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# taz.de -- Datenschützer über digitalen Impfpass: „Kein Ticket ins normale…
> Die EU-Kommission glaubt, durch den digitalen Impfpass einen Weg zurück
> in die Normalität zu finden. Datenschutzexperte Thomas Lohninger
> widerspricht.
taz: Herr Lohninger, die EU-Kommission will an diesem Mittwoch ein
[1][Konzept für einen digitalen Impfpass] vorlegen. Brauchen wir den?
Thomas Lohninger: Nein, den brauchen wir nicht. Schließlich haben wir jetzt
schon den gelben Impfpass der WHO. Der ist billig, überall verfügbar,
international anerkannt und einfach zu verwenden. Man braucht weder
Internet noch Strom, um ihn zu nutzen und damit ist er sehr viel
praktikabler als alle technischen Varianten. Mit diesem System könnte man
heute starten.
Und er ist überhaupt nicht fälschungssicher. Da kann man sich mit wenig
Mühe selbst eine Corona-Impfung reinschreiben oder einfach einen anderen
Nachnamen vorne drauf und das Heft weitergeben.
Das stimmt, aber daran lässt sich arbeiten. Zu Beispiel mit
Hologrammstickern, die würden eine höhere Fälschungssicherheit bieten als
die einfachen Impfaufkleber, die es jetzt gibt.
Auch die lassen sich ablösen…
Man kann noch einen Schritt weitergehen und den Namen des oder der
Geimpften in dieses Hologramm integrieren. Da gibt es Möglichkeiten, den
Schutz zu steigern. Allerdings: [2][Wenn man es wirklich will, lässt sich
jedes System überlisten]. Nicht zuletzt, weil es bei vielen Örtlichkeiten
wie Restaurants oder Friseursalons ja derzeit keine Routine der
Ausweiskontrolle gibt. Die braucht man aber, denn egal ob digital oder auf
Papier: Die Person mit dem Impfpass muss ja immer beweisen, dass der zu ihr
gehört.
Was befürchten Sie bei einer digitalen Variante?
Wenn Menschen sich mit einem digitalen Impfpass bei Bars oder Geschäften
oder wo auch immer ausweisen, dann greifen diese auf die persönlichen Daten
zu. Ich sehe die große Gefahr, dass damit Begehrlichkeiten entstehen: Die
Betreiber:innen könnten die Daten speichern und sammeln und für andere
Zwecke weiterverwenden. Werbung zum Beispiel. Bei einem papiergebundenen
System wäre das deutlich aufwendiger – wenn da jemand den Impfpass scannen
wollte, würde das schon auffallen.
Unternehmen wie Microsoft, Oracle und Salesforce arbeiten schon an
digitalen Impfausweisen – die Industrie geht also davon aus, dass es einen
Bedarf geben wird. Wäre es nicht besser, da gäbe es eine europäische,
privatsphärenfreundliche Alternative, und sei sie staatlich?
Natürlich müssen Modelle, die hier eingesetzt werden, den hiesigen
Datenschutzstandards genügen. Das heißt zum Beispiel: Privacy bei Design,
also eingebauter Datenschutz. Aber man darf nicht vergessen: Die Wirtschaft
hat ein großes Interesse an einem digitalen Impfpass und daran, ihn bald zu
haben. Zum Beispiel die Fluglinien. Die IATA, der Weltverband der Airlines,
arbeitet schon daran. Das Problem ist: Was es jetzt gibt, sind vor allem
privatsphärenfeindliche Konzepte. Wenn es also so schnell gehen soll, wie
die EU-Kommission das will, werden diese die erste Wahl sein.
Gerade ist EU-weit unter anderem folgendes Modell in der Diskussion:
Geimpfte werden in einer zentralen Datenbank eingetragen. Für den Nachweis
der Impfung haben sie einen QR-Code auf Papier oder auf dem Smartphone.
Durch das Scannen des Codes lässt sich nachschauen, ob die Person, die sich
hier ausweist, in der Impf-Datenbank steht.
Ja, so eine zentrale Speicherung ist ein großes Problem. Da werden zentrale
Datenbanken mit Identitätsdaten inklusive Gesundheitsdaten aufgebaut. Viele
Geschäfte und Firmen sollen Zugriff auf dieses System bekommen, und wenn
die Architektur nicht extrem sorgsam gebaut ist, weiß eine zentrale Stelle
über jeden Bar- oder Kinobesuch Bescheid. Wer nicht an diesem System
teilnimmt, ist de facto vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und hat
Probleme zu Reisen.
Die Datenschutz-Grundverordnung schreibt [3][Privacy by Design] vor. Wären
denn Modelle mit einer solchen zentralen Speicherung überhaupt rechtmäßig?
Die Datenschutz-Grundverordnung erlaubt für Epidemien schon deutlich mehr
als sonst. Insofern gehe ich davon aus, dass Klagen dagegen nicht viel
bringen würden.
Und was ist mit Modellen, bei denen meine Daten nur bei mir selbst liegen,
etwa auf einer Karte oder dem Smartphone? So ein System soll es in
Deutschland geben. Wäre das vertretbar?
Es wäre zumindest besser. Aber auch hier bleibt die Zeitkomponente: Wenn
man das Impfen deutlich beschleunigen würde, dann bräuchte es einen solchen
Impfpass vermutlich nicht mehr. Weil dann die Einschränkungen für alle
aufgehoben werden könnten. [4][Umgekehrt wird es schwierig, ein digitales
System nach der Pandemie wieder los zu werden], es könnte uns bleiben. In
der ganzen Debatte werden zwei Sachen vermischt: Nicht der digitale
Impfpass ist das Ticket für ein normales Leben. Sondern die Impfungen.
17 Mar 2021
## LINKS
[1] /Die-GroKo-und-die-Digitalisierung/!5754663
[2] /Fruehzeitige-Impfung-gegen-Corona/!5749417
[3] https://dsgvo-gesetz.de/themen/privacy-by-design/
[4] /Ueberwachung-gegen-die-Pandemie/!5738618
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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