# taz.de -- Autonomes Fahren: Vision, aber keine Utopie | |
> Der Bundestag will bis zum Sommer ein Gesetz zum autonomen Fahren | |
> verabschieden. Busse dürfen künftig ohne Fahrer:innen unterwegs sein. | |
Bild: Auf Teststrecken funktioniert es bereits: Autonom fahrendes Auto | |
BERLIN taz | Für viele ist es eine verheißungsvolle Vorstellung: Am Morgen | |
kommt das eigene Auto automatisch zur Haustür gefahren, statt bei der Fahrt | |
zu steuern, können Nutzer:innen auf dem Weg zum Job Zeitung lesen, und | |
am Ziel angekommen, sucht sich das Fahrzeug selbst einen Parkplatz. Blöd | |
nur, wenn es keinen findet. Dann fährt das Auto möglicherweise stundenlang | |
in der Umgebung herum. | |
Noch ist das [1][autonome Fahren] eine Zukunftsvision, aber es ist | |
keineswegs eine Utopie, sagt Marena Pützschler von der Denkfabrik [2][Agora | |
Verkehrswende], die sich für eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis | |
zum Jahr 2050 einsetzt. „Das Auto wird damit attraktiver, längere | |
Pendelstrecken komfortabler und der Autoverkehr könnte insgesamt zunehmen“, | |
sagt sie. Beim autonomen Fahren steuert ein Computer das – vorzugsweise | |
elektrisch angetriebene – Fahrzeug und ist dabei in ständigem Austausch mit | |
anderen Rechnern. | |
Kameras, Sensoren und Scanner erfassen das Geschehen in der Umgebung, damit | |
der Computer richtig reagiert. An das autonome Fahren knüpfen | |
Politiker:innen und Wissenschaftler:innen große Hoffnungen: Der | |
Verkehr soll sicherer werden, weil technisches Versagen seltener ist als | |
menschliches. Er soll flüssiger und energieeffizienter werden, weil | |
Computer das Verkehrsgeschehen besser erfassen und für ausgewogenes Bremsen | |
und Beschleunigen sorgen. | |
Aber mit der weiterentwickelten Technik allein wird nichts automatisch | |
besser, warnt Pützschler. „Es sind flankierende Maßnahmen nötig, damit | |
automatisierte Fahrzeuge zukünftig einen Beitrag zur Verkehrswende leisten | |
und nicht zu mehr Verkehr führen“, sagt sie. Zum Beispiel Maßnahmen, die | |
verhindern, dass [3][Parkplatz suchende Autos die Straßen verstopfen]. Das | |
könnte die [4][Diskussion über eine Maut] anstoßen. | |
## Autonom fahrende Autos ohne Fahrer:in | |
Noch stehen beim Thema autonomes Fahren technische und rechtliche Fragen im | |
Vordergrund. So ist es auch bei dem Gesetzentwurf aus dem | |
Bundesverkehrsministerium, der nach Angaben der Unionsfraktion Ende März in | |
erster Lesung im Bundestag debattiert und noch vor der Bundestagswahl | |
verabschiedet werden soll. „Mit unserem neuen Gesetz werden wir zum | |
internationalen Vorreiter und machen Schluss mit umständlichen | |
Einzelgenehmigungen“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). | |
Die wichtigste Neuerung: Künftig soll unter bestimmten Umständen das Fahren | |
eines Fahrzeugs ohne Fahrer:in möglich sein. Seit 2017 sind autonom | |
fahrende Fahrzeuge zwar erlaubt, bislang muss aber immer jemand an Bord | |
sein, der oder die notfalls eingreifen kann. | |
Scheuer will, dass ab 2022 autonom fahrende Fahrzeuge in den Regelverkehr | |
übergehen. Das ist ein realistisches Ziel, denn technisch ist das | |
selbstständige, von Computern gesteuerte Fahren zumindest auf festgelegten | |
Strecken mit stets gleichen Zielen längst möglich. Zahlreiche Testprojekte | |
von Verkehrsunternehmen in der ganzen Bundesrepublik belegen das. Sie | |
könnten nach der Gesetzesänderung in den regulären Betrieb gehen. | |
Zwischen Aachen und Wusterhausen/Dosse gibt es nach Angaben des Verbands | |
Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zum Beispiel mehr als 50 Projekte mit | |
autonom fahrenden Bussen. „Wir wissen aus Studien, dass die Menschen das | |
Angebot nutzen möchten“, so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. | |
Verbindungen könnten so enger getaktet, Angebote enorm ausgeweitet werden. | |
Wann das autonome Fahren für Privatleute kommt, ist heute unklar. Nach | |
einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft könnte es ab 2035 beginnen, ab dem | |
Jahr 2050 könnten fünf Prozent der Pkw autonom unterwegs sein. Die | |
Rahmenbedingungen dafür werden aber heute gesetzt. „Das ist ein Prozess, | |
der jetzt startet“, sagt Verkehrsexpertin Pützschler. | |
## Mehr Energieeffizienz könnte verpuffen | |
Eine Frage ist, wie viel Energie die Wagen verbrauchen sollen. Eigentlich | |
sind die fahrer:innenlosen Pkws energieeffizienter als die menschlich | |
gesteuerten. Sie brauchen zwischen vier und zehn Prozent weniger | |
Antriebsenergie, sagt die Wirtschaftsingenieurin. Aber je nach technischer | |
Ausstattung, etwa für Unterhaltungselektronik, wird die Ersparnis teilweise | |
aufgefressen. Das gilt auch, wenn die neuen Möglichkeiten zu mehr und nicht | |
zu weniger Verkehr führen. „Wenn die Zahl der Fahrten um ein bis zwei | |
Prozent zunimmt, sind die Effizienzgewinne weg“, sagt sie. | |
Mit dem Autopiloten an Bord wäre Autofahren für neue | |
Nutzer:innengruppen attraktiv, etwa für ältere Menschen auf dem Land. | |
Das ist wünschenswert. Problematisch aber wäre es, wenn das autonome Fahren | |
dazu führen würde, dass ausgerechnet diejenigen, die Alternativen haben, | |
den Wagen länger und öfter nutzen würden. Denn schon heute leiden | |
Klimabilanz, Städte und Straßen unter [5][viel zu vielen Autos]. | |
„Der Individualverkehr muss weniger werden“, betont Pützschler. Deshalb | |
müssten mit dem autonomen Fahren Modelle des gemeinsamen Nutzens wie | |
Carsharing oder Rufbusse gefördert werden, fordert sie. Auch sei die | |
Einbeziehung in den öffentlichen Nahverkehr wichtig, etwa durch | |
Tarifsysteme, die Abholautos integrieren. Pützschler sagt: „Erst wenn wir | |
Fahrten bündeln, haben wir Fahrten eingespart.“ | |
4 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /E-Mobilitaet-und-Autonomes-Fahren/!5622463 | |
[2] https://www.agora-verkehrswende.de/ | |
[3] /Stadtentwicklungsplan-Verkehr/!5750734 | |
[4] /Verkehr-auf-dem-Land/!5022508 | |
[5] /Verkehrspolitik-und-Mobilitaetswende/!5731276 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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