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# taz.de -- Queeres Jugendzentrum in Spandau: Gemeinsam queer sein
> Das Jugendzentrum Qu:alle in Spandau bietet jungen, queeren Menschen
> einen geselligen Rückzugsort. Dafür kommen manche Jugendliche extra aus
> Brandenburg.
Bild: Rummikub in der Sofaecke: Jugendliche spielen in der Qu:alle in Berlin-Sp…
Berlin taz | Vor dem Neubau des Treffpunkts Neue 18 in Spandau steht
„stabil“ auf dem Gartenzaun. Von außen sieht man nicht, dass hier in der
Neuendorfer Straße 18 seit April [1][das queere Jugendzentrum Qu:alle]
untergebracht ist. Das soll sich bald ändern, sagt die Sozialpädagogin Lara
Streit. Sie führt durch grün gestrichene Flure, denen man ansieht, dass die
Einrichtung noch nicht lange geöffnet ist.
Im Aufenthaltsraum sieht das schon anders aus, hier gibt es Plakate und
Fähnchen mit [2][queeren Motiven], eine gehäkelte trans Flagge und ein
queeres Tabu-Spiel. Auf dem Sofa sitzen M., Ada, Acheron und Jeffrey the
III. Die Pseudonyme haben sich die Jugendlichen unter großem Gekicher
gerade ausgesucht. Der Name Jeffrey the III. findet sich auch auf dem
Whiteboard unter der Rubrik „Namensvorschläge für den Hai“ – ein
Kuscheltier, das [3][als trans Icon gilt].
Die vier Jugendlichen auf der Couch sind zwischen 15 und 21 Jahre alt,
zugänglich ist die Qu:alle für Menschen von 12 bis 26. M, Ada, Acheron und
Jeffrey the III., die nicht mit ihren richtigen Namen in der Zeitung stehen
wollen, sind oft zu viert hier, die meisten leben in Spandau. Sie wirken
vertraut miteinander und auch mit den Betreuer*innen. Im Hintergrund läuft
Musik, die Jugendlichen witzeln herum, sprechen über Taschengeld, Musik und
Konzerte.
Acheron ist 21 Jahre alt, bevorzugt das nichtbinäre Pronomen they, versteht
sich aber trotzdem als schwul. Zur Qu:alle ist Acheron über eine
Therapeutin gekommen. Acheron war erst wenig angetan von dem Gedanken –
„Jugendzentren sind die Hölle“ –, doch jetzt ist Acheron begeistert:
„Identität und Geschlecht werden hier nicht hervorgehoben, du wirst ganz
normal behandelt. Das bedeutet für mich Akzeptanz.“
## Blöde Kommentare in der Schule
In der Schule hat Acheron blöde Kommentare zu hören bekommen, als die
Mitschüler*innen erfuhren, dass Acheron schwul ist. „Leute fragen mich,
ob ich ihr schwuler bester Freund sein will oder nach meiner bevorzugten
Sexstellung“, erzählt Acheron. In der Qu:alle gebe es so etwas nicht. Hier
können die Jugendlichen einfach sie selbst sein, abhängen, spielen und
quatschen.
In Neue 18 sind verschiedene Projekte unter einem Dach angesiedelt. „Die
Qu:alle ist für mich ein Leuchtturmprojekt für die Gleichzeitigkeit von
Schutzraum für queere Jugendliche und Inklusion in gesamtgesellschaftliche
Räume“, sagt Malte Mühlsteff. Er ist Bereichsleiter von „Queer Leben
ambulante Hilfen und Projekte“ des Trägers Trialog Jugendhilfe.
Für alle Jugendlichen in dem Haus gibt es ein Tonstudio, einen Proberaum,
eine Küche, einen Medienprojektraum, einen Tanzraum, eine Sporthalle, einen
Cafébereich mit Kinooption und eine Werkstatt. Auf einer Etage befindet
sich ein reiner Mädchenbereich. Mädchen und queere Jugendliche haben einen
eigenen Eingang, damit sie ihren Raum erreichen können, ohne durch den
offenen Bereich gehen zu müssen. Auch der Aufzug kommt direkt vor den
Räumen der Qu:alle im zweiten Stock an.
Noah und Felix spielen Kicker. Die beiden Jugendlichen haben sich hier
kennengelernt. „Für mich ist neu, dass die Leute einem so viel
Aufmerksamkeit geben. Wir werden immer gefragt, was wir uns wünschen“, sagt
Felix. Das sei ganz anders als in der Schule. Noah war vorher schon mal in
Mitte in einem queeren Jugendzentrum, die Qu:alle sei jedoch viel näher an
seinem Zuhause. Auch für Felix hat die Qu:alle in Spandau eine Lücke
gefüllt. „Die Gemeinschaft, die ich hier habe, ist für mich der Hauptgrund,
hier zu sein.“
## Mehr Angebote für Queers in Berliner Randbezirken
Die Qu:alle wird vom Senat und dem Bezirk Spandau gefördert. Schwarz-Rot
will die Randbezirke im queeren Bereich besser ausstatten. Die Finanzierung
ist bis Ende nächsten Jahres gesichert. „Uns ist wichtig, dass das Projekt
auch darüber hinaus finanziell abgesichert wird“, sagt Sozialpädagogin Lara
Streit. Die Einrichtung sei schnell gut angenommen worden, der Bedarf für
queere Jugendarbeit in Spandau sei also da. „Die jungen Menschen brauchen
die Gewissheit, dass ihnen dieser Ort erhalten bleibt“, so Streit.
Dem ebenfalls queeren Team der Qu:alle ist eine intersektionale
Perspektive wichtig, bei der Mehrfachdiskriminierungen berücksichtigt
werden. Deshalb auch der Name: eine Mischung aus queer und alle. Außerdem
steckt dahinter die Idee, dass Meerestiere oft queer sind.
Auch nichtqueere Freund*innen sind in der Qu:alle willkommen. „Dabei
geht es uns darum, dass Jugendliche, die sich allein nicht trauen würden
oder sich noch nicht ganz sicher sind, jemanden mitbringen können und sich
auch nicht direkt outen müssen“, erklärt Lara Streit. Man müsse sich auch
nicht sicher sein, wo man sich verortet, um zu kommen. Meist seien vier bis
zehn Besucher*innen da. Viele Jugendliche kommen aus Spandau, aber
manche reisen sogar aus Brandenburg an.
In der Runde wird mittlerweile Rommé gespielt. M. erzählt viel, will aber
auf keinen Fall auf Bildern erscheinen. „Auf meinem Instagram-Profil teile
ich nur Fotos, wo ich total normativ aussehe“, sagt sie. Sie macht sich
Sorgen, dass ihre Freundin Ada zu unvorsichtig ist. Ada nimmt das nicht so
wichtig: „Ich werde sowieso beleidigt, weil ich Schwarz bin. Mir ist egal,
was fremde Menschen über mich sagen.“
## Beratung zu Sorgen und Problemen
„Ich bin sehr christlich aufgewachsen, mein Bruder war der erste, dem ich
etwas erzählt habe. Meine Mutter musste das erst akzeptieren“, sagt Ada
über ihr Coming-out. „Ich habe mich vor meiner Mutter nie geoutet. Ich habe
ihr nur erzählt, ich stehe auf jemanden und als sie nachgefragt hat, einen
Mädchennamen gesagt“, sagt M. Jeffrey hält sich in der Diskussion eher
zurück. „Das ist jedem selbst überlassen“, sagt er. Acheron hat zum 18.
Geburtstag eine Outing-Party gemacht. Eigentlich sollte das aber nicht
nötig sein, findet Acheron.
Neben der offenen Jugendarbeit bietet die Qu:alle auch Beratungsgespräche
an. „Wir sehen uns als erste Anlaufstelle, mit einem niedrigschwelligen
Zugang“, sagt Streit. In der Beratung gehe es viel um
geschlechtsangleichende Maßnahmen und Hormontherapien, aber auch um Themen
wie Mobbing in der Schule und Ausbildung oder Konflikte in Beziehungen.
„Das wichtigste ist, dass Jugendliche einen diskriminierungsarmen Raum
haben und dass sie sich an uns wenden können“, sagt Streit. Anfeindungen
habe es bisher nicht gegeben, auch nicht, wenn sie draußen unterwegs waren.
„Wir merken jedoch, dass die Sichtbarkeit queerer Lebensrealitäten im
Bezirk noch kein Alltag ist.“
## Unsensible Fragen
Unten in der gemeinsamen Küche riecht es nach Gewürzen, auf der
Ablagefläche stehen Töpfe und allerlei Zutaten. Die Qu:alle kocht jeden
ersten Mittwoch im Monat nach den Wünschen der Jugendlichen. Ob sie im
offenen Bereich essen wollen oder in der Qu:alle, bleibt ihnen überlassen.
Ärger habe es mit den anderen Jugendlichen bisher nicht gegeben, manchmal
aber unsensible Fragen zum Geschlecht, sagt Streit. „Wenn wir es
mitbekommen, intervenieren wir in Absprache mit unseren Besucher*innen
und erklären zum Beispiel, dass es auch noch andere Geschlechter gibt.“
Wichtig sei, dass auch alle anderen Angestellten in dem Haus sensibilisiert
sind, um die gesamte Einrichtung zu einem geschützten Raum zu machen.
„Unser Ziel ist, dass die Jugendlichen hier gestärkt werden, um sich
öffentliche Orte anzueignen und dass wir queere Sichtbarkeit ausstrahlen“,
sagt Bereichsleiter Malte Mühlsteff.
Das teilt auch der Einrichtungsleiter Enrico Rogge. „Bisher gab es im
Bezirk viele kleine Projekte als geschlossene Rückzugsräume“, sagt er. Das
sei auch sehr wichtig. „Unsere Einrichtung ist eine Art Upgrade, da hier
zusätzlich noch ein inklusives Umfeld gestaltet werden kann, was den
Transfer in die Gesellschaft erleichtert. Wenn man eine inklusive
Gesellschaft will, braucht es auch inklusive Konzepte.“
4 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.trialog-berlin.de/qualle-die-queere-jugendfreizeiteinrichtung-i…
[2] /Schwerpunkt-LGBTQIA/!t5025674
[3] /Ein-Plueschtier-als-Trans-Ikone/!5954789
## AUTOREN
ulrike wagener
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
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Queer
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