| # taz.de -- Menschenrechte im Iran: Ein mörderisches Regime | |
| > Geht es um die Aufnahme von Afghanen, ist oft vom Iran die Rede. Dabei | |
| > darf bei Gesprächen mit Teheran die Folter von Regimekritiker:innen | |
| > dort nicht vergessen werden. | |
| Bild: Mauer in der Provinz Van an der türkisch-iranischen Grenze | |
| Wer dieser Tage mit Menschen in Iran redet, hört Sorge in ihren Stimmen. | |
| Nicht nur wegen des Umbruchs in Afghanistan. Sondern auch, weil viele | |
| Menschen fürchten, dass westliche Staaten nun noch weniger bereit sein | |
| werden, der Menschenrechtslage im Land Beachtung zu schenken. | |
| Iran ist eines der zurzeit häufig erwähnten [1][Nachbarländer für die | |
| Aufnahme von afghanischen Geflüchteten] in der Region. In der Islamischen | |
| Republik leben 2 Millionen afghanische Geflüchtete, 1,2 Millionen von ihnen | |
| illegal. Die Bundesregierung glaubt, für die Aufnahme afghanischer | |
| Geflüchteter auf die Gunst der iranischen Regierung angewiesen zu sein – | |
| und wird ihre bisher schon sehr verhaltene Kritik an Teheran wohl noch | |
| weiter zurückschrauben. | |
| Anlass zu Kritik an der iranischen Führung, die ihre Interessen sowohl | |
| innen- als auch außenpolitisch mit zunehmender Brutalität durchsetzt, gäbe | |
| es reichlich. Ein Beispiel sind die Proteste, die es in Iran aufgrund der | |
| staatlichen Unterdrückung immer wieder gibt. Die letzten im Juli in | |
| [2][Khuzestan], wo mindestens neun Menschen getötet wurden. | |
| Die größten Proteste seit der Errichtung der Islamischen Republik im Jahr | |
| 1979 liegen zwei Jahre zurück, als Demonstrationen vom staatlichen | |
| Sicherheitsapparat brutal niedergeschlagen wurden. Mehr als [3][1.500 | |
| Menschen], darunter Minderjährige, wurden laut Reuters getötet. Von der | |
| Bundesregierung war damals so wenig zu hören wie heute. Das Auswärtige Amt | |
| zeigte sich angesichts der vielen Toten bei den Protesten 2019 auf Twitter | |
| „entsetzt“. | |
| Man fordere die Sicherheitskräfte zu „größtmöglicher“ Zurückhaltung au… | |
| Was „größtmöglich“ im Zusammenhang mit Hunderten von Getöteten bedeuten | |
| sollte, bleibt offen. Die Bundesregierung hält sich mit Kritik zurück. | |
| Selbst bei den massenhaften Hinrichtungen: Iran ist das Land mit der | |
| zweithöchsten Anzahl an Hinrichtungen weltweit. Betroffen sind auch | |
| Minderjährige. | |
| In einer [4][Kleinen Anfrage der Grünen] antwortete die Bundesregierung im | |
| vergangenen Jahr, dass man keinen formellen Menschenrechtsdialog mit Iran | |
| führen könne, aber man spreche zu „Einzelfällen von | |
| Menschenrechtsverletzungen“ schon mal mit dem „Vorsitzenden des iranischen | |
| Menschenrechtsrats“. Das ist fast schon Comedy. Ein Menschenrechtsrat der | |
| iranischen Führung ist nicht minder lachhaft, als es ein Menschenrechtsrat | |
| der Taliban wäre. | |
| Selbst wenn es um die eigenen Staatsbürger:innen geht, werden weder das | |
| Auswärtige Amt noch das Kanzleramt auffällig aktiv. Mindestens vier | |
| Deutsche sitzen derzeit aus politischen Gründen in Iran in Haft. Eine von | |
| ihnen ist Nahid Taghavi. Die 67-jährige Kölnerin sitzt seit Oktober 2020 im | |
| Gefängnis. Aus dem Auswärtigen Amt hörte man im letzten Jahr immer dieselbe | |
| Losung: Man „bemühe“ sich um konsularischen Zugang. | |
| Mitte August wurde die Deutsch-Iranerin zu knapp elf Jahren Haft verurteilt | |
| – ohne je konsularischen Beistand oder freien Zugang zu einem Anwalt | |
| erhalten zu haben. Man möchte meinen, dass die Bundesregierung eine so | |
| offene Verletzung rechtsstaatlicher Regeln bei der iranischen Regierung | |
| ansprechen würde. [5][Als Angela Merkel aber im Februar mit dem damaligen | |
| Staatspräsidenten Hassan Rohani telefonierte], ging es laut | |
| Regierungssprecher Steffen Seibert nur um das Nuklearabkommen, um | |
| „regionale Themen“ und um die Coronapandemie. | |
| Die Beziehungen zwischen Deutschland und Iran sind traditionell eng. In den | |
| neunziger Jahren fühlte sich die Islamische Republik in Deutschland so | |
| sicher, dass sie ihre Botschaft in Bonn zu einer Art Geheimdienstzentrale | |
| ausbaute, über die sie Exil-Iraner:innen ausspähte. 1992 ließ die iranische | |
| Führung vier Oppositionelle im Berliner Restaurant „Mykonos“ regelrecht | |
| hinrichten. Trotz allem war Deutschland lange einer der größten | |
| Handelspartner der Islamischen Republik. | |
| Die Hoffnung, die Wirtschaftsbeziehungen zu Iran irgendwann wieder aufleben | |
| zu lassen, besteht noch immer: Iran gehört zu den Ländern mit den weltweit | |
| größten Öl- und Gasvorkommen. Sollten die Wirtschaftssanktionen einmal | |
| gelockert werden, könnten Geschäfte mit den iranischen Machthabern lohnende | |
| Profite einspielen. | |
| Die Bundesregierung gibt sich gegenüber Iran also weiterhin konziliant. Sie | |
| verweist außerdem darauf, dass die Kooperation mit Iran zwingend ist, um | |
| das Land wieder in das Atomabkommen einzubinden. Und jetzt setzt man auch | |
| bei der Frage afghanischer Geflüchteter auf die islamische Führung. Auf | |
| eine Führung mit dem neuen [6][Präsidenten Ebrahim Raisi] – ein Mann, der | |
| in den 1980er Jahren 5.000 iranische Oppositionelle foltern und hinrichten | |
| ließ, und damit vor den Internationalen Strafgerichtshof gehörte. | |
| Trotzdem muss man mit einer Regierung wie der iranischen verhandeln. | |
| Genauso wie man mit den Taliban in Afghanistan verhandeln muss. Ist es | |
| naiv, dabei auf die Einhaltung von Menschenrechten zu bestehen? Nein. Das | |
| heißt nicht, dass die andere Seite dem folgt, was man fordert. Aber es ist | |
| mindestens ein Signal an die Bevölkerung: Es stärkt sie, es stärkt die | |
| Opposition, vielleicht stärkt es auch den Widerstand. Die Menschen in Iran | |
| fühlen sich von westlichen Staaten im Stich gelassen. | |
| Sie haben keine Chance, gegen eine Regierung anzukommen, die nicht nur | |
| ungestraft, sondern auch ungestört ihre brutale Politik fortsetzen kann. | |
| Jede nicht ausgesprochene Kritik ist ein Signal an die Regierenden: Macht | |
| weiter wie bisher. Die „Realpolitik“, die in der Außenpolitik so | |
| hochgehalten wird, ist die eigentlich naive Politik. Sie mag für einige | |
| Zeit Stabilität bringen, genauer: vorgaukeln. | |
| Aber am Ende stärkt sie immer die, die morden, foltern und unterdrücken. | |
| Die einzig nachhaltige Außenpolitik ist hingegen eine Politik, die sich an | |
| Menschenrechten ausrichtet. Alles andere ist naiv. | |
| 24 Aug 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/iran | |
| [2] https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2021/07/zu-den-protesten-k… | |
| [3] https://www.dw.com/de/bericht-iran-geht-von-1500-toten-bei-unruhen-aus/a-51… | |
| [4] https://dserver.bundestag.de/btd/19/196/1919652.pdf | |
| [5] https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/telefonat-von-bundeskanzle… | |
| [6] /Irans-kuenftiger-Praesident-Ebrahim-Raisi/!5779931 | |
| ## AUTOREN | |
| Gilda Sahebi | |
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