# taz.de -- EU und Rechtsstaatlichkeit: Klage wegen „Untätigkeit“ | |
> Das Europaparlament will gegen die EU-Kommission klagen. Der Vorwurf: Sie | |
> unternehme nichts gegen illiberale Staaten wie Polen und Ungarn. | |
Bild: Gerichtssaal im Europäischen Gerichtshof, Luxemburg | |
BRÜSSEL taz | Der [1][Streit um den Rechtsstaat in der Europäischen Union] | |
eskaliert. Weil die Kommission nicht gegen illiberale Länder wie Ungarn, | |
Polen oder Bulgarien einschreitet und wie vereinbart EU-Mittel kürzt, will | |
das Europaparlament vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. | |
Die Abgeordneten hatten ein Ultimatum bis zum 1. Juni gesetzt. Bis dahin | |
sollte die Kommission gegen jene Länder vorgehen, die die neue | |
[2][Rechtsstaatsklausel zum EU-Budget] verletzen. Diese Klausel (im | |
EU-Jargon „Konditionalität“) sieht vor, dass Zahlungen aus dem EU-Budget | |
bei Verstößen zurückgehalten werden können. | |
Doch die Brüsseler Behörde unternahm nichts. Sie will erst „Leitlinien“ z… | |
Anwendung der neuen Regeln ausarbeiten, wie dies der Europäische Rat im | |
Dezember 2020 – damals noch unter deutschem Vorsitz – gefordert hatte. Das | |
könnte jedoch bis zum Herbst dauern. | |
Nun ist den Abgeordneten der Geduldsfaden gerissen. Die sogenannte | |
Untätigkeitsklage soll bei der Plenarsitzung in der kommenden Woche in | |
Straßburg auf den Weg gebracht worden, hieß es am Freitag in | |
Parlamentskreisen in Brüssel. Gegen eine Klage hatte sich die konservative | |
EVP-Fraktion gesträubt, auch CDU/CSU waren dagegen. Doch Sozialdemokraten, | |
Grüne, Liberale und Linke machten Druck. Am Freitag lenkten die deutschen | |
Christdemokraten ein. | |
## Ohrfeige für von der Leyen | |
Die rechtsstaatliche Lage in der EU verschlechtere sich immer mehr, heißt | |
es in dem Entwurf der Parlamentsresolution, der der taz vorliegt. Es sei | |
bedauerlich, dass die EU-Kommission seit Inkrafttreten der | |
Rechtsstaatsklausel am 1. Januar untätig geblieben sei. Dies komme einer | |
„Weigerung“ gleich, ihre Pflichten zu erfüllen. | |
Wenn diese Erklärung so angenommen wird, ist dies eine Ohrfeige für | |
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin beteuert | |
zwar stets, Demokratie und Rechtsstaat lägen ihr ganz besonders am Herzen. | |
Doch unternommen hat sie nichts. | |
Von der Leyen folgt damit Kanzlerin Angela Merkel, die sich beim EU-Gipfel | |
im Dezember 2020 mit Ungarns Premier Viktor Orbán auf ein | |
Stillhalteabkommen geeinigt hatte. Orbán kündigte an, gegen die neue | |
Rechtsstaatsklausel zu klagen. Die EU-Kommission sollte in der Zwischenzeit | |
ihre „Leitlinien“ ausarbeiten. | |
Das EU-Parlament hat sich mit diesem Kompromiss jedoch nie abgefunden. | |
„Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich jetzt entscheiden: | |
Entweder sie kämpft mit uns für den Rechtsstaat – oder sie bleibt wegen | |
Druck aus Polen und Ungarn weiter untätig“, erklärte der grüne | |
Europaabgeordnete Daniel Freund. | |
Parlamentspräsident David Sassoli soll beauftragt werden, die | |
Untätigkeitsklage einzureichen. Dafür habe er zwei Wochen Zeit, heißt es | |
bei der EVP. Dieser Kompromiss, der von der Leyen noch etwas Luft | |
verschafft, habe es CDU/CSU ermöglicht, das ungewöhnliche Verfahren gegen | |
die Kommission mit zu tragen. | |
4 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Rechtsstaat-und-EU-Haushalt/!5729339 | |
[2] /Nach-Einigung-zum-EU-Finanzpaket/!5737606 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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