| # taz.de -- Kolumne German Angst: Jobcenter-Hotline-Bling | |
| > Bei der Agentur für Arbeit gibt es eine Menge Formulare, dafür erreicht | |
| > man fast nie jemanden am Telefon und Antworten auf Fragen bekommt man | |
| > kaum. | |
| Bild: Umständliche Kommunikation wie im 20. Jahrhundert: Das kann die Agentur … | |
| Willkommen bei Ihrer Agentur für Arbeit. Wir bringen Sie weiter!“ Nach dem | |
| elektronischen Tusch wird ausgesiebt. Wählen Sie XY, wenn Sie ein | |
| Aufgegebener sind, Sektion ALG II („auch Hartz IV genannt“), oder YX, falls | |
| sie die Schulz’sche Schonfrist für bienenfleißige ALG-I-lerInnen genießen. | |
| Die Hotline ist der beste Freund der Verzweifelten, vermutlich kann die | |
| Ansage fast jedeR BezieherIn auswendig. | |
| Einen halben Tag hing ich in der Schleife, um mir die Abmeldung aus meinem | |
| ruhenden Bezug bestätigen zu lassen. Genau genommen hing ich nicht einmal, | |
| sondern wurde immer wieder hinausgeworfen. Wegen Überlastung. Tut-tut-tut. | |
| Dann rief ich wieder an. Montag ist ein schlechter Tag, um Dinge mit dem | |
| Amt zu klären. Aber eigentlich ist immer ein schlechter Tag. Man findet | |
| niemanden, der einem auf konkrete Fragen und Probleme eine Antwort geben | |
| kann. Oder darf. | |
| Was also tun, wenn man die Miete nicht überweisen kann, weil kein Geld | |
| angekommen ist? Weil wieder ein unverständlicher Aufhebungs- oder | |
| Änderungsbescheid eingetroffen ist? Was bei falschen Berechnungen? Wenn das | |
| Widerspruchsverfahren gegen Sanktionen Monate dauert? Es gibt keine | |
| Durchwahlen. Wer eineN SachbearbeiterIn zugeteilt bekommen hat, bekommt | |
| eine kryptische E-Mail-Adresse aus Buchstaben und Zahlen. Bloß nicht | |
| persönlich werden! Warum auch? Geantwortet wird sowieso nur in | |
| Ausnahmefällen. | |
| Man muss alles per Post erledigen. Die verschwindet manchmal, manchmal auch | |
| öfters. Und es dauert, bis sie der Akte beiliegt. Bis es dann endlich so | |
| weit ist, und die Callcenter-Mitarbeiter Einsicht nehmen können, gibt es | |
| längst ein neues Problem. | |
| ## Das Haus, das Verrückte macht | |
| Ich habe mal nachgezählt – in einer Handvoll Monate habe ich 17 | |
| Änderungsbescheide mit bis zu zehn Seiten Tabellen bekommen. Manchmal zwei | |
| an einem Tag. Darum steht im Briefkopf statt Name oder Durchwahl die | |
| Uhrzeit: 16:13:41. So präzise kann das Amt. Eine Telefonnummer, über die | |
| BezieherInnen rechtsverbindliche Antworten auf dringende Fragen bekommen, | |
| wäre sicher kostengünstiger. Das Amt sitzt die Probleme seiner KundInnen | |
| aus. So hilft nur: ein Widerspruch. Immer per Einschreiben, weil: s. o. | |
| Immer wieder ist die Intransparenz der Agentur für Arbeit kritisiert | |
| worden. Durchwahlen sind geleakt worden. Das Problem ist nur: Selbst wenn | |
| man die SachbearbeiterInnen erreicht, sie haben auch nur einen kleinen | |
| Zuständigkeitsbereich – die Jobvermittlung. Für alle konkreten Folgen der | |
| Agenda 2010, für Sanktionen und Kürzungen unter das Existenzminimum, für | |
| existenzbedrohliche Geldengpässe, sind sie nicht ansprechbar. | |
| Dafür gibt es eine extra Abteilung, die hat weder Mailadresse noch | |
| Telefonnummer. Wie man sie erreicht? Man bittet via Hotline um Rückruf. | |
| Wenn man durchkommt. Dieser kommt irgendwann, in den nächsten vielen Tagen. | |
| Oder auch nicht. Da hilft nur beten – oder eben einen Brief aufsetzen. Ein | |
| Einschreiben, weil: Sie wissen schon. | |
| Kafkaesk? Absolut. In Asterix’ und Obelix’ „Haus, das Verrückte macht“ | |
| befänden wir uns im Erdgeschoss . . . „Willkommen bei der Agentur für | |
| Arbeit.“ | |
| 4 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sonja Vogel | |
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