| # taz.de -- Debatte zum Schriftsteller Simon Strauß: Treibstoff für die Reakt… | |
| > Ist der FAZ-Redakteur Simon Strauß wirklich der neue Messias der | |
| > deutschen Literatur? Mit seiner Ultraromantik bedient er die Agenda der | |
| > Rechten. | |
| Bild: Unschön: Strauß beschwört in seinem Debüt wehende Deutschlandfahnen | |
| Der neue Messias der deutschen Literatur heißt angeblich Simon Strauß. Aber | |
| ist er das wirklich und, wenn ja, ist das gut oder schlecht? Sein | |
| essayistischer Debütroman „[1][Sieben Nächte]“ (Blumenbar, 2017), der die | |
| Magie des Kampfes und echter Feinde heraufbeschwört, hat für Furore | |
| gesorgt. Das Buch wurde, vom [2][Zeit-Feuilleton] bis zur ZDF-Kultursendung | |
| Aspekte, als neoromantisches Manifest einer neuen Generation gefeiert, die | |
| sich nicht mehr mit der zynischen Abgeklärtheit der vergangenen Jahrzehnte | |
| zufriedengibt. | |
| Simon Strauß, Sohn von Botho Strauß, 1988 in Berlin geboren, stilisiert | |
| sich als Nachfahr von Ernst Jünger, imaginiert Stahlgewitter und lobt die | |
| AFD als einzige Partei, die die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vernünftig | |
| kritisiere. Dem Kulturbetrieb scheint es zu gefallen, dass da ein junger | |
| wütender Mann wieder mit der Ästhetik und den Inhalten des rechten Randes | |
| spielt. | |
| Strauß hat Altertumswissenschaften und Geschichte in Basel und Cambridge | |
| studiert. Seit Oktober 2016 ist er Redakteur im Feuilleton der Frankfurter | |
| Allgemeinen Zeitung. Ambivalenz, Gelassenheit und Humor sind ihm zuwider. | |
| Er schreibt: „Ich sehne mich nach Streit. Nach Gesinnungsfronten in Fragen | |
| der Moral, nach zornigen Gegensätzen in politischer Anschauung. Damit der | |
| Sprung in die Schützengräben des Geistes wieder lohnt, man sich mit | |
| scharfer Argumentation wappnen muss gegen den Angriff der anderen | |
| Überzeugung.“ | |
| Die Künstler heutzutage, verkündete er am 16. Dezember im | |
| Feuilletonaufmacher der Samstagausgabe in der FAZ, seien, anstatt sich um | |
| eine neue emanzipatorische Ästhetik zu kümmern, nur noch jämmerliche | |
| Untergebene des Konsums und der Moralpolitik. Den Denkanstoß zu dieser | |
| kühnen These hat er, wie er kokettierend schreibt, in der rechtsradikalen | |
| Vierteljahreszeitschrift Tumult entdeckt. | |
| ## Als die Tage noch blutig begannen | |
| Nur gut, dass Strauß, der natürlich intelligenter als seine | |
| Schriftstellerkollegen ist, jene „neue emanzipatorische Ästhetik“ bereits | |
| in seinen eigenen Schriften herausgearbeitet hat. So beschwört er in seinem | |
| Prosamanifest „Sieben Nächte“ Schicksalsgemeinschaften, Geheimbünde, | |
| mythologische Verzauberungen, utopische Glutkerne, tiefe Wunden, Schmerz, | |
| Hass, Wut, wehende Deutschlandfahnen, Machtgefühle, erhobene Arme und die | |
| Sehnsucht nach dem großen Neuanfang. | |
| „Immer wenn ich an ein Früher denke“, schreibt Strauß mit glühender Fede… | |
| „mir vorstelle, wie die Tage dort begonnen haben (nicht gleich mit einer | |
| Schusswunde vielleicht, aber wenigstens mit einer blutigen Nassrasur) […] | |
| Immer wenn ich an dieses Früher denke, packt mich der Neid. Weil da so viel | |
| kaputt war, was neu aufgebaut werden konnte. Niemand wünscht sich den | |
| Krieg, aber die Chance des Neuanfangs, der Gründerzeit, der Wunderkinder, | |
| von der darf man doch träumen. Als es noch Gegner gab, echte Feinde.“ | |
| [3][Volker Weidermann], Literaturredakteur beim Spiegel, erkennt, wie viele | |
| andere im deutschen Feuilleton, in diesem mannhaften Geraune ein | |
| „leidenschaftliches, angstfreies, traditionstrunkenes, zukunftsgieriges | |
| Kampfbuch gegen die Abgeklärtheit“. Es sei, so Weidermann, „ein Manifest | |
| für mehr Mut zum Pathos, für Sinnlichkeit, Offenheit, Begeisterung, | |
| Gegnerschaft, Streit und Tränen“. Und Weidermann findet es auch ganz toll, | |
| dass der junge Simon Strauß – der die Ausladung des rechtsnationalen | |
| AFD-Politikers Marc Jongen aus einer Podiumsdiskussion in einem Artikel als | |
| Schädigung des diskursiven Gleichgewichts bezeichnete – im Gegensatz zu | |
| seinen individualisierten Altersgenossen den Streit in der Gemeinschaft | |
| sucht. | |
| Er schreibt: „Vor wenigen Jahren hat Strauß in Berlin einen Salon | |
| gegründet, auch das ein Streitraum, in dem ein fester Kern junger, | |
| kulturell interessierter Menschen sich regelmäßig traf, Schriftsteller, | |
| Philosophen, Journalisten einlud, sie um einen Vortrag bat und dann bis | |
| tief in die Nacht mit ihnen trank und stritt.“ | |
| ## Die „Ultraromantik“ von Elend und Größe | |
| Unerwähnt ließ Weidermann dabei, dass einer dieser „Schriftsteller, | |
| Philosophen und Journalisten“ Götz Kubitschek war. Absicht oder nicht? | |
| Kubitschek ist mehrfach bei Pegida-Demonstrationen als Hauptredner | |
| aufgetreten, vertritt völkische Positionen und gilt als einer der | |
| maßgeblichen Akteure der Neuen Rechten in Deutschland. | |
| Interessant nun, was Kubitschek über diesen Abend im Strauß’schen Salon zu | |
| berichten hat. In seiner hauseigenen Zeitschrift Sezession schreibt er: | |
| „Der Plan sei gewesen, uns – die Rechtsintellektuellen – den Teilnehmern | |
| des ‚Jungen Salons‘ vorzustellen und zugleich auszusetzen. Ein | |
| Impulsreferat sollte in eine Diskussion über unsere metapolitische Haltung | |
| und Denkweise münden.“ | |
| Der Veranstalter des Abends schien ihn jedenfalls voll und ganz verstanden | |
| zu haben – denn Simon Strauß’ „neue emanzipatorische Ästhetik“, die e… | |
| wöchentlich im FAZ-Feuilleton propagiert, ist in Wahrheit die | |
| Verwirklichung der Kubitschek’schen Visionen. Ebenso wie Kubitschek sehnt | |
| sich Simon Strauß nach dem Gegenentwurf, nach Unversöhnlichkeit, nach | |
| echter Trauer und echtem Zorn. Und ebenso wie Kubitschek will Simon Strauß | |
| Geschichte wieder als Schicksal, als Kampf, als Konfrontation und Elend, | |
| als Größe und Zusammenbruch begreifen. | |
| Im britischen Guardian erschien kürzlich ein Artikel mit der Frage, ob die | |
| neue „Ultraromantik“ junger deutscher Schriftsteller der Treibstoff für ein | |
| „antiliberales Denken“ sei. Der prominenteste Vertreter dieser neuen | |
| „Ultraromantik“ ist, laut Guardian, Simon Strauß. Seltsam nur, dass man | |
| sich im deutschen Feuilleton diese Frage nicht gestellt hat. Aber | |
| möglicherweise ist es ja auch so, dass man sich in intellektuellen Kreisen | |
| klammheimlich nach solch einem heimatverbundenen antiliberalen Denken | |
| gesehnt hat. | |
| Man kann nur hoffen, dass Simon Strauß, der im Gewand der Romantik | |
| Pamphlete für die Neue Rechte schreibt, nicht der neue Messias der | |
| deutschen Literatur wird. | |
| 8 Jan 2018 | |
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| [2] http://www.zeit.de/2017/29/sieben-naechte-simon-strauss | |
| [3] /!5388411/ | |
| ## AUTOREN | |
| Alem Grabovac | |
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