# taz.de -- Kolumne German Angst: Die Verkennung der radikalen Rechten | |
> Erst die Buchmesse, jetzt das Arendt Center: Die falsche Deutung | |
> Rechtsextremer als dumme Jungs schlägt um in eine seltsame Faszination. | |
Bild: Warum lädt ein Haus, das nach Hannah Arendt benannt ist, jemanden wie Ma… | |
Der 13. Oktober war ein guter Tag für Marc Jongen. Der AfD-Philosoph, | |
Bundestagsabgeordnete und Ex-Assistent von Peter Sloterdijk war zu Gast auf | |
der Konferenz „Crises of Democracy: Thinking In Dark Times“, wo er vor | |
einem zugewandten Publikum über Populismus sprach. Gastgeber war | |
ausgerechnet das Hannah Arendt Center in New York. | |
Kritik gab es dafür [1][unter anderem von WissenschaftlerInnen] um Étienne | |
Balibar und Judith Butler. Die Debatte dümpelt so vor sich hin. Die Frage | |
war: Warum lädt ein Haus, benannt nach einer jüdisch-deutschen Philosophin, | |
die vor den Nazis floh und unter anderem gegen die Macht rassistischer | |
Ideologie schrieb, jemanden ein, [2][für den Juden eine „Rasse“ sind, | |
Antirassismus eine Form des Rassismus] und Ethnien die Grundlage der | |
Demokratie sind, [3][„teils kulturell, teils genetisch“]? | |
Roger Berkowitz, Direktor des Arendt Centers, [4][erklärte das so]: „I | |
invited him because he struck me as one of the few people involved in the | |
rising illiberal democratic movements who could participate in an | |
intellectual effort to understand the crisis currently plaguing liberal | |
democracies.“ | |
Wie fatal. Wir müssen also jenen, die die Nation als Volkskörper definieren | |
und deren Unterscheidung in Wir und Ihr nicht wenigen lebensgefährlich | |
werden kann, ein Podium geben, um die Krise der Demokratien (rechtes | |
Lieblingsthema!) „zu verstehen“. – Heißt das dann auch, dass MigrantInne… | |
People of Color oder AntifaschistInnen und so weiter sich mit radikalen | |
Rechten austauschen, um Rassismus zu verstehen? – Das erinnert an das | |
Statement der Frankfurter Buchmesse, das den aus den Auftritten der rechten | |
Verlage um Antaios folgenden Übergriffen auf Linke mit der [5][„Vielfalt | |
der Meinungen“] das Wort redete. Blöd nur, dass diese „Vielfalt“ jenen | |
schadet, die auf ebendiese angewiesen sind. | |
Dahinter steht etwas Grundsätzliches: die Verkennung der radikalen Rechten | |
als dumme Jungs oder Bildungsferne, gepaart mit Klassismus – zu erkennen in | |
Berkowitz’ Faszination, unter Rechten „Seinesgleichen“ zu finden. | |
Vielleicht hilft es, die Dinge einfach beim Namen nennen? Die Nation als | |
Volkskörper zu definieren, als Träger der Revolte gegen die liberale | |
bürgerliche Gesellschaft, den Mythos gegen die Universalität zu stemmen, | |
das Verwerfen der Idee von der Gleichheit der Menschen – all das ist | |
grundlegend für die faschistische Ideologie. Und nicht neu. Ernst Jünger, | |
Armin Mohler, Julius Evola, Carl Schmitt – der Buchmessenleitung und dem | |
Arendt Center sind sie bekannt. Jongen ist dagegen ein Küchenphilosoph. | |
Und dennoch ist das die Richtung, aus der der Wind weht. Im Abstreiten der | |
Denktradition ist das Faschistoide und Faschistische der radikalen Rechten | |
– ganz nach Mohler – zu einer Stilfrage geworden, entkoppelt von der | |
Ideologie und ihren Folgen: der Massenvernichtung. | |
Dabei ist es so: Rechte und Sicherheiten sind für Minderheiten auch in den | |
liberalen Gesellschaften gerade erst erkämpft worden. Sie sind keine | |
Selbstverständlichkeit. Dass es dieses Gesellschaftsmodell ist, gegen das | |
Jongen, Kubitschek und Co. so radikal sprechen, muss sie als Dialogpartner | |
obsolet machen. | |
Faschismus ist keine Frage des Stils. Und er ist keine Meinung. | |
7 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.chronicle.com/article/An-Open-Letter-to-the-Hannah/241526?cid=wc… | |
[2] https://www.thueringen24.de/erfurt/article211897767/Rassismusvorwuerfe-gege… | |
[3] https://thebaffler.com/latest/hannah-arendt-center-ganz | |
[4] https://medium.com/@arendt_center/an-open-letter-on-the-hannah-arendt-cente… | |
[5] https://twitter.com/Book_Fair/status/919301977363943425?s=04 | |
## AUTOREN | |
Sonja Vogel | |
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