Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sondersitzung der EU-Innenminister: Europa mauert
> Die EU-Innenminister haben sich darauf geeinigt, europäische Außengrenzen
> für Flüchtlinge abzuriegeln. Autokratische Anrainer dürfen sich auf
> Gelder freuen.
Bild: Seehofer ist bereit, Iran und Pakistan für die Aufnahme von afghanischen…
Es ist eine typische [1][Geisterdebatte], die die Innenminister der
Europäischen Union führen. Kaum, dass die EU-Staaten und die USA aus
Afghanistan abgezogen sind, diskutieren Horst Seehofer und seine Kollegen
über den Schutz der europäischen Außengrenzen und die Abwehr „illegaler“
Migration. „[2][2015 darf sich nicht wiederholen]“, ist das unverhohlene
Motto der Minister.
Dabei tun sie so, als stünden – wie vor sechs Jahren – eine Million
Menschen in den Startlöchern, um nach Europa auszurücken. Doch dem ist
nicht so. Selbst das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rechnet maximal mit
[3][500.000 Afghanen], die der Willkürherrschaft der Taliban entkommen
wollen. Der größte Teil dürfte in Nachbarländern wie Pakistan Zuflucht
suchen, Europa ist zu weit weg.
Mit der außenpolitischen Realität hat diese Geisterdebatte also wenig zu
tun, umso mehr mit Innenpolitik. Der rechtslastige EU-Vorsitz aus
Slowenien, die erzkonservative Regierung in Österreich und der
CSU-Innenminister aus Deutschland wollen sich keine Blöße geben. Deshalb
reden sie (fast) wie [4][Viktor Orban] oder Marine Le Pen, so beklagt
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ganz zu Recht.
Allerdings sollten wir uns nichts vormachen: Dass sich „2015“ nicht
wiederholen dürfe, ist in der EU keine Außenseitermeinung, sondern Konsens.
Die entscheidende Frage ist nun, welche Konsequenzen die EU aus dieser
Maxime zieht. Und hier fällt die Antwort bitter aus – bisher ist kaum etwas
geschehen. Man müsse Fluchtursachen bekämpfen, hieß es nach 2015. Doch nun
haben die USA und ihre europäischen Alliierten selbst eine riesige
Fluchtursache geschaffen – durch den überstürzten Abzug.
Man müsse legale Fluchtwege schaffen, lautete eine weitere Einsicht. Doch
die Innenminister konnten sich nicht einmal darauf einigen, ein Kontingent
für besonders Hilfsbedürftige anzubieten. Unerledigt blieb auch die
Aufgabe, für eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU
zu sorgen. Weil es bis heute keine fairen Regeln gibt und jeder fürchtet,
im Zweifel allein im Regen zu stehen, zieht man es vor, die Schotten dicht
zu machen, als sich solidarisch zu zeigen.
Allenfalls wollen die EU-Staaten den Nachbarn Afghanistans helfen, die
erwarteten Lasten zu stemmen. Die Türkei, Pakistan und [5][andere
autokratisch regierte Anrainer] dürfen sich jetzt auf einen Geldsegen aus
Europa freuen – weil die EU ihre eigenen Hausaufgaben nicht erledigt hat.
Und weil sie es nicht wagt, den Hauptverantwortlichen – die USA – zur
Rechenschaft zu ziehen. Die Amerikaner waren es schließlich, die den
überstürzten Abzug angeordnet haben – gegen den Willen der Europäer.
Bleibt zu hoffen, dass es die Außenminister besser wissen als Seehofer &
Co. Sie treffen sich am Donnerstag in Slowenien und können dann endlich
über die wahren Probleme in Afghanistan reden. Die unverantwortliche
Politik der USA, die blinde Gefolgschaft der Nato, der verlorene Kampf
gegen den Terror: All das ist eine Debatte wert. Die Flüchtlinge sind es –
jedenfalls bisher – nicht.
1 Sep 2021
## LINKS
[1] /EU-Innenminister-zu-Afghanistan/!5797658
[2] /Laschets-Afghanistan-Aeusserung/!5789611
[3] https://www.reuters.com/world/asia-pacific/half-million-afghans-could-flee-…
[4] /Gefluechtete-in-Ungarn/!5687377
[5] /Menschenrechte-im-Iran/!5791117
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Taliban
Europäische Union
Innenminister
Horst Seehofer
GNS
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Afghanistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU und die Taliban: Beschränkte Zusammenarbeit
Brüssel formuliert Bedingungen, wie die Beziehungen zu den Taliban aussehen
sollen. Weiter offen ist die Aufnahme von fluchtwilligen Afghanen.
EU-Innenminister zu Afghanistan: Europäische „Stabilität“
Die EU kann sich auf ein Kontingent von Flüchtlingen nicht einigen.
Zwischen dem slowenischen Ratsvorsitz und einigen EU-Staaten entbrennt ein
Streit.
Podcast „Weißabgleich“: Von wegen „westliche Werte“
Die Luftbrücke nach Kabul ist beendet, zurück bleiben tausende
Afghan*innen. Wer das von hier beobachtet, kann nur verzweifeln.
Evakuierungen aus Afghanistan: Propaganda und Panik
Die Taliban behaupten, auch nach dem Ende der Evakuierungen dürfe man
Afghanistan verlassen. Doch die Realität sieht schon jetzt anders aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.