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# taz.de -- Klage gegen EU-Parlament: Ungarn droht vor EuGH zu scheitern
> Der Generalanwalt hat keine Bedenken, das Rechtsstaats-Verfahren gegen
> Ungarn weiterlaufen zu lassen. Das Land hatte die Abstimmung kritisiert.
Bild: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán
Freiburg taz | Das Rechtsstaats-Verfahren gegen Ungarn wird wohl
weiterlaufen. Das empfiehlt jedenfalls der unabhängige Generalanwalt Michal
Bobek in einem Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ungarns
Einwände gegen den Antrag des Europäischen Parlaments seien nicht
stichhaltig.
Das Europäische Parlament hatte im September 2018 beantragt, das in Artikel
7 des EU-Vertrags vorgesehene Rechtsstaatsverfahren einzuleiten. Grundlage
war ein Bericht der niederländischen Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini,
in dem sie umfassende „Bedenken“ auflistete. So seien die Befugnisse des
ungarischen Verfassungsgerichts eingeschränkt worden, es habe manipulative
Volksabstimmungen gegeben, bei der Verwendung von EU-Mitteln gebe es wohl
Betrug und Bestechung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk berichte
einseitig und die Rechte von Flüchtlingen würden verletzt.
Auf der ersten Stufe des Rechtsstaatsverfahrens könnte der Europäische Rat
mit 80-prozentiger Mehrheit feststellen, dass eine „eindeutige Gefahr einer
schwerwiegenden Verletzung“ der EU-Grundwerte besteht. Dies wäre eine Art
letzte Warnung. Erst auf der zweiten Stufe drohen dann Sanktionen wie der
Entzug des Stimmrechts. Hier wäre aber ein einstimmiger Beschluss der
anderen EU-Staaten erforderlich, den Polen voraussichtlich blockieren
würde.
Doch Ungarn versuchte, schon den Start des Verfahrens zu blockieren und
klagte beim EuGH gegen den Antrag des Europäischen Parlaments. Dieser sei
nicht korrekt zustandegekommen, weil die erforderliche
Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht wurde. Die Stimmenthaltungen hätten
mitgezählt werden müssen, so Ungarn. Tatsächlich stimmten 448 Abgeordnete
für die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn, 197 Abgeordnete dagegen
(darunter fast alle CSU-Parlamentarier) und 48 Abgeordnete enthielten sich.
Die Zwei-Drittel-Mehrheit war also nur erreicht, wenn die Stimmenthaltungen
ignoriert wurden.
## EU-Parlament hielt Klage für unzulässig – Gutachter nicht
Das EU-Parlament hielt schon die Klage Ungarns für unzulässig. Ein
derartiger Antrag sei nur eine „Zwischenmaßnahme“ ohne Rechtswirkung, für
die der EuGH keine Zuständigkeit habe.
Dies sah Generalanwalt Bobek in seinem Gutachten aber anders: Ungarns Klage
sei zulässig, weil auch die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens schon
juristische Folgen habe. So sei nun die Auslieferung von Straftätern nach
Ungarn erschwert. Und eventuelle Asylanträge von Ungarn müssten in den
anderen EU-Staaten jetzt geprüft werden.
In der Sache empfahl Bobek dem EuGH jedoch, die ungarische Klage
abzulehnen. Der Antrag des Europäischen Parlaments sei korrekt
zustandegekommen, so Bobek. Nach der Geschäftsordnung des Parlaments seien
bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nur Ja- und Nein-Stimmen zu
berücksichtigen, nicht aber Enthaltungen. Auch aus dem EU-Vertrag ergebe
sich nichts anderes. Der EuGH wird in einigen Wochen sein Urteil verkünden.
(Az.: C- 560/18)
3 Dec 2020
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
EuGH
Ungarn
Rechtsstaatlichkeit
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EU-Haushalt
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