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# taz.de -- „Westliche Werte“ und Afghanistan: Das Gerede von „Die sind e…
> Nach dem Totalversagen der Interventionen sollen nun die Menschen in
> Afghanistan selbst am Sieg der Taliban schuld sein. Das macht wütend.
Bild: 20. August, Flughafen Kabul: Warten auf den rettenden Flug
Seit zwei Wochen verfolge ich die Ereignisse in Afghanistan und fühle mich
wie viele andere hilflos, wenn ich die Bilder der Menschen sehe, die um ihr
Leben fürchten und kämpfen. Ich bin aber auch wütend. Wütend darüber, wie
hier, bei uns, über diese Menschen gesprochen wird.
In ihrer Bundestagsrede sagte Angela Merkel über die Ziele der
internationalen Gemeinschaft in Afghanistan: „Kamen diese Ziele [1][und die
mit ihnen verbundenen Werte] […] wirklich bei der Mehrheit der Menschen in
Afghanistan an?“ Das Handelsblatt titelte: „Der westliche Versuch, die
eigenen Werte nach Afghanistan zu exportieren, endet im Chaos.“ In
Österreich forderte die Direktorin der Diakonie die Aufnahme von „Menschen,
die in Afghanistan europäische Werte gelebt und vertreten haben“. Der
AfD-Politiker Alexander Gauland sagte, ebenfalls in der Bundestagsdebatte:
„Unsere Werte, meine Damen und Herren, sind nicht universell.“
[2][In einem Kommentar beschreibt der Journalist Emran Feroz] die Haltung
des Westens zu den Menschen in Afghanistan frustriert so: „‚Die sind eben
so. Das ist nicht unsere Schuld‘.“ „Die sind eben so“ – das ist der
Ursprung des Denkens, das in den erwähnten Zitaten liegt. Dieses Denken
findet sein Fundament in der Theorie, Menschen verschiedener Kulturen oder
„Rassen“ seien grundsätzlich unterschiedlich. Natürlich bezieht man sich
nicht explizit darauf (außer wohl Alexander Gauland) – aber diese Arroganz,
diese Überhöhung „eigener“ Werte: Ihr muss ein solches wenn auch oft
unbewusstes Denken zugrunde liegen.
Dabei ist wissenschaftlich bewiesen: Alle Menschen sind gleich. Das ist
kein Hippie-Spruch, sondern Fakt. In einem Essay in Science forderten
US-amerikanische Forscher:innen denn auch, das Konzept „Rasse“ aus der
Humangenetik zu entfernen: „Die Klassifikation nach Rassen ergibt in Bezug
auf Genetik keinen Sinn.“ Forschungen haben immer wieder gezeigt, dass
Genvariationen innerhalb einer vermeintlichen „Rasse“ oft größer sind als
zum Beispiel zwischen weißen und Schwarzen Menschen.
## Einfach Mensch
Oder anders gesagt: Es gibt nur eine Rasse, und die heißt Mensch. In einem
Artikel aus dem Wissenschaftsmagazin Human Genomics aus dem Jahr 2020 heißt
es: „Es sind kontextbezogene Faktoren und Erfahrungen, die sich über die
Geschichte ziehen, und nicht Genetik, die Menschen in die heutigen
rassischen und ethnischen Kategorien aufgeteilt haben.“ Es gibt keine
wissenschaftliche Rechtfertigung für die Behauptung „Die sind eben so“.
Menschen, überall auf der Welt, werden geboren mit dem Bedürfnis, geliebt,
genährt und geschützt zu sein. Daran ändert sich im Laufe des Lebens nichts
Grundsätzliches. Es sind historische Erfahrungen, die einen Staat prägen.
Menschen aber, die in Afghanistan für Freiheit und Sicherheit kämpfen,
vertreten nicht „europäische“ oder „westliche“ Werte, sondern menschli…
Werte. Und: Sie müssen sie nicht erst von uns lernen. Vielleicht schätzen
sie diese Werte sogar mehr als wir.
31 Aug 2021
## LINKS
[1] /Scheitern-des-Westens-in-Afghanistan/!5794073
[2] https://www.dw.com/de/afghanistan-der-westen-verdr%C3%A4ngte-die-realit%C3%…
## AUTOREN
Gilda Sahebi
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