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# taz.de -- Flucht aus Afghanistan: Rettet Menschen, nicht Tiere
> Der Brite Paul Farthing hat mit einem Charterflug Katzen und Hunde aus
> Afghanistan evakuiert. Statt Vierbeiner hätte er Menschen retten sollen.
Bild: Paul Farthing kniet neben einem Hund, der eine Kappe trägt
Valla, manchmal weiß ich auch nicht mehr weiter. So ging es mir, als ich
die Nachricht gelesen habe, dass ein britischer Ex-Soldat 150 Hunde und
Katzen aus [1][Afghanistan] hat evakuieren lassen. Ja, richtig gelesen:
Paul Farthing, Tierschützer von Beruf, hat dem [2][britischen
Verteidigungsministerium gedroht und vor wenigen Tagen einen privat
finanzierten Rettungsflug für Vierbeiner erzwungen].
Er hatte jahrelang die Tiere in einem Heim in Kabul gehalten (was an sich
nice ist). Am Flughafen, berichten britische Medien, habe er seine
afghanischen Mitarbeitenden verabschiedet und sei erleichtert ins Flugzeug
mit Hasso, Felix und Co gestiegen.
Ich habe mich im Netz über diese Geschichte empört und dabei Farthing als
Hund bezeichnet. Wenn einige Tierschützer*innen Kühe, [3][Schlangen],
Esel und Menschen auf eine Stufe stellen, dann kann das ja keine
Beleidigung sein.
Mir ist die Einstellung, schutzsuchende Menschen mit Tieren gleichzusetzen,
im Leben schon sehr oft begegnet. Egal, ob ich von ’ner Gerda in der S-Bahn
angeschnauzt werde, weil ich darum bitte, anstatt ihres Hundes mich auf den
Sitz niederzulassen, oder von eben einem Tierschützer belehrt werde, dass
eine Näherin in Bangladesch und eine Kuh dieselben Rechte haben. Solche
Aussagen machen mich einfach wütend, ich äußere diese Wut dann auch offen.
Viele tierliebende Menschen haben sich bei mir gemeldet. Ich würde mit
meiner Haltung aktiv Gewalt ausüben, die Tiere könnten ja nichts dafür und
außerdem habe der private Rettungsflug ja keinem Menschen einen Platz auf
den regulären Rettungsflügen aus Afghanistan weggenommen. Jemand schrieb
sinngemäß, dass Antirassismus gleich Tierschutz sei: Es gehe um den Schutz
des Lebens. Dass diese Person nicht checkt, dass sie damit die rassistische
Ideologie der White Supremacy bedient: Ich weiß auch nicht mehr, valla.
Mir wurde sogenannter Speziesismus vorgeworfen, ich würde Menschen über
Tiere stellen. Und ich sage ganz deutlich: Bei der Evakuierung aus der
Gefahrenzone haben Menschen verdammt nochmal Vorrang. Mir ist nicht
bekannt, dass die Taliban eine Kampagne gegen Hunde und Katzen angekündigt
haben. Das Ding ist: Den Schutz von Menschen zu priorisieren bedeutet
nicht, Tierschutz oder Artenvielfalt aufzugeben. Tiere werden von Menschen
ausgebeutet, das muss auf die politische Agenda und aufhören.
Aber bei limitierten Slots für Abflüge aus dem Flughafen in Kabul, bei der
Machtübernahme von faschistoiden Fanatikern und einer fatalistischen
Außenpolitik des Westens, die die Menschen überhaupt erst in Gefahr
gebracht hat, muss jede (!) Ressource genutzt werden, um ebendiese Menschen
in Sicherheit zu bringen. Ein Charterflug für Katzen und Hunde ist ein
Schlag ins Gesicht jeder bedrohten Person, die weiterhin in Afghanistan
ausharren muss.
Manchen Menschen ist aber Hundeleben mehr wert. Und deswegen sind die Paul
Farthings dieser Welt einfach nur Hunde.
2 Sep 2021
## LINKS
[1] /Afghanische-Gefluechtete-in-Russland/!5792873
[2] https://www.berliner-zeitung.de/news/brite-paul-farthing-mit-katzen-und-hun…
[3] /Grosseinsatz-wegen-Schlange/!5794071
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
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