# taz.de -- Demo gegen Abschiebezentrum am BER: Solidarisch in Schönefeld | |
> Die Inbetriebnahme des geplanten Abschiebezentrums am BER ist für 2025 | |
> geplant. Grüne und Linke sehen das Bauvorhaben kritisch. Demo am | |
> Mittwoch. | |
Bild: Demonstration gegen das Abschiebezentrum am Flughafen BER vor dem Rathaus… | |
Berlin taz | „Ich war zwei Wochen in Abschiebehaft in Spanien. Alle unsere | |
Sachen wurden uns abgenommen. Es gab keine Fenster, nur kahle Wände, wir | |
wussten nicht ob Tag oder Nacht war“, erzählt eine geflüchtete Frau den | |
rund 400 Demonstrant*innen, die sich am Mittwochabend in Schönefeld | |
versammelt haben. Sie sind hier, um gegen das geplante Ein- und | |
Ausreisezentrum am Flughafen BER zu demonstrieren. „Lasst uns so lange | |
kämpfen, bis es keine Abschiebezentren mehr gibt“, ruft die Aktivistin der | |
[1][No Border Assembly Berlin] unter dem Jubel der Anwesenden. „Abschiebung | |
ist Folter, Abschiebung ist Mord“, hallt es ihr entgegen. | |
Auf dem Gelände des BER in Schönefeld plant Brandenburgs Landesregierung | |
gemeinsam mit dem Bund ein sogenanntes Behördenzentrum, in dem die „Ein- | |
und Ausreise von ausländischen Personen“ künftig „effizient und zügig“ | |
bearbeitet werden soll. Auf einer Fläche von 4,4 Hektar sollen insgesamt | |
sieben Gebäude für Ankunft, Transit, Gewahrsam und Rückführungen entstehen | |
– wobei das Ausreisegebäude mit Abstand das größte ist. | |
In den Räumlichkeiten sollen unter anderem Brandenburgs Zentrale | |
Ausländerbehörde, die Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge (Bamf) unterkommen. Laut Brandenburgs Innenministerium soll | |
zudem Platz für Ärzt*innen, Dolmetscher*innen, soziale und kirchliche | |
Organisationen und Besucher*innen geschaffen werden. Kritik gibt es vor | |
allem am vorgesehenen Ausreisegewahrsam, der mit 120 Plätzen deutlich | |
größer werden soll als der bisherige am ehemaligen Flughafen Schönefeld. | |
Um die Pläne für das „Behördenzentrum“ zu stoppen, hat sich das Bündnis | |
„Abschiebezentrum BER verhindern“ gebildet, dem unter anderem die | |
Flüchtlingsräte von [2][Berlin] und [3][Brandenburg], die Initiativen | |
[4][Seebrücke], [5][Sea Watch] und die Selbsthilfeorganisation [6][Women in | |
Exile] angehören. „Jede Form von Abschiebung und Inhaftierung ist ein | |
gewaltvoller und zutiefst rassistischer Akt“, so die Sprecherin des | |
Bündnisses, Alexis Martel. | |
## Demo vor dem Rathaus Schönefeld | |
Mit der Demonstration vor dem Rathaus Schönefeld, in dem am Donnerstagabend | |
die Gemeindevertreter*innen tagten, wollen sie den Druck auf die | |
Kommunalpolitiker*innen erhöhen, das Bauvorhaben zu stoppen. Denn | |
bisher gibt es lediglich eine Willensbekundung vom Bund und dem Land | |
Brandenburg, der Beschluss der Baupläne steht noch aus. | |
Überhaupt ist bislang nur wenig über das „Vorzeigeprojekt von | |
internationaler Bedeutung“ bekannt, dem Ex-Bundesinnenminister Horst | |
Seehofer (CSU) und Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) | |
„höchste Priorität“ einräumten. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann weder zu … | |
Baubeginn noch zu voraussichtlichen Kosten etwas gesagt werden“, heißt es | |
auf taz-Nachfrage aus dem Brandenburger Innenministerium. Die | |
Inbetriebnahme sei jedoch für das Jahr 2025 geplant. | |
Das „Behördenzentrum“ solle die vorhandenen Strukturen am ehemaligen | |
Flughafenstandort ersetzen, „um alle Aspekte der Migration ordentlich, | |
human und zügig umsetzen zu können“, heißt es. Dass die Kapazitäten des | |
Ausreisegewahrsams ausgeweitet werden sollen, erklärt der Sprecher mit | |
geänderten Anforderungen: So rechne man nicht nur mit mehr | |
Flughafenasylverfahren, sondern auch mit einer Zunahme von Zurückweisungen. | |
Kritik an dem Vorhaben kommt nicht nur aus der Zivilgesellschaft, sondern | |
auch von der oppositionellen Linken. „Es ist alles am Parlament | |
vorbeigeplant worden“, kritisiert die Brandenburger Politikerin Andrea | |
Johlige. Sie befürchtet, dass in Schönefeld ein bundesweites | |
„Abschiebedrehkreuz“ entsteht. „Alles soll wie am Flughafen laufen, mit | |
Check-in und eigener Abfertigungshalle“, sagt sie zur taz. „Das gibt es in | |
Deutschland sonst nirgends.“ | |
## „Herzensprojekt der CDU | |
Für Johlige lässt allein die Größe nichts Gutes erahnen. Da das Ein- und | |
Ausreisezentrum von einem privaten Investor gebaut werden soll und das Land | |
Brandenburg nur Mieter ist, befürchtet Johlige „eine enorme Belastung des | |
Landeshaushalts über die nächsten Jahrzehnte für ein Prestigeprojekt, das | |
wir gar nicht benötigen“. | |
Auch bei den Grünen, die gemeinsam mit SPD und CDU in Brandenburg regieren, | |
gibt es eine „Grundskepsis“ gegenüber dem „Herzensprojekt der CDU“, sa… | |
die Landesvorsitzende Julia Schmidt der taz. Jetzt ginge es darum, „zu | |
verhindern, dass dort Strukturen geschaffen werden, die mit einer | |
menschenfreundlichen Asylpolitik unvereinbar sind“. So habe man in der | |
Koalition eine unabhängige Rechtsberatung vereinbart und dass sich die | |
Größe des Ausreisegewahrsams am tatsächlichen Bedarf orientiert. | |
Wie es weitergeht, sei unklar, klar sei jedoch: „Mit uns wird es keine | |
Abschiebehaftanstalt geben, das ist auch so im Koalitionsvertrag | |
vereinbart“, so Schmidt. | |
„Niemand sollte an einen Ort zurückgeschickt werden, von dem aus er | |
geflohen ist“, ruft eine Frau übers Megafon. Die Antwort der | |
Demonstrant*innen kommt prompt: „Solidarität muss praktisch werden, | |
Feuer und Flamme den Abschiebebehörden.“ | |
10 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://noborderassembly.blackblogs.org/de/ | |
[2] https://fluechtlingsrat-berlin.de/ | |
[3] https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/ | |
[4] https://seebruecke.org/ | |
[5] https://sea-watch.org/en/ | |
[6] https://www.women-in-exile.net/ | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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