| # taz.de -- Berliner Kolonialgeschichte: 1.000 Orte, mindestens | |
| > Berlin will sich seiner Verantwortung als einstige Hauptstadt des | |
| > Kolonialismus stellen. Zivilgesellschaftliche Initiativen sind von Anfang | |
| > an dabei. | |
| Bild: Zeugen der Vergangenheit: Straßennamen im afrikanischen Viertel | |
| Vielleicht wird diesmal wirklich alles anders. Auf der Pressekonferenz zur | |
| Vorstellung eines neuen erinnerungskulturellen Schwerpunkts, mit dem sich | |
| Berlin seiner Verantwortung als einstige koloniale Hauptstadt stellen will, | |
| sagt Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland am | |
| Freitag etwas sehr Entscheidendes. | |
| Für ihn sei eine [1][Ausstellung des Bezirksmuseums Treptow-Köpenick] zur | |
| ersten deutschen Kolonialausstellung 1896 im Treptower Park „eine | |
| Blaupause“ gewesen. Damals hatte das Museum schon das ganze Konzept fertig; | |
| aber schließlich bat es doch noch die zivilgesellschaftlichen Initiativen | |
| um ihre Meinung. Als deren Einwände und Ergänzungsvorschläge kamen, | |
| entschied das Museum, noch mal von vorn anzufangen. | |
| Diesmal sollen die ExpertInnen, die sich teils schon seit Jahrzehnten damit | |
| befassen, von Anfang an und auf Augenhöhe mitmachen. Die Senatsverwaltung | |
| für Kultur hat ein bundesweit einmaliges Projekt initiiert. Das [2][Land | |
| Berlin] investiert 2 Millionen, die Kulturstiftung des Bundes gibt 1 | |
| Million dazu und das Stadtmuseum zunächst anderthalb Stellen. | |
| Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden die Vereine Berlin Postkolonial, | |
| Each One Teach One und die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland | |
| gemeinsam mit der Stiftung Stadtmuseum und weiteren Museen und Akteuren | |
| Ausstellungen, Festivals, Interventionen im Stadtraum und eine | |
| Webkartierung kolonialer und postkolonialer Orte in Berlin entwickeln. | |
| Kultursenator Klaus Lederer (Linke) spricht von „Exkursionen“ und | |
| „Experimenten“, um die Offenheit der etablierten Institutionen für die | |
| Expertise der Zivilgesellschaft von Anfang zu beschreiben. Paul Spies, | |
| Direktor des Stadtmuseums, der auch für die im September eröffnende | |
| Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum verantwortlich zeichnet, geht noch | |
| weiter und berichtet von „erstaunlichen Erkenntnissen“. | |
| Als Beispiel nennt Spies den Vorschlag der Initiativen, die Webkartografie | |
| zu entwickeln, die über Berlin hinaus bis in die ehemaligen Kolonien | |
| reichen soll. „Das ist keine Gewohnheit in einem Museum“, sagt Spies, auch | |
| wenn es nach seinem Selbstverständnis immer stärker in die Stadt und die | |
| Stadtgesellschaft hineinwirken wolle. „Aber es ist eine Bereicherung.“ In | |
| diesem Kartenwerk sollen am Ende etwa 1.000 Orte verzeichnet sein: vom | |
| Treptower Park bis zum alten Hafen, vom Sfrikanischen Viertel bis zu den | |
| einstigen Kolonialbehörden in der Wilhelmstraße. | |
| ## Konstruktive Atmosphäre | |
| Es ist an diesem Freitagvormittag viel die Rede von der „freundschaftlichen | |
| und konstruktiven Atmosphäre“ in den Gesprächen. Aber über konkrete Pläne | |
| ist bei den Beteiligten nicht viel mehr herauszubekommen. Nur in einem | |
| Punkt sind sich die Beteiligten schon jetzt einig: Das Kapitel des | |
| Kolonialismus selbst muss nicht nur in dieser Stadt, sondern überhaupt | |
| noch gründlich erforscht werden. Es ist seit Jahrzehnten im Vergleich mit | |
| der Aufarbeitung von NS-Zeit, Stalinismus und Post-Stalinismus | |
| unterbelichtet geblieben. Und wo es diskutiert wird, wird es auf das Thema | |
| Rückgabe reduziert. Auch gibt es in der Gesellschaft nach wie vor starke | |
| Widerstände, eine große „Schlussstrichmentalität“, wie Lederer es nennt. | |
| Darüber hinaus sollen die zu erzählenden Geschichten stets Bezüge zur | |
| Gegenwart haben. Globale Ungerechtigkeit, Migration und Klimawandel: all | |
| diese Probleme, die uns derzeit so zentral beschäftigen, wurzeln unter | |
| anderem im Kolonialismus. „Alles muss eigentlich auf die Frage zulaufen, in | |
| welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen“, sagt Tahir Della. | |
| Die Zeichen stehen also gut, dass dieses Projekt eine Art Modell wird, dem | |
| andere folgen werden. „Die Schatten der Vergangenheit, wo ich auch geh, | |
| sind sie nicht weit“: Dieses Zitat der Band Fehlfarben, das Lederers | |
| Sprecher Daniel Bartsch zum Auftakt der Konferenz bemüht, es passt wirklich | |
| ganz gut. | |
| 31 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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