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# taz.de -- Digitaler Impfausweis in der EU: Uneinigkeit um Impfpass
> Nach dem EU-Gipfel scheren einige Länder trotz Absprachen aus der
> Impfstrategie aus. Auch bei geplanten grünen Pässen gibt es Ärger.
Bild: Ein Impfpasskonzept der EU-Kommission könnte im Sommer zu Erleichterunge…
Brüssel/Berlin taz | In der Europäischen Union bröckelt die Solidarität im
Umgang mit der Coronakrise. Nach den deutschen Alleingängen bei den
Grenzkontrollen scheren nun auch mehrere EU-Staaten bei der Beschaffung von
Impfstoffen aus. Selbst um den Impfpass, der beim EU-Gipfel am vergangenen
Donnerstag auf den Weg gebracht wurde und Hoffnung auf Urlaubsreisen machen
soll, gibt es Streit.
Bei [1][ihrem Videogipfel] hatten die 27 EU-Staaten vereinbart, an der
gemeinsamen Impfstrategie festzuhalten und vorerst keine Lockerungen bei
Reisen und Tourismus zu gewähren. Die EU-Kommission in Brüssel wurde
beauftragt, ein Konzept für einen Impfpass auszuarbeiten, der dann im
Sommer zu Erleichterungen bei Reisen führen könnte. Doch nun verabschieden
sich mehrere EU-Staaten von den Absprachen (bindende Beschlüsse gab es
nicht). Nach Ungarn und der Slowakei haben auch Polen und Tschechien
angekündigt, von der Impfstrategie abzuweichen und Vakzine in Russland oder
China zu kaufen. Begründet wurde dies mit den Lieferschwierigkeiten und der
langsamen Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA.
Auch Österreich ist auf Distanz zur gemeinsamen Strategie gegangen. Kanzler
Sebastian Kurz kritisierte, die EU komme beim Impfen viel zu langsam voran.
„Wir müssen uns daher auf weitere Mutationen vorbereiten und sollten nicht
mehr nur von der EU abhängig sein bei der Produktion von Impfungen der
zweiten Generation.“ Kurz kündigte eine enge Zusammenarbeit mit Dänemark
und Israel an.
Man wolle „gemeinsam mit Israel in den kommenden Jahren Impfdosen der
zweiten Generation für weitere Mutationen des Covidvirus produzieren“, hieß
es in seiner Erklärung. Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
sagte, es gehe darum, wie man angesichts des großen und langfristigen
Bedarfs an Impfstoffen die Produktionskapazitäten wesentlich steigern
könne. Die Zusammenarbeit mit Israel betrachtete sie nicht als einen Bruch
mit Brüssel.
## Belgien ist gegen den grünen Impfpass
Israel kommt bei der Impfung seiner Bürger wesentlich schneller voran als
die EU. Das Land gilt auch mit seinem „Grünen Impfpass“ als vorbildlich.
Griechenland und Zypern haben bereits eine Kooperation mit Israel
vereinbart, um Reisen für die Impfpassinhaber zu erleichtern. Athen wirbt
zudem für einen europäischen Impfpass. Die EU-Kommission will ihr Konzept
am 17. März vorstellen.
Doch auch hier droht Streit. Zunächst wollen mehrere EU-Staaten ihren
eigenen Impfpass einführen. Brüssel soll lediglich dafür sorgen, dass die
digitalen Ausweise miteinander kompatibel sind. Ob mit dem Impfpass auch
mehr Freiheiten, etwa bei Urlaubsreisen, verbunden sind, ist noch nicht
entschieden. Griechenland und Österreich sind dafür, Deutschland und
Frankreich zögern, Belgien spricht sich dagegen aus.
Es komme nicht in Frage, die in den EU-Verträgen und im Schengen-Abkommen
verbriefte Reisefreiheit an eine Impfung zu knüpfen, erklärte die belgische
Außenministerin Sophie Wilmès. Das würde eine Diskriminierung bedeuten. Mit
dieser Meinung steht sie nicht allein. Auch Europarechtler und
Datenschützer warnen vor einem neuen digitalen Reisepass für Geimpfte.
Die EU-Kommission will sich in ihrer Gesetzesvorlage daher auf einige
„Basics“ konzentrieren. Der „digitale grüne Pass“ soll zunächst nur
Corona-Impfungen, Coviderkrankungen und negative Tests vermerken. Das
könnte über ein einheitlich lesbares Dokument mit QR-Code geschehen, das
man auf Papier oder auf dem Smartphone bei sich tragen könnte – ähnlich wie
ein Bahnticket.
## Fokus auf technische Fragen ist „Nebenkriegsschauplatz“
Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält die
Datenschutzfragen um den digitalen Impfpass allerdings gar nicht für das
zentrale Thema im Kampf gegen die Pandemie. Es sei noch lange nicht
geklärt, welche Schlussfolgerungen aus einer Impfung gezogen werden, sagte
Schaar der taz. „Die größte Herausforderung ist, welche Rechte werden den
Menschen wieder zurückgegeben, wenn sie geimpft werden und zu welchem
Zeitpunkt.“
Fraglich sei auch, welche Auswirkungen dies auf die Personen hätte, die
nicht geimpft werden wollten oder könnten. Diese Entscheidungen seien
unbedingt notwendig im Vorfeld zu treffen, sonst verursache man eine
permanente Ungleichbehandlung. Den Fokus auf technische Fragen, wie etwa,
ob über eine zentrale oder über nationale Datenbanken die Informationen
zusammen geführt werden, bezeichnete Schaar als „Nebenkriegsschauplatz“.
Auch den Zeitplan für die Einführung eines solchen digitalen Ausweises hält
er für utopisch. Anvisiert sind bisher wenige Monate. Es dürfte Jahre
dauern, bis sich alle EU-Staaten auf eine kompatible Software geeinigt
hätten, die überall funktioniert. Ohnehin könnten nur Tech-Giganten die
Umsetzung einer passenden Technik gewährleisten.
Die technische Lösung müsse fälschungssicher sein. „Die Idee, alle Daten in
einer Datenbank zu sammeln, ist weder technisch brilliant noch umsetzbar“,
sagte Schaar, der derzeit Vorsitzender der Europäischen Akademie für
Informationsschutz und Datenschutz ist. Die informationelle
Selbstbestimmung müsse gewahrt bleiben.
## Von der Leyen: Unterstützung aller Länder notwendig
Eine Digitalisierung des bereits vorhandenen analogen Internationalen
Impfausweise hält Schaar aber für richtig. Perspektivisch könnte man über
QR-Codes nachdenken, die verifizieren, ob jemand geimpft ist oder nicht.
Die könnten dann an die Datenbanken und an das jeweilige Gesundheitsamt
gekoppelt werden. Ausschlaggebend sei lediglich die Information über den
Impfstatus, betonte Schaar.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte, dass es die
Unterstützung aller Mitgliedsländer brauche, damit der grüne Impfpass ein
Erfolg werde. Genau diese Zusammenarbeit ist nun aber infrage gestellt. Der
Grund liegt – neben der schleppenden Impfung und bürokratischen Hürden bei
der Zulassung – in der schweren Wirtschaftskrise, die Europa wegen der
Coronamaßnahmen durchläuft.
Vor allem vom Tourismus abhängige EU-Länder wie Österreich oder
Griechenland suchen händeringend nach Möglichkeiten, das wegen Corona
brachliegende Geschäft anzukurbeln. Die Solidarität könnte dabei auf der
Strecke bleiben.
Selbst Berlin hört nicht mehr auf Brüssel: Die Bundesregierung hat Kritik
an den deutschen Grenzkontrollen zurückgewiesen. „Im Interesse des Schutzes
der Gesundheit“ müsse man an den getroffenen Maßnahmen festhalten, schrieb
der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß an die EU-Kommission. Zuletzt
waren auch Kontrollen an der Grenze zu Frankreich eingeführt worden.
Seither ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt.
4 Mar 2021
## LINKS
[1] /Coronamassnahmen-in-der-EU/!5753935
## AUTOREN
Eric Bonse
Tanja Tricarico
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