| # taz.de -- Chaos am Düsseldorfer Flughafen: Der große Stau vor dem Abflug | |
| > Lange Warteschlangen, gestresste Beschäftigte: Deutschlands drittgrößter | |
| > Flughafen hat zu wenig Personal an seinen Sicherheitsschleusen. | |
| Bild: Protestaktion von Sicherheitskräften am Mittwoch am Düsseldorfer Flugha… | |
| Berlin taz | Endlose Schlangen vor den Sicherheitsschleusen, wegen | |
| Überfüllung geschlossene Flugsteige, genervte Fluggäste, überarbeitete | |
| Kontrolleure, verpasste Flüge: Am Düsseldorfer Flughafen herrscht derzeit | |
| Chaos. Jetzt schlägt das Sicherheitspersonal Alarm. „Ein fehlerfreies | |
| Arbeiten können die Beschäftigten unter diesen Umständen nicht mehr | |
| garantieren“, warnt Verdi-Sekretär Özay Tarim. „In einem so hochsensiblen | |
| Bereich ist das ein Sicherheitsrisiko.“ | |
| Als Colin Schäfer am Samstagmorgen zum Düsseldorfer Flughafen kam, staunte | |
| er nicht schlecht. „Das habe ich noch nie erlebt“, sagt der 42-Jährige. Aus | |
| geschäftlichen Gründen fliege er häufig, aber das sei „wirklich einmalig“ | |
| gewesen. Auf einem Foto, das Schäfer mit seinem Handy gemacht hat, sind die | |
| riesigen Schlangen vor den gerade mal zwei geöffneten Sicherheitsschleusen | |
| zu sehen. | |
| Die Mehrzahl der Schleusen sind geschlossen. Die Stimmung unter den | |
| Wartenden sei sehr angespannt gewesen, da bei etlichen längst das Boarding | |
| begonnen hatte. „Das wurde irgendwann aggressiv“, so der 42-Jährige. Auch | |
| für ihn wurde es verdammt knapp. Nur weil sein Boarding nach hinten | |
| verschoben wurde, konnte er seinen Flieger nach Berlin doch noch bekommen. | |
| Schäfer hat noch Glück gehabt. Erst am vergangenen Sonntag verpassten 28 | |
| Schüler eines Düsseldorfer Gymnasiums ihren Flug ins sizilianische Catania | |
| – und sie sind keine Einzelfälle. „Das kommt zurzeit öfters vor“, sagt | |
| Gewerkschaftssekretär Tarim. Auch berichtet er von mehreren Fluggästen, die | |
| in den langen Warteschlangen bereits kollabiert seien. „Der gegenwärtige | |
| Zustand am Düsseldofer Flughafen ist schlicht unaushaltbar – weder für die | |
| Passagiere noch die Beschäftigten.“ | |
| ## Dramatische Personalengpässe | |
| Schon zu Beginn der nordrhein-westfälischen Schulferien hatte die | |
| Dienstleistungsgwerkschaft Verdi eindringlich auf die dramatischen | |
| Personalengpässe an den Sicherheitsschleusen hingewiesen. Doch auch einen | |
| Monat später hat sich die Situation an Deutschlands drittgrößten Flughafen | |
| nicht entspannt. | |
| Wie bundesweit ist auch in Düsseldorf die Fluggastkontrolle in den 1990er | |
| Jahren privatisiert worden. Es handelt sich zwar nach wie vor hoheitliche | |
| Sicherheitsaufgabe des Staates, die in der Verantwortung der Bundespolizei | |
| liegt. Doch mit der praktischen Umsetzung kann sie private | |
| Sicherheitsunternehmen beauftragen, im Düsseldorfer Fall die Firma Kötter | |
| Aviation Security SE & Co. KG. Die Bundespolizei fordert von dort das | |
| Personal an, was sie für nötig hält, um das Passagieraufkommen zu | |
| bewältigen. Das Problem sind jedoch die langen Vorplanungen. So sorgen seit | |
| Jahren schon nicht nur in Düsseldorf Fehlkalkulationen für fatale Engpässe. | |
| Rund 400 Beschäftigte sind derzeit für Kötter am Düsseldorfer Flughafen | |
| einsatzbereit. „Das sind etwa 70 Kräfte zu wenig“, rechnet | |
| Gewerkschaftssekretär Tarim vor. Statt der empfohlenen Standzeit von zwei | |
| Stunden würden die Mitarbeiter deshalb im Akkord bis zu sechs Stunden | |
| durchkontrollieren – und das reicht in den Stoßzeiten trotzdem nicht. „Das | |
| geht auf Kosten der Sicherheit und der Gesundheit der Mitarbeiter“, ärgert | |
| sich Tarim. Schon jetzt läge der Krankenstand bei 20 Prozent. | |
| In einer internen Mitarbeiterinformation, die der taz vorliegt, räumt | |
| Kötter die „knappe Personaldecke“ ein. Die Bundespolizei habe dem | |
| Unternehmen erst Ende April mitgeteilt, dass mehr Sicherheitskräfte | |
| benötigt würden als ursprünglich kalkuliert. „Ein Zeitpunkt, der uns keine | |
| Möglichkeit mehr bietet, personell mit Neueinstellungen für den Sommer zu | |
| reagieren“, schreibt Kötter. Das müsse „nächstes Jahr anders werden, dam… | |
| wir nicht noch einmal in eine so angespannte Situation geraten.“ | |
| ## Das kann dauern | |
| Etwas umständlicher formuliert es die Bundespolizei: „Aufgrund des | |
| deutlichen Passagierwachstums am Flughafen Düsseldorf, der verschärften | |
| Sicherheitsmaßnahmen im US-Flugverkehr und des derzeitigen | |
| Ferienreiseverkehrs kommt es zeitweise zu Mindergestellungen des | |
| Dienstleisters, der trotz gemeinsamer Kompensationsmaßnahmen nicht | |
| unmittelbar und in Gänze kompensiert werden kann“, antwortete | |
| Hauptkommissarin Andrea Hoffmeister von der zuständigen | |
| Bundespolizeidirektion Sankt Augustin auf taz-Nachfrage. | |
| Das habe aber „keinerlei Auswirkungen auf die Sicherheit der Kontrollen am | |
| Flughafen“. Außerdem stehe die Bundespolizei „in ständigem Austausch mit | |
| allen (Sicherheits-)Partnern am Flughafen Düsseldorf und arbeitet mit allen | |
| Beteiligten daran, die Prozesse am Flughafen zu optimieren“. | |
| Das kann allerdings dauern. Das Problem: Von der Rekrutierung über die | |
| Ausbildung bis zum Einsatz einer Sicherheitskraft dauert es gut ein halbes | |
| Jahr. Und auf anderen Flughäfen eingesetztes Personal kann von dort | |
| momentan nicht „ausgeliehen“ werden, weil es in der Feriensaison überall | |
| knapp ist. | |
| „Bis in den Oktober hinein wird sich die Situation in Düsseldorf nicht | |
| entschärfen“, ist sich Gewerkschaftssekretär Tarim sicher. Daran werde auch | |
| nichts ändern, dass jetzt wohl Kötter angewiesen werden soll, nicht mehr | |
| sechs Kräfte pro Kontrollstrecke einzusetzen, sondern nur noch fünf. Mit | |
| Hilfe der aus den alten Teams abgezogenen Mitarbeitern sollen dann weitere | |
| Sicherheitsschleusen geöffnet werden. „Das ist eine zusätzliche Belastung�… | |
| sagt Tarim. Schon jetzt seien die Beschäftigten „äußerst frustriert und | |
| demotiviert“. | |
| Auf Betriebsversammlungen am Mittwoch und am Donnerstag haben mehr als | |
| einhundert betroffenen Sicherheitsleute nun vereinbart, | |
| „Überlastungsanzeigen“ zu stellen. Mit diesem Instrument aus dem | |
| Arbeitsschutzgesetz können Beschäftigte auf personengefährdende Situationen | |
| aufmerksam machen. „Das bedeutet: Wenn aufgrund der schlimmen Verhältnisse | |
| Fehler passieren, sind die Mitarbeiter rechtlich nicht verantwortlich zu | |
| machen“, erläutert Gewerkschaftsfunktionär Tarim. „Und hier kann jederzeit | |
| etwas passieren.“ | |
| 17 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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