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) hielten sich in Kabul | |
| am Mittwoch noch mehr als 200 deutsche Staatsbürger auf. Viele hätten sich | |
| erst jetzt gemeldet. Am Dienstag hatte Außenminister Heiko Maas noch von | |
| 100 Deutschen und ihren Familien gesprochen. | |
| ## Verhandlungen mit den Taliban | |
| Laut dpa geht das AA davon aus, dass sich in Kabul insgesamt noch eine | |
| „hohe vierstellige oder niedrige fünfstellige Zahl“ schutzbedürftiger | |
| Menschen befindet, die grundsätzlich für eine Evakuierung in Frage kämen. | |
| Mit anderen Worten: [2][Nicht alle werden evakuiert] werden können. Bis | |
| Mittwochnachmittag hatte die Bundeswehr 4.850 Personen ausgeflogen. | |
| Die Bundesregierung [3][spricht nach eigenen Angaben weiter mit Vertretern | |
| der Taliban], um auch nach dem Monatsende Menschen außer Landes bringen zu | |
| können. Das Ende der Luftbrücke sei nicht gleichbedeutend mit einem Ende | |
| dieser Bemühungen, sagte ein AA-Sprecher beschwichtigend. Möglich sei eine | |
| Evakuierung mit zivilen Flügen oder ein Transport auf dem Landweg in die | |
| Nachbarländer. Gegenwärtig ist der Zivilluftverkehr allerdings | |
| eingestellt. Die Taliban dürften dann für eine Kooperation einen | |
| finanziellen oder diplomatischen Preis verlangen. | |
| Laut UN-Kinderhilfswerk Unicef gingen in der Woche nach der Machtübernahme | |
| der Taliban die Zahl der Corona-Impfungen um 80 Prozent zurück. Rund die | |
| Hälfte der wenigen überhaupt in das Land gelieferten Impfdosen erreichten | |
| in Kürze ihr Verfallsdatum. | |
| 25 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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