| # taz.de -- Energiewende lässt auf sich warten: Langes Endspiel der Fossilen | |
| > Soll das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden, muss der Ausstieg aus der | |
| > fossilen Energie gelingen. In Wirklichkeit wird ihre Produktion global | |
| > ausgebaut. | |
| Bild: Klimaschutz hat global massive, disruptive wirtschaftliche und auch geopo… | |
| Deutschland ringt heftig um den Ausstieg aus den fossilen Importen aus | |
| Russland. Es besteht akuter Handlungsdruck, diese zu substituieren, und | |
| gleichzeitig gilt es, das langfristige Ziel der Klimaneutralität im Blick | |
| zu halten. Ein schwieriger Spagat, der zu einer intensiven Reisetätigkeit | |
| der Bundesregierung in Länder führt, die zuvor aus guten Gründen nicht als | |
| bevorzugte Partnerländer galten. In diesen Tagen und Wochen wird uns also | |
| in gnadenloser Brutalität die geopolitische Dimension von [1][fossilen | |
| Energieimporten] vor Augen geführt. | |
| Klar ist in jedem Fall: Die Vorstellung, dass eine resiliente | |
| Energieversorgung allein der Markt bereitstellen kann, ist spätestens mit | |
| dem Ziel der Transformation obsolet. Sie allein an Kosteneffizienz | |
| auszurichten, war schon in der Vergangenheit falsch. Was daraus nun folgt, | |
| sind höhere Kosten, monetär und politisch. Klimaschutz hat global massive, | |
| disruptive wirtschaftliche und auch geopolitische Auswirkungen. Sie | |
| tauchten im Diskurs immer mal auf, doch in der Realpolitik wurden sie nicht | |
| wirklich adressiert. In nur 23 Jahren will Deutschland alle fossilen | |
| Importe auf null gefahren haben, heute immerhin gut 70 Prozent unserer | |
| Primärenergie. | |
| Im vergangenen Jahr wurde die Internationale Energieagentur (IEA) mit ihrem | |
| „Net-Zero“-Report überall in der Welt vor allem mit der Aussage zitiert, | |
| dass keine Investitionen in Öl und Gas mehr stattfinden dürfen, wenn die | |
| Welt sich wirklich ernsthaft auf den sogenannten 1,5-Grad-Pfad begeben | |
| wolle. Die Realität aber hinkt den politischen Zielen weit hinterher. Amin | |
| Nasser, der Chef von Saudi Aramco, dem größten Erdöl-Förderunternehmen der | |
| Welt, hat das über allem schwebende Problem neulich auf den Punkt gebracht: | |
| „Während Investitionen in die Öl- und Gasindustrie gebremst werden, wird | |
| von uns verlangt, die Produktion zu steigern.“ Überall werden nahezu | |
| verzweifelte Gespräche geführt, ob denn die Produktion von Öl, Gas und auch | |
| Kohle nicht noch ausgeweitet werden kann. LNG-Terminals werden gebaut, neue | |
| Pipelines und Transportwege geplant und neue Gas- und Ölfelder exploriert. | |
| Und bei den entsprechenden Gesprächen stellen Politiker aus Deutschland und | |
| der EU fest, dass die aktuelle Krise Lösungen erfordert, die weit über | |
| einen kurzen Zeithorizont von zwei oder drei Jahren hinausgehen. Wer heute | |
| neue Bezugsquellen will, muss langfristige Verträge machen, über zehn oder | |
| gar 20 Jahre. Neue Investitionen müssen getätigt und parallel dennoch auch | |
| der Umstieg auf Wasserstoff und grüne Powerfuels betrieben werden. | |
| Wie kurzsichtig eine von Langfrist dominierte Strategie sein kann, wird | |
| jetzt deutlich, wo wir verflüssigtes Erdgas aus anderen Weltregionen auf | |
| einmal ebenso benötigen wie Erdöl vom Golf oder gar aus Venezuela und dem | |
| Iran, um das Embargo gegen Russland abzufedern. Wir haben zwar das Ende der | |
| Fossilen eingeläutet, aber nicht besiegelt und schon gar nicht gemeinsam | |
| abgestimmt. Ein gravierendes Versäumnis für unsere flexible Versorgung, den | |
| Klimaschutz, aber auch die internationale Zusammenarbeit und den Geist des | |
| Miteinander. | |
| Wohl wahr, auch Länder, die vor allem fossile Energieträger produzieren, | |
| sind freiwillige Verpflichtungen zum Klimaschutz eingegangen. Wir haben | |
| internationale Partnerschaften mit Blick auf erneuerbare Energien | |
| aufgebaut. Aber die zugrunde liegende Botschaft an unsere traditionellen | |
| Energielieferanten lautete in etwa so: „Die [2][fossilen Importe] sind ein | |
| notwendiges Übel, euer Geschäftsmodell obsolet, eure Vermögenswerte | |
| gestrandet.“ Durch die Klimabrille wurden diese Länder zumindest als | |
| Bremser, wenn nicht als Gegenspieler gesehen. Es wurde sich kaum bemüht, | |
| mit den Ländern konkret über eine Dekarbonisierung der Lieferkette zu | |
| sprechen. Alles das hat in manchen Regionen dieser Welt den Nährboden für | |
| eine gefährliche Lesart unserer Bemühungen zur Dekarbonisierung bereitet. | |
| Eine Wahrnehmung, die Klimapolitik und die Energiewende in erster Linie als | |
| Bühne eines geopolitischen Wettbewerbs versteht. | |
| Nun müssen die Produzenten der fossilen Energieträger für den Umbau | |
| kooptiert und mitgenommen werden. Nur dann kann der Konsens um das Pariser | |
| Klimaschutzabkommen bewahrt werden, aber eben auch die Zwischenschritte von | |
| Erdgas zu Wasserstoff, von Erdöl zu synthetischen Brennstoffen definiert | |
| werden, um die fossilen Produzenten am Energiesystem und der Wertschöpfung | |
| teilhaben zu lassen. | |
| ## Das Endspiel der Fossilen wird länger dauern | |
| Wir müssen zurück zu einem kooperativen Modus, damit der sukzessive | |
| Ausstieg für beide Seiten planbar ist und „stranded assets“ zum großen Te… | |
| Theorie bleiben. Wir müssen uns also die Frage stellen: Haben wir aktuell | |
| die richtigen internationalen Foren, um unsere klimapolitischen Ziele mit | |
| [3][fossilen Lieferanten] zu diskutieren und gemeinsam verlässliche | |
| Ausstiegspfade zu definieren? In der jetzigen Krisensituation kämpft jedes | |
| Land für sich. Auch das eine unglückliche Nebenerscheinung von globalen | |
| Krisen, die wir schon bei der Coronakrise erlebt haben. Klimaschutz darf | |
| bei den fossilen Lieferanten nicht als unfreundlicher Akt der Abkehr | |
| wahrgenommen werden, sondern als das, was er ist: ein schmerzhafter | |
| Kraftakt, um den gemeinsamen Planeten lebenswert zu erhalten, der aber auch | |
| neue Perspektiven eröffnen wird. Eine Angelegenheit, die nur in globaler | |
| Kooperation und in einem Umfeld ohne Krieg, Armut, Korruption und Terror | |
| gelingen kann. | |
| Das Endspiel der Fossilen wird länger dauern, als wir gedacht haben. Die | |
| Spielregeln sind andere, als wir Klimaschützer lange Zeit geglaubt haben. | |
| Die diesjährige Klimakonferenz (COP) in Ägypten ist eine gute Gelegenheit, | |
| das zum Thema zu machen. In jedem Fall gilt: Mit dem Kopf durch die Wand | |
| wird größere Kollateralschäden nach sich ziehen, anders als eine kluge, | |
| internationale Klima- und Energiediplomatie mit einer breiten Riege von | |
| neuen und alten Partnern aufzusetzen. | |
| 2 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kirsten Westphal | |
| Andreas Kuhlmann | |
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