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# taz.de -- Ausstellung zur „Tödlichen Doris“: Kein echtes Leder im falsch…
> „Wie geht es dir jetzt?“: Eine Ausstellung in Bremen thematisiert die
> Kleiderfrage beim Berliner Punk-Kunst-Kollektiv Die tödliche Doris
> (1980–1987).
Bild: Das verschwundene gelbe Kleid der „Tödlichen Doris“ in einem Super-8…
Ihre Kostüme waren für das Künstlerkollektiv [1][Die Tödliche Doris]
(1980–1987) enorm wichtig. Körper- und identitätslos wie sie als
Kunstfiguren waren, konnte ihre Existenz lediglich anhand ihrer „Klamotten“
wahrgenommen werden. Als „Klamotte“ wurden in der Umgangssprache früher
auch zerbrochene Ziegelsteine oder andere Gesteinsbrocken bezeichnet.
In Berlin, der Heimatstadt der Kunst-Punker Tödlichen Doris, wurde der nach
dem Zweiten Weltkrieg aus Bauschutt entstandene Trümmerberg „Großer
Bunkerberg“ deshalb ebenso „Mont Klamott“ genannt. Gleichzeitig bezeichnet
eine „Klamotte“ ein veraltetes Theaterstück oder einen eher niveaulosen,
derben Schwank in Theater, Film und Fernsehen.
Beide Begriffsbedeutungen passen gut zum Umfeld der Punkbewegung und der
Kunsthochschule in Westberlin, indem sich Die Tödliche Doris Anfang der
1980er etablierte. Gründungsmitglieder waren die Kunststudierenden Wolfgang
Müller, Nikolaus Utermöhlen und Chris Dreier.
Anhand dieser etymologischen Herleitung kann zudem die medienübergreifende
und konzeptuelle Arbeit der Gruppe verdeutlicht werden: Als Band und
Künstler*innenkollektiv bewegte sie sich spielerisch zwischen den Bereichen
Musik, Performance, Video, Malerei, Objektkunst und Literatur.
## Klamotten von Tabea Blumenschein
Die „Klamotten“ der Tödlichen Doris wurden vor allem von Tabea Blumenschein
entworfen – neben Käthe Kruse, Dagmar Dimitroff und vielen anderen war sie
eines der späteren Mitglieder der Gruppe. Bereits in den 1970er Jahren war
Tabea Blumenschein als Schauspielerin, Modedesignerin und Kostümschneiderin
bekannt und entwickelte sich dann zu einem „It-Grrrl der
[2][Genialen-Dilletanten-Szene“] der 80er Jahre.
In der Bremer Galerie K-Strich ist nun die Ausstellung „Wie geht es dir
jetzt?“ zu sehen, die ausgewählte Werke der Tödlichen Doris zeigt. Im
räumlichen und inhaltlichen Mittelpunkt der Ausstellung steht die
„Sesselgruppe Kleid“, Teil der Arbeit „Wie geht es dir jetzt?“ (1991). …
„Sesselgruppe Kleid“ besteht aus drei weißen Aluminiumstühlen, wie sie wo…
auch heute noch häufig in Gartenlokalen zu finden sind.
Auf diesen Stühlen lümmeln ausgestopfte Minikleider, auf jedem Stuhl eines,
zwei rote und ein gelbes. Es handelt sich um ausrangierte Bühnenkostüme der
Performance „Noch 14 Vorstellungen“ (1984–1987), die den Countdown der von
Beginn an eingeplanten Auflösung der Gruppe im Namen trägt.
## Plastikware von der Stange
Diese Kostüme sind keine aufwendig entworfenen Kleider. Vielmehr sehen sie
aus wie Plastikware von der Stange. Klamotten, wie sie in den 1970ern und
1980ern wohl massenhaft produziert wurden. Es heißt, Tabea Blumenschein
habe die Kleider in Berlin auf dem Wochenmarkt am Maybachufer gefunden, der
häufig „Türkenmarkt“ genannt wird.
Ursprünglich seien es vier Kleider gewesen, die Männer steckten sie wie
Hemden in die Hosen. Nun fehlt das zweite gelbe Kleid, doch es taucht
andernorts wieder auf: In einem in New York gedrehten Super-8-Film mit dem
Titel „Eine Frau zur selben Zeit an einem anderen Ort“ (1986) wird es von
einer jungen Frau getragen, in deren Besitz es vielleicht noch heute ist.
Das fehlende Kleid und die leblosen Kleiderhüllen der „Sesselgruppe Kleid“
verdeutlichen die konzeptuelle Entkörperlichung der Tödlichen Doris, die
sich am Ende ihrer Lebensdauer in italienischem Weißwein auflöste. Ihre
kulturkritischen Werke bestehen aus Klang, Musik, Zeit, Raum, Konzept,
Licht, Bewegungen und Performance.
## Die tödliche Doris-Reenactment
So liegt es auf der Hand, dass lediglich eine überschaubare Anzahl von
Kunstobjekten und Installationen in materieller Gestalt existiert. Deren
(Re-)Präsentation stellt immer auch eine Art Nachleben der Tödlichen Doris
dar, ein Reenactment des immateriellen Schaffens des Kollektivs.
Aus seriellen und alltäglichen Dingen wird so etwas Besonderes gemacht,
ohne dass es etwas Besonderes ist. Beispielhaft verdeutlicht das etwa die
Arbeit „Lampe Slip“ (1991), die sich heute in der Sammlung des Schwulen
Museums in Berlin befindet. Über runde Lampenschirmskelette spannen sich
die bunten Bühnenslips von Tabea Blumenschein, Nikolaus Utermöhlen und
Wolfgang Müller.
„An Doris war nichts echt, sollte und konnte nichts echt sein – außer ihre
Uniformierung.“ Müller bezieht sich mit diesem Hinweis auf die
Verweigerungsstrategien der Tödlichen Doris auch auf die grünen
Kunstlederkostüme, die Doris für ihre Trash-Show oder auf dem Frontcover
ihres Albums „Unser Debut“ (1984) trug. Passend hierzu zeigt die Bremer
Ausstellung drei Pfauenfedern. Einzeln.
15 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Mira Nass
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