# taz.de -- Ausstellung über Kolonialausstellung: Menschen zum Anglotzen | |
> Eine Ausstellung über die Kolonialausstellung von 1896 eröffnet in | |
> Berlin. Im Zentrum stehen „Schauspieler“ aus Afrika und der Südsee. | |
Bild: Gruppenbild mit bewegter Geschichte: Die nach Berlin angereisten Herero u… | |
Die Besucher glotzten auf Bismarck Bell wie auf ein Tier im Zoo. Irgendwann | |
reichte es ihm, er kaufte sich ein Opernglas und starrte zurück. Der junge | |
Mann aus Kamerun war einer von 106 „Schutzbefohlenen“ aus den deutschen | |
Kolonialgebieten, die im Jahr 1896 die „Erste Deutsche Kolonialausstellung“ | |
im Treptower Park mit Leben füllen und die Massen anziehen sollten. | |
„Völkerschauen“ waren damals groß in Mode, diese war europaweit die grö�… | |
ihrer Zeit. Sie war Teil der „Berliner Gewerbeausstellung“, die mit 900.000 | |
Quadratmetern noch mehr Fläche hatte als die Pariser Weltausstellung mit | |
dem Eiffel Turm von 1889. | |
Paris war auch das Vorbild für die Berliner Industriellen, Kaufleute und | |
Gewerbetreibenden, doch weil der Kaiser das nicht bezahlen wollte, wurde es | |
nur eine „verhinderte Weltausstellung“. Aber was für eine: Es gab Pavillons | |
für 3.780 Aussteller, ein künstlicher See wurde angelegt (wo heute das | |
Sowjetische Ehrenmal steht), ein eigener Bahnhof gebaut, Tramhaltestellen | |
und Bootsanleger. Firmen wie Siemens oder Borsig zeigten ihre Produkte, der | |
Physiker Wilhelm Conrad Röntgen präsentierte erstmals die später nach ihm | |
benannten Strahlen, der Flieger Otto Lilienthal seine Dampfmaschinen. | |
Neben dem ohnehin opulent ausgestatteten Ausstellungsbereich gab es einen | |
riesigen Vergnügungspark inklusive Restaurants, Cafés und Brauhäusern, | |
„Thierzirkus“, Gondelfahrten, Alpenpanorama, Nachbauten von „Alt-Berlin“ | |
samt Theater. Besonders beliebt beim Volk war wohl das Riesenfernrohr, | |
weshalb darum herum später die Archenhold-Sternwarte gebaut wurde, das | |
einzige Gebäude, was heute von der Ausstellung zeugt. | |
Doch nicht nur die Wirtschaft, auch die noch junge Kolonialmacht wollte | |
zeigen, was sie hatte und konnte. Die Kolonialausstellung wurde daher, im | |
Gegensatz zum Rest, von der Reichsregierung mitfinanziert. Ziel der | |
aufwändigen Inszenierung, für die ganze Dörfer möglichst originalgetreu | |
nachgebaut wurden, war der Welt zu „zeigen, dass Deutschland seinen Beruf | |
zur Kolonialpolitik voll begriffen“ habe, wie der „Amtliche Bericht“ zur | |
Ausstellung ein Jahr später resümierte. | |
Erst wenige Jahre zuvor, 1884/85 hatte man die ersten Gebiete im heutigen | |
Tansania, Kamerun, Namibia sowie auf Papua-Neuguinea erworben, vor allem um | |
die dortigen Handelsniederlassungen besser schützen zu können. „Die | |
deutsche Kolonialpolitik ist in ihrem Grunde wirtschaftlicher Natur“, gibt | |
der erwähnte Bericht unumwunden zu. Mit der Werbeveranstaltung im | |
Treptower Park wollte man das Geschäft in und mit den Kolonien ankurbeln. | |
114 Jahre später sitzt Tahir Della im Büro der Initiative Schwarzer | |
Menschen in Deutschland in Kreuzberg und erklärt, was er heute in Bismarck | |
Bells Geste sieht. „Das war ein kleiner Akt der Widerständigkeit.“ Auch den | |
anderen „Schauspielern“ habe so manches an ihrem Job in Berlin nicht | |
behagt, so Della, oft hätten sie sich ihren Auftraggebern widersetzt. Ihre | |
Geschichten, Namen und Perspektiven stehen im Mittelpunkt einer neuen | |
Dauerausstellung im Museum Treptow, die am kommenden Freitag eröffnet. | |
„Zurückgeschaut“ heißt der Titel – so wie Bell auf die Besucher | |
zurückglotzte und wie wir heute auf diese Geschichte zurückschauen. | |
## Ausgestellte Individualität | |
Damals, so Della, sei es den Ausstellungsmachern darum gegangen, das Leben | |
in den Kolonien authentisch nachzustellen. „Dieses inszenierte Leben bot | |
ein Projektionsfläche für stereotype Vorstellungen der deutschen | |
Bevölkerung.“ Nach dem Motto: Seht her, so leben Wilde, N* oder | |
„Steinzeitmenschen“, wie es im „Amtlichen Bericht“ wiederholt heißt. | |
Die Kuratoren vom Verein Initiative Schwarze Menschen, Berlin Postkolonial | |
und dem Museum Treptow betonen demgegenüber die Individualität der | |
Ausgestellten. Sie haben – so weit es ging – die richtigen Namen der | |
„Schauspieler“ recherchiert, ihre Biografien, ihren weiteren Lebensweg. | |
Nicht wenige blieben hier, nicht wenige engagierten sich hier oder in | |
Afrika für die Belange der Kolonisierten. | |
Die Ausstellung ist als Archiv konzipiert, das alles bislang zugängliche | |
Wissen um diese Personen sammelt – und in Zukunft ergänzt werden kann. | |
Optisch im Zentrum stehen die Porträtfotos der Menschen, die damals | |
angefertigt wurden. Und zwar auf Veranlassung des Anthropologen Felix von | |
Luschan, Direktorialassistent am kurz zuvor gegründeten Völkerkundemuseum, | |
der die 106 Darsteller auch für seine „rassekundlichen“ Forschungen verma�… | |
Dieser Kontext von Rassismus und Kolonialismus – und dem Widerstand dagegen | |
seitens der Kolonisierten – ist der zweite Schwerpunkt der Treptower Schau. | |
Ausgehend von der Kolonialausstellung setzt sie sich kritisch mit dem | |
deutschen Kolonialismus auseinander und dessen Folgen, die für manche bis | |
heute zu spüren sind. Etwa für die Namibier, die noch immer um Anerkennung | |
und Entschädigung für den Genozid durch die Deutschen kämpfen. | |
Diese Themen seien „bisher weitgehend ignoriert worden“ und in Schulen kaum | |
Thema, schreibt Berlin Postkolonial auf Facebook zur Ankündigung der | |
Ausstellung. Die aktuelle Zunahme von Rassismus und Nationalismus sei auch | |
auf diese Versäumnisse zurückzuführen. Daher wünsche man sich sehr, dass | |
andere Städte und Museen mit ähnlichen Projekten nachziehen „und dabei eng | |
mit migrantisch-diasporischen und postkolonialen Initiativen | |
zusammenarbeiten.“ | |
Mehr zum Thema „Koloniales Erbe in Berliner Museen“ lesen Sie am Wochenende | |
in der Printausgabe der taz.berlin – im Abo oder am Kiosk. | |
6 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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