| # taz.de -- CSDs in Sachsen: Menge schafft Mut | |
| > CSDs und Queer Prides in Sachsen haben es nicht leicht. Doch sie wachsen | |
| > und schaffen Räume für Visionen auch in der ländlichen Region. | |
| Bild: Erleichtert: Jonas Loschau, Mitorganisator des CSD in Bautzen am 10. Augu… | |
| Bautzen UND Radebeul taz | Seit einem Jahr achtet Jonas Löschau noch mehr | |
| darauf, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten er in der Stadt unterwegs | |
| ist. Der 24-jährige ist Stadtrat der Grünen im sächsischen Bautzen und | |
| Mitgründer der Jugendgruppe Queernetz. Vergangenes Jahr stellten er und | |
| Mitstreiter*innen zum ersten Mal den CSD in Bautzen auf die Beine. Auch | |
| dieses Jahr war Löschau maßgeblich an der Organisation des CSDs beteiligt, | |
| der vergangenen Samstag in Bautzen stattgefunden hat. Für Löschau ein | |
| Erfolg. „Natürlich sind in der Vorbereitung Leute aus der rechtsextremen | |
| Szene auf mich zugekommen, nachts“, sagt er. „Sie sagten: 'Du organisierst | |
| doch den CSD mit, wir sind da und sorgen dafür, dass es der letzte sein | |
| wird.“ | |
| In der Woche vor dem CSD am 10. August findet eine Aktionswoche statt. Weil | |
| eine Veranstaltung ausfällt, hat Löschau Zeit für ein längeres Gespräch in | |
| Dresden. Sein Handy liegt in Sichtweite, er ist derzeit immer auf Abruf, | |
| hat zahlreiche Interviews gegeben. Löschau ist eloquent, kann seine | |
| politischen Positionen schnell auf den Punkt bringen. | |
| „Weil ich Mandatsträger bin, ist die Aufmerksamkeit für meine Person | |
| größer“, sagt er. „Aber es schützt auch ein Stück weit vor Angriffen.“ | |
| Löschau macht sich Sorgen um die jungen Queers in seiner Stadt. Der CSD | |
| habe Queerness noch mehr zum zentralen Mobilisierungsthema für Rechte in | |
| Bautzen gemacht. Wenn man ihn bedrohe, seien die Konsequenzen größer, da | |
| sich der Staatsschutz dann direkt kümmere. „Wird dagegen eine*r | |
| Jugendliche*r auf der Straße angegriffen, wird manchmal in Zweifel | |
| gezogen, ob das überhaupt ein rechtes Motiv ist“, erklärt er. Viele Leute | |
| hätten deshalb Angst, am CSD teilzunehmen. | |
| ## CSDs von Bautzen bis Zwickau | |
| An mehren Orten im ländlichen Raum Sachsens sind in den vergangenen Jahren | |
| CSD- und Pride-Veranstaltungen entstanden. Seit 2021 gibt es den CSD in | |
| Zwickau. 2022 folgten Frankenberg, Döbeln, Zittau, Görlitz/Zgorzelec, | |
| Riesa, Stollberg sowie Plauen und 2023 dann Weißwasser, Torgau, Bautzen und | |
| Radebeul. Pirna sticht heraus. Dort fand der CSD 2024 bereits zum 13. Mal | |
| statt. Insgesamt 21 CSDs und Prides sind 2024 in Sachsen für die Zeit | |
| zwischen Mai und September angemeldet. | |
| Wie sie entstehen, ist dabei ganz unterschiedlich. In Zwickau wird der CSD | |
| maßgeblich von einer Sozialarbeiterin eines soziokulturellen Zentrums | |
| organisiert. Einige Demos werden aus Parteien mitorganisiert, vor allem aus | |
| Reihen der Linken und Grünen. Manche CSDs existieren als angemeldete | |
| Vereine. Andere sind autonomer unterwegs, wie die Pride in Radebeul. | |
| Am letzten Samstag steht Jonas Löschau auf den Stufen der | |
| Maria-Martha-Kirche in Bautzen und eröffnet den 2. Christopher-Street-Day. | |
| „Dass der CSD mit so vielen Einsatzkräften abgesichert werden muss, ist | |
| eine Schande“, ruft er ins Mikrofon. Das Motto dieses Jahr: „Die | |
| Menschenwürde ist unantastbar, auch in Bautzen“. Das sei ein | |
| Minimalkonsens, sagt Löschau. Kurz zuvor tanzte die Menge zu Popmusik aus | |
| einem der beiden Lautsprecherwagen. Regenbogen- und Antifa-Fahnen, bunte | |
| Regenschirme, Transparente und Schilder sind zu sehen, einige davon auch | |
| auf Sorbisch: Budyšin je queer – Bautzen ist queer. Die Stimmung der | |
| Teilnehmenden ist trotz Tanz und Musik ernster als andernorts. | |
| Bereits bei der Anreise sind viele den in der Stadt herumstreifenden | |
| Gruppen von Rechtsextremen begegnet. Jonas Löschau ruft dazu auf, sich | |
| nicht von rechten Gegendemonstrierenden provozieren zu lassen und | |
| respektvoll mit der Polizei umzugehen. Die Demo sei auf den Schutz durch | |
| die Einsatzkräfte angewiesen. Er mahnt, sich nach dem CSD nicht allein in | |
| der Stadt zu bewegen. | |
| ## Unterstützung von auswärts | |
| Zur Verstärkung sind etwa 200 weitere Menschen aus Dresden, Leipzig und | |
| Berlin angereist. Auch aus Chemnitz und Görlitz gab es gemeinsame Anreisen. | |
| Laute Sprechchöre sind zu hören: „Alle zusammen gegen den Faschismus“. | |
| Damit sich so viele Menschen so sicher wie möglich fühlen, hat Löschau im | |
| Vorfeld auch nicht-queere Verbündete dazu aufgerufen, sich solidarisch zu | |
| zeigen und auf die Straße zu gehen. | |
| Für die Organisator*innen der Queer Pride in Radebeul spielt das | |
| Thema Sicherheit vor rechten Angriffen ebenfalls eine große Rolle. Das | |
| Treffen mit Rée, Jeremy und Noah findet auf einem Spielplatz in der Nähe | |
| des Bahnhofs statt. Räume, um sich zu treffen, haben sie nicht. Da sie in | |
| Radebeul wohnen, möchten sie keine zusätzliche Aufmerksamkeit der Rechten | |
| auf sich ziehen. Darum wollen sie nicht fotografiert werden und ihre | |
| Anonymität wahren. Sie sind 18 und 19 Jahre alt, Jeremy und Noah noch in | |
| der Schule, Rée macht gerade ein FSJ. Auf dem Holztisch, an dem wir sitzen, | |
| klebt ein Sticker der Queer Pride. Auf dem Weg vom Bahnhof hängen einige | |
| Plakate. Das sei der „Mobi-Gruppe“ zu verdanken – oft würden Plakate und | |
| Sticker aber auch direkt abgerissen. | |
| Für Noah war die Queer Pride im letzten Jahr eine der ersten Demos | |
| überhaupt. Die drei verstehen sich als Antifaschist*innen. Für Jeremy und | |
| Noah war die Klimagerechtigkeitsbewegung wichtig in ihrer Politisierung, | |
| für Rée waren es die Anti-Pegida-Proteste vor einigen Jahren. „Ich fand | |
| Antifaschismus irgendwann frustrierend. Vor allem, wenn es darum geht, | |
| einfach nur immer blockieren zu gehen und immer diejenigen zu sein, die | |
| darauf reagieren, was irgendwelche Nazis machen“, sagt Rée. Nachdem Rée | |
| beim ersten CSD in Riesa dabei war, habe sich gezeigt, dass es auch in | |
| Radebeul Verbindungen zwischen queeren und antifaschistischen Kämpfen | |
| brauche, „um sichtbar zu machen, dass es queeres Leben im sächsischen | |
| Hinterland gibt, und uns den Raum zu nehmen.“ Das war auch das Motto der | |
| ersten Pride in Radebeul: Hinterland in queerer Hand. | |
| Für Jeremy ist dabei wichtig, eine Gegenerzählung zu den rechten | |
| Narrativen in Sachsen zu schaffen. Das Problem seien nicht nur | |
| rechtsextreme Gruppen, sondern auch die Aussagen von Politiker*innen | |
| der AfD und Freien Sachsen, die gegen Queers hetzen. Ähnlich sieht es Jonas | |
| Löschau in Bautzen. Rechtsextreme Strukturen vor Ort hätten sich seit den | |
| Wahlerfolgen der AfD und Freien Sachsen bei den Kommunalwahlen deutlich | |
| radikalisiert und an Selbstbewusstsein in ihrem Auftreten im Stadtbild | |
| gewonnen. | |
| ## Mehr Angriffe von rechts | |
| Im Bautzener Kreistag ist die AfD aktuell stärkste Kraft mit 29 Sitzen, | |
| gefolgt von der CDU mit 28 Sitzen. Die Grünen sind mit 5 Sitzen vertreten. | |
| Die Rechtsextremen fühlen sich bestätigt, sagt Löschau. Das schlägt sich | |
| auch in Zahlen nieder: Die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt, | |
| RAA Sachsen, verzeichnet für das Jahr 2023 248 rechtsmotivierte Angriffe, | |
| von denen mindestens 380 Menschen direkt betroffen waren – ein Anstieg von | |
| 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das häufigste Tatmotiv sei dabei | |
| Rassismus, aber auch die Zahl der Angriffe auf LGBTIQ* Personen bleibt | |
| hoch. Aus einer kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Sarah Buddeberg zum | |
| Thema „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung oder | |
| geschlechtlicher Identität der Opfer“ gehen 76 Fälle für das Jahr 2023 in | |
| Sachsen hervor. 2022 waren es 72. | |
| Schon beim Bautzener CSD im Vorjahr war es zu Stör- und | |
| Einschüchterungsversuchen der 350 CSD-Teilnehmenden durch etwa 60 Personen | |
| aus der rechtsextremen Szene gekommen – darunter das rechte Presseteam | |
| „Balaclava Graphics“ und Mitglieder des „Jugendblocks Bautzen“. Das Aus… | |
| der Mobilisierung aus dem ganzen Bundesgebiet in diesem Jahr haben Löschau | |
| und seine Mitstreiter*innen dennoch nicht kommen sehen. Laut Angaben | |
| der Polizei nahmen am Samstag 680 Personen an der rechten | |
| Gegendemonstration teil. Mehr als 1.000 Menschen nahmen am CSD teil. | |
| Die beiden Demonstrationszüge kommen sich am Samstag gefährlich nah: Keine | |
| 200 Meter vom CSD-Startpunkt an der Kirche treffen die CSD-Teilnehmenden | |
| auf die angemeldete Gegenkundgebung am Friedrich-Engels-Platz. Zwischen den | |
| Bäumen des Parks nähern sie sich dem CSD-Zug und bauen sich bedrohlich auf. | |
| In der angrenzenden Lessingstraße werden sie lediglich durch einen schräg | |
| geparkten Pkw der Polizei und einige Beamt*innen zurückgehalten. Viele | |
| der Gegendemonstrierenden sehen extrem jung aus, tragen sportliche schwarze | |
| Sonnenbrillen, viele von ihnen einen strengen Seitenscheitel. Über ihren | |
| Köpfen wehen Reichs- und Deutschlandflaggen und Fahnen mit dem Eisernen | |
| Kreuz. | |
| ## Rechtsextreme mobilisieren aus Dresden | |
| In ihrem Telegramkanal hatten die „Jungen Nationalisten“ (JN), die | |
| Jugendorganisation der rechtsextremistischen Partei „Die Heimat“ (ehemals | |
| NPD), dazu aufgerufen, „einheitlich schwarz gekleidet“ zu kommen. Das ließ | |
| im Vorfeld auf ein hohes Gewaltpotenzial schließen. Die Dresdener | |
| Gruppierung Elblandrevolte ist ein lokaler Stützpunkt der JN und | |
| mobilisierte zum CSD nach Bautzen. Elblandrevolte wird vom sächsischen | |
| Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextrem eingestuft. | |
| Sie gründeten sich im Februar 2024 im Nachgang zu einer | |
| Informationsveranstaltung der JN in Pirna. Am 1. Juni riefen sie zu einer | |
| Störaktion beim Dresdner CSD auf, an der etwa 90 Personen teilnahmen. Dass | |
| sie enge Verbindungen zum „Jugendblock Bautzen“ pflegen und auch an den | |
| sogenannten Montagsprotesten in Bautzen teilnahmen, ist dem | |
| Innenministerium bekannt. All das geht aus einer weiteren Anfrage von Sarah | |
| Buddeberg hervor. Dort schreibt das Innenministerium abschließend von einem | |
| „hohen Aktivierungs- und Mobilisierungsniveau“ von Elblandrevolte. | |
| Der Kern des lokalen Jugendblocks Bautzen ist laut des mobilen | |
| Beratungsteams des Kulturbüros Sachsen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, | |
| die Jüngsten sind unter zehn. Die Gruppe gründete sich 2023 kurz vor dem | |
| ersten CSD in Bautzen. | |
| 200 Einsatzkräfte der Polizeidirektion Görlitz und Bereitschaftspolizei, | |
| teilweise mit Diensthunden unterwegs, trennten den CSD in Bautzen von der | |
| rechten Gegendemonstration, die ihm von der Kundgebung am | |
| Friedrich-Engels-Platz aus folgte. Auch Einsatzkräfte der Bundespolizei | |
| waren vor Ort, jedoch wollten die Behörden diesbezüglich keine Zahlen | |
| nennen. | |
| An vielen Stellen war die Route von Polizeiwannen und Polizist*innen in | |
| voller Montur gesäumt. Trotzdem waren nach Einschätzung der | |
| Presseschutzorganisation Between the Lines zu wenig Einsatzkräfte in | |
| Bautzen. Es hätte verschiedene Situationen gegeben, so bei Ankunft zur | |
| Zwischenkundgebung am Kornmarkt oder zu Beginn am Friedrich-Engels-Platz, | |
| bei denen Rechte die Reihen der Polizei hätten durchbrechen können, wenn | |
| sie es darauf angelegt hätten. Ähnliches bilanziert die Queer Pride Dresden | |
| am Samstagabend auf der Plattform Bluesky. | |
| ## Linke Security-Firma | |
| Jonas Löschau rennt während der Demo viel von A nach B – er kommuniziert | |
| mit der Polizei, hält Rücksprache mit den Ordner*innen und der linken | |
| Security-Firma United, die bereits den letzten CSD zusätzlich abgesichert | |
| hatte. Zwischendurch moderiert er, kündigt Redebeiträge an, spricht mit der | |
| Presse, lässt sich fotografieren. Nur in kurzen Momenten findet er Zeit zum | |
| Tanzen. Als am Reichenturm am Kornmarkt plötzlich eine mehrere Meter lange | |
| Regenbogenfahne weht, jubeln die CSD-Teilnehmenden. | |
| Am Montag danach spricht Löschau gegenüber der taz von einem ganz wichtigen | |
| Zeichen, das durch den CSD nicht nur für Bautzen, sondern für die ganze | |
| Region gesetzt wurde. Er ist erleichtert, dass es zu keinen größeren | |
| Ausschreitungen kam. „Ich bin froh, dass es in den sozialen Medien nebst | |
| der Resonanz auf die Bilder der rechtsextremen Gegendemo auch viele Bilder | |
| vom CSD gibt, die zeigen, dass wir uns von der Drohkulisse nicht | |
| einschüchtern ließen und trotzdem Spaß hatten“, sagt er. Er wünscht sich, | |
| dass diese Message die rechten Proteste überstrahlt. Die Zusammenarbeit mit | |
| der Polizei vor Ort bewertet Löschau insgesamt als positiv. Doch auch er | |
| weiß von einigen brenzligen Situationen. | |
| Dass es keine hundertprozentige Sicherheit auf einer Pride in | |
| Ostdeutschland geben könne, sagt auch Rée aus Radebeul. Rée, Noah und | |
| Jeremy denken über Sicherheit und Polizeischutz etwas anders als die Leute | |
| in Bautzen. Noah ist sich bewusst, dass viele kleine CSDs auf Schutz durch | |
| die Polizei angewiesen sind. Gleichzeitig wirft Noah ein: „Es hat sich aber | |
| schon oft gezeigt, dass man sich auf die Polizei in Sachsen nicht verlassen | |
| kann.“ Es gebe ein Problem mit Rassismus und rechten Strukturen in den | |
| Reihen der Polizei, fügt Rée hinzu. | |
| ## T-Shirts an Straßenlaternen | |
| Auch in Radebeul wird die Pride angemeldet, um das Potenzial zusätzlicher | |
| Repressionen zu minimieren. Um Schutz müsse man sich letztlich aber selbst | |
| kümmern, erklärt Rée. Noch bevor ihre Versammlung im vergangenen Jahr | |
| angemeldet war, kam es zu einem Bannerdrop vom Dach des Supermarktes Rewe | |
| durch die mittlerweile aufgelöste rechte Kameradschaft „Werra Elbflorenz“. | |
| „Hinterland in deutscher Hand“ war auf dem Transparent zu lesen, als | |
| Reaktion auf das Pride-Motto: „Hinterland in queerer Hand“. | |
| Dieses Jahr lautet das Motto in Radebeul „Keep calm and destroy the | |
| patriarchy“. „Ja, sehr hoch gegriffen“, räumt Rée schmunzelnd ein. Ihre | |
| Pride soll antikapitalistisch, antifaschistisch, intersektional sein, das | |
| betonen die drei immer wieder. Noah erklärt, dass man sich damit auch | |
| abgrenzen wolle von Veranstaltungen wie dem CSD in Dresden, der nicht nur | |
| „extrem kapitalistisch“ sei, sondern auch „Nazisecus anstelle“, obwohl … | |
| durchaus auch linke Security-Strukturen wie United gebe. | |
| Die Einschätzung im Vorfeld, dass sich die rechte Mobilisierung auf Bautzen | |
| und nicht auf Radebeul konzentrieren würde, schien sich einen Tag später in | |
| Radebeul zu bestätigen. Es kam am Sonntag zu keinen Störversuchen. Aus | |
| Sicherheitsgründen wurde die Demoroute vorab nicht veröffentlicht. Trotzdem | |
| tauchten entlang der Route in der Nacht zum Sonntag T-Shirts mit | |
| Anti-LGTBIQ-Sprüchen auf, die mit Kleiderbügeln auf circa zwei Meter Höhe | |
| an Straßenschildern befestigt wurden. Teilweise waren sie mit roter Farbe | |
| beschmiert. Insgesamt 28 dieser Shirts konnten Rée und andere vor der Pride | |
| entfernen. | |
| Bei der Pride selbst waren die sächsische Justizministerin Katja Meier vom | |
| Bündnis 90/Die Grünen als auch der SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig | |
| anwesend und hielten Reden. | |
| Zwei Tage zuvor stießen Dulig und Meier zu einer Austauschveranstaltung | |
| zwischen Jugendlichen und Landtagskandidat*innen im Jugend- und | |
| Kulturzentrum „Weißes Haus“ in Radebeul dazu. Das Areal ist weitläufig, | |
| früher waren hier Büroräume der LPG. Heute sind die Fassaden mit Graffitis | |
| besprüht, auf dem Hof gibt es Skaterampen. In einem der Flachdachgebäude | |
| findet die vom Jugendforum des Kreisjugendrings Meißen organisierte | |
| Veranstaltung statt. Politiker*innen aus acht Parteien positionieren | |
| sich zu vorbereiteten Thesen an verschiedenen Ecken des Raums zu Ja-, | |
| Nein-, Vielleicht-Antworten. Dabei kommen sie mit den Jugendlichen ins | |
| Gespräch, die die gleiche Antwort gewählt haben. | |
| ## Mobile Umlandberatung | |
| Es ist der Freitagabend vor dem CSD in Bautzen. Bei einer Frage zum Thema | |
| Jugendarbeit plädiert René Hein von der AfD dafür, dass Jugendarbeit „nicht | |
| zu politisch“ sein dürfe. Die Jugendlichen um ihn herum lenken das Gespräch | |
| auf die Situation in Bautzen und machen stark, dass es sichere Räume für | |
| queere Jugendliche bzw. alle brauche, die nicht ins rechte Weltbild passen. | |
| Katja Meier ist bestürzt über die rechten Mobilisierungen in Bautzen, sagt | |
| sie im Anschluss der taz. Für sie ist der Ausbau von Anlaufstellen für | |
| Queers in den Landkreisen ein politisches Ziel. | |
| Aktuell gibt es in Sachsen das Modell der sogenannten Umlandberatung. | |
| Vereine wie Gerede e. V. in Dresden oder RosaLinde e. V. in Leipzig bieten | |
| mobile Beratung zu queeren Themen in verschiedenen Landkreisen an. Eine | |
| Finanzierung von CSDs erachtet Meier weiterhin notwendig, insbesondere auch | |
| mit Blick auf die Kosten für Sicherheitsvorkehrungen. Allerdings hänge all | |
| das von den politischen Mehrheitsverhältnissen nach der Landtagswahl im | |
| September ab. | |
| Auch Jonas Löschau blickt mit Sorge auf die anstehenden Landtagswahlen. Das | |
| Bündnis Sahra Wagenknecht (BWS) sei in Bezug auf queere Politik schwer | |
| einzuschätzen, sagt er, die Vorsitzende des Bündnisses äußere sich | |
| regelmäßig diffamierend. Eine Regierungsbeteiligung der AfD wiederum könnte | |
| das Wegbrechen der minimalen sozialen Infrastruktur bedeuten. „Ich meine | |
| damit: präventive, offene Jugend- und Sozialarbeit, Streetwork. Es sind | |
| diese Personen in unterbezahlten Stellen, die ganz viele Menschen davor | |
| bewahren, in rechtsextreme Strukturen abzurutschen“, sagt Löschau. „Oft | |
| halten sie den letzten Kontakt, den andere Stellen längst verloren haben.“ | |
| Dass es auf kommunaler Ebene schwierig ist, ist Löschau gewohnt. Wenn jetzt | |
| auch noch die Gelder und Programme vom Freistaat wegbrechen würden, gebe es | |
| ein richtiges Problem. „Queere Menschen im ländlichen Raum wird das stark | |
| betreffen, weil Jugendzentren wie das Steinhaus in Bautzen oft die erste | |
| direkte Ansprechstelle sind.“ | |
| Mit dem CSD in Bautzen geht es Löschau um die Verteidigung der | |
| pluralistischen Demokratie. Nach den erschreckenden Ergebnissen der | |
| Kommunalwahlen habe außer der Radikalisierung Rechter in Bautzen auch eine | |
| Vernetzung der Zivilgesellschaft stattgefunden. Löschau nennt das die | |
| „Jetzt-erst-recht-Bewegung“. Bei den Demos im Januar und Februar sei zu | |
| spüren gewesen, dass es wirklich um etwas gehe. Um den rechten | |
| Montagsprotesten etwas entgegenzusetzen, entstanden die sogenannten „Happy | |
| Mondays“ in Bautzen. Jede Woche gibt es seither Kulturprogramme in der | |
| Stadt. Solche Initiativen stimmen Löschau zuversichtlich. | |
| Gleichzeitig ist es nicht einfach, zivilgesellschaftliche und politische | |
| Strukturen in Orten wie Radebeul und Bautzen aufzubauen, weil viele | |
| Menschen in größere Städte ziehen. An beiden Orten wird die Organisation | |
| von CSD und Pride von wenigen Menschen getragen, die parallel in mehreren | |
| Initiativen aktiv sind. Löschau befürchtet, dass je nach Wahlergebnis im | |
| September noch mehr Menschen Sachsen verlassen könnten. Er selbst will im | |
| Herbst ein Lehramtsstudium beginnen. „Da muss ich mir natürlich überlegen, | |
| ob ich das in einem Land machen will, das potenziell von der AfD und dem | |
| BWS mitregiert wird“. | |
| Between the Lines begleitet seit 2021 freiberufliche Journalist*innen | |
| in Sachsen auf Versammlungen und Demonstrationen. Für ihre ehrenamtliche | |
| Arbeit in der Begleitung vor Ort in Bautzen sowie die Unterstützung in der | |
| Vorbereitung dankt die taz. | |
| 12 Aug 2024 | |
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| Juri Wasenmüller | |
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