# taz.de -- Ermittlungen gegen Berliner Beamten: AfD, NPD, Polizei | |
> Ein Berliner Polizist soll Interna an die AfD weitergegeben haben. Im | |
> skandalträchtigen Bezirksverband Neukölln ist er nicht nur einfaches | |
> Mitglied. | |
Bild: Es brennt in Neukölln | |
BERLIN taz | Die Verbindungen reichen tiefer: Der Berliner Polizist Detlef | |
M., gegen den die Staatsanwaltschaft [1][wegen des Verdachts auf Verrat von | |
Dienstgeheimnissen über den Anschlag am Berliner Breitscheidplatz] in einer | |
Telegram-Gruppe ermittelt, war nicht nur über diese Chat-Gruppe mit einem | |
der Hauptverdächtigen der rechtsterroristischen Neuköllner Anschlagserie in | |
Kontakt. Der taz liegt ein E-Mail-Verkehr aus dem Herbst 2016 vor, in dem | |
sich mehrere Mitglieder des Bezirksvorstands der Neuköllner AfD sowie der | |
mutmaßliche Rechtsterrorist Tilo P. mit Detlef M. austauschen. | |
Konkret geht es um einen Vorschlag von Tilo P., damals einfaches | |
Parteimitglied, später Beisitzer im Bezirksvorstand: Er möchte gemeinsam | |
mit seinen Parteifreunden eine Veranstaltung in der Neuköllner Buchhandlung | |
Leporello besuchen, die am 2. Dezember 2016 im Rahmen einer | |
Veranstaltungsreihe gegen Rechtspopulismus und Rassismus stattfindet. Einem | |
anderen Mitglied des Bezirksvorstands ist das zu heikel: „Alle BVVler | |
sollten wegbleiben solange sich dort ggf. NPD und Presse rumtreiben“, rät | |
er. Dieser Einschätzung schließt sich auch der Polizist Detlef M. an, | |
ebenfalls auf dem Verteiler und nach taz-Informationen damals | |
„Sicherheitsbeauftragter“ des AfD-Bezirksverbands. Die Initiative | |
Neukölln-Watch bestätigt, dass bei der Veranstaltung später tatsächlich ein | |
Berliner NPD-Politiker im Publikum ist. | |
Zehn Tage später, in der Nacht zum 12. Dezember 2016, [2][werden der | |
Buchhandlung Leporello die Scheiben eingeworfen]. In der selben Nacht wird | |
auch ein Brandsatz vor einem linken Neuköllner Café deponiert. Der | |
Betreiber der Buchhandlung Leporello, Heinz Ostermann, wird noch mehrmals | |
Opfer von Anschlägen: Im Januar 2017 [3][wird sein Auto angezündet]. Mit | |
Unterstützung durch Spendengelder kauft er sich ein neues, das in der Nacht | |
zum 1. Februar 2018 in Flammen aufgeht, zeitgleich zum Brandanschlag auf | |
das Auto des Linken-Kommunalpolitikers Ferat Kocak. taz-Recherchen zeigen | |
später, dass Tilo P. und der zweite Hauptverdächtige, Sebastian T., Kocak | |
mit Wissen der Sicherheitsbehörden [4][schon lange vor dem Anschlag | |
ausspioniert hatten]. | |
## Brauner Sumpf in Neukölln | |
Der Bezirksverband der AfD Neukölln, dem auch der Polizist Detlef M. | |
angehört, ist nicht nur über Tilo P. mit der rechtsterroristischen | |
Neuköllner Anschlagserie verbunden, der mehr als 60 Straftaten seit | |
Frühling 2016 zugerechnet werden. Auch zu dem NPD-Funktionär Sebastian T. | |
gibt es enge Kontakte. So beschreibt es ein Bezirksverordneter der | |
Neuköllner AfD in einer Mail an den damaligen Berliner Landesvorsitzenden | |
Georg Pazderski, die der taz vorliegt. | |
Dem Neuköllner AfD-Mann macht die allzu große Nähe seines Bezirksverbands | |
zur Neuköllner Neonaziszene offenbar Sorge, deswegen beschließt er, | |
Pazderski mit seiner Mail darüber zu informieren. Er beschreibt | |
wahrheitsgemäß, dass bei einem AfD-internen Vortrag Pazderskis im | |
Bezirksverband Neukölln im September 2016 auch Sebastian T. unter den | |
Zuhörern war. Den Neuköllner AfD-Mitgliedern sei dessen politischer | |
Hintergrund bekannt, dennoch sei er „in diesen Kreis sehr freundschaftlich | |
aufgenommen“ worden. „Allen anderen gegenüber wurde darüber Stillschweigen | |
bewahrt, was allein schon zeigt, dass ihnen die Problematik dieses | |
Sachverhalts durchaus bewusst war“, heißt es in der Mail weiter. | |
Der Neuköllner AfD-Verordnete ist sich sicher: „Die Vorstände des | |
Bezirksverbands sind offenbar wie die dortige Mitgliedschaft nach wie vor | |
eng mit diesen Kreisen verbandelt.“ Es sei „kaum glaubhaft zu vermitteln, | |
dass es sich hier um bedeutungslose Einzelfälle in diesem Bezirk handelt“. | |
Pazderski nimmt die Mail im März 2019 zum Anlass, auf ein | |
Parteiausschlussverfahren gegen Tilo P. zu drängen, da sonst erheblicher | |
Schaden für den Landesverband zu befürchten sei. Ob P. inzwischen | |
tatsächlich ausgeschlossen wurde, ist nicht bekannt. | |
## Erneute Angriffe | |
Der Polizist Detlef M. ist in diesem Berliner AfD-Bezirksverband, der so | |
stark in neonazistische Kreise verstrickt ist wie kaum ein anderer, nach | |
wie vor nicht nur einfaches Mitglied. Auf dem letzten Bezirksparteitag im | |
Oktober 2019 wurde er nach taz-Informationen zum Rechnungsprüfer ernannt. | |
Beruflich ist er seit 1992 im Polizeiabschnitt 65 eingesetzt, der zwar zum | |
Bezirk Treptow-Köpenick gehört, aber direkt an den Süden Neuköllns | |
angrenzt, wo die Neuköllner AfD ihre Basis hat und wo sich ein Großteil der | |
rechtsterroristischen Anschläge ereignete. | |
Die Serie hält derweil an: Erst in der Nacht zu Freitag haben Unbekannte in | |
Neukölln erneut mehrere große Hakenkreuze und SS-Runen an Schaufenster und | |
in Treppenhäuser geschmiert. Betroffen waren mehrere Einrichtungen und | |
Adressen, die auch schon in der Vergangenheit Ziel von Anschlägen geworden | |
waren. | |
6 Jun 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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