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# taz.de -- Ausreisezentrum in Hamburg: Das Dublin-Zentrum wird kein Knast
> In Hamburg wird eine Unterbringung für Geflüchtete eröffnet, die in einem
> anderen EU-Land registriert wurden. Sie bekommen kein Geld, nur das
> Nötigste.
Bild: Die Mutter aller Dublin-Center: Das Kilmainham Gaol im irischen Dublin. D…
Hamburg taz | Der unscheinbare Bargkoppelweg und der davon abzweigende
Bargkoppelstieg am Rande von Hamburg-Rahlstedt sind immer wieder Schauplatz
von [1][Solidaritätsaktionen] für Geflüchtete. Denn in den ehemaligen
Gewerbehallen an dieser Stelle wurde 2016 die [2][Zentrale Erstaufnahme
(ZEA)] eingerichtet. Rund 1.000 Menschen leben hier, nicht in Zimmern,
[3][sondern in mit Wänden abgetrennten „Kompartiments“], die nach oben
offen sind und so alle Geräusche der Halle durchlassen und kaum
Privatsphäre bieten.
Nun wird weiter an der Zumutbarkeitsschraube gedreht. Menschen, die nach
Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) keinen
Anspruch auf Asyl in Deutschland haben, sollen in die derzeit leer stehende
Halle am Bargkoppelweg 60 einziehen und auf ihre Ausreise warten. Dort
stehen 300 Plätze zur Verfügung, „bis sich die Verfahrensabläufe
eingespielt haben“ sollen es zunächst weniger sein. Es handelt sich um
Personen, die über ein anderes EU-Land eingereist sind und bei denen das
Bamf eine Ausreise in dieses Land für „rechtlich und tatsächlich möglich“
erklärt.
Sie bekommen kein Geld mehr, sondern [4][nur noch „Sachleistungen“] in Form
von Verpflegung, ein Bett mit Trennwand, Heizung und Körperpflege sowie
eine Gesundheitskarte. Und das für zwei Wochen. So steht es [5][in der
Antwort auf eine Anfrage der Linken-Politikerin Carola Ensslen]. Auch für
die Rückreise würden „angemessene Kosten“ übernommen.
## Nur noch Brot, Bett und Seife
Hamburg ist damit [6][neben Brandenburg] das erste Bundesland, das eine
weitere Verschärfung des Asylrechts umsetzt, die die Ampel-Regierung noch
im Oktober als Reaktion auf das Solinger Messerattentat vom August
beschlossen hatte. Der mutmaßliche Täter hätte nach der 2013 beschlossenen
Dublin-III-Verordnung bereits im Vorjahr nach Bulgarien überstellt werden
müssen, was jedoch daran scheiterte, dass die Behörden ihn nicht antrafen.
In Brandenburg und Hamburg sollen nun Pilotmodelle für neue Zentren
entstehen, die solche Rückführungen erleichtern sollen. Außerdem soll es
für alle sogenannten Dublin-Fälle diese „Leistungsaussetzungen“ geben.
Öffentlich wurden [7][die Pläne für das Hamburger „Dublin-Zentrum“] bei
einem Besuch von Innenministerin Nancy Faser (SPD) im Ankunftszentrum
Rahlstedt am 12. Februar. Das [8][Hamburger Abendblatt berichtete], dass
die Menschen dort zusätzlich zu den Sachleistungen einmalig 8,85 Euro für
Hygieneartikel erhalten sollen. Der Sprecher der Innenbehörde betont, dass
es sich aber nicht um eine Haftanstalt handele. Allerdings bekommen die
Geflüchteten eine „Wohnsitzauflage“ für Hamburg und würden zurück in die
Hansestadt geschickt, wenn sie anderswo Leistungen beantragten.
„Die Unterbringung bedeutet nur noch Brot, Bett und Seife“, sagt die
Linken-Politikerin Carola Ensslen zur taz. Sie verweist darauf, dass es
bereits [9][sieben Eilentscheidungen von Sozialgerichten] etwa in
Osnabrück, Speyer, Landhut und Trier gebe, die Leistungsausschlüsse für
rechtswidrig erklärten. Die Hamburger Behörden sehen sich daran aber
offenbar nicht gebunden. „Das halte ich für verfassungswidrig“, sagt die
Juristin Ensslen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stehe
noch aus.
## Bezirk erfährt von den Plänen aus der Presse
[10][Protest] gegen das Vorgehen der Hamburger Innenbehörde kommt nun auch
aus dem Bezirk Wandsbek, in dem die ZEA Rahlstedt liegt. Denn nach
[11][Paragraf 28 des Bezirksverwaltungsgesetzes] muss der Bezirk beteiligt
werden, auch wegen der Auswirkungen auf den Stadtteil. „Wir haben von den
Plänen aus der Presse erfahren, das ist kein Umgang“, sagt der Wandsbeker
Grünen-Fraktionsvorsitzende Justin Orbán. Aus Sicht der Bezirkspolitik
seien viele Fragen offen, etwa, ob auch Minderjährige in der Halle
untergebracht werden sollen und ob es eine maximale Unterbringungsdauer
gebe. Deshalb fordere man das „notwendige Maß an Wertschätzung“ und dass
ein Referent der Innenbehörde in den Hauptausschuss kommt und die Fragen
klärt.
SPD-Fraktionschef Marc Buttler hält es für unrealistisch, dass Menschen nur
wenige Tage oder zwei Wochen im Dublin-Zentrum untergebracht werden. Denn
die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die das System
vereinfachen soll, wird erst 2026 in Kraft treten. Das neue Rahlstedter
Dublin-Zentrum ist hingegen bereits einsatzbereit. „Ich frage mich, ob dort
Menschen über längere Zeit ohne Geld und Perspektive sind und sich
langweilen werden. Wenn das so wäre, dann wäre es kein sinnvolles Konzept“,
sagt Bezirkspolitiker Buttler. Die Innenbehörde habe sich inzwischen zu
einem Gespräch mit den Bezirksgremien bereit erklärt.
Die Innenbehörde ist jedoch der Meinung, dass der Bezirk nicht zwingend
angehört werden müsse, da keine „wesentliche“ Änderung vorliege. „Es w…
ja nur eine vorhandene Reservehalle genutzt“, erklärt ihr Sprecher.
## Kinder sollen nicht dorthin
In Rahlstedt gebe es [12][mit der ZEA bereits gute Bedingungen], „daher
ergeben sich auch keine zusätzlichen Belastungen oder Auswirkungen auf den
Stadtteil“. Im Gegenteil: Die Zahl der auf dem Gelände untergebrachten
Menschen werde sich nicht erhöhen, sondern durch die kürzere Verweildauer
der Dublin-Fälle „perspektivisch verringern“.
Auf die Frage, ob dort auch Familien mit Kindern einziehen sollen, erklärt
die Behörde, dass dort zunächst nur Menschen untergebracht werden sollen,
für die „keine besonderen Unterbringungsbedarfe ersichtlich sind“. Damit
ist gemeint: keine Kinder. Zur Frage, wie lange die Menschen dort höchstens
bleiben sollen, sagt er, es zögen dort nur Personen ein, bei denen die
Ausreise tatsächlich „innerhalb weniger Wochen“ vollzogen werden kann.
„Eine längerfristige Unterbringung ist nicht vorgesehen“, so der
Pressesprecher.
Das Bamf verschicke derzeit die ersten Bescheide an die betroffenen
Geflüchteten. „Ich habe gehört, es geht in diesen Tagen los“, sagt Carola
Ensslen.
10 Mar 2025
## LINKS
[1] /Protest-gegen-Fluechtlings-Erstaufnahme/!5341716
[2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/behoerde-fuer-inner…
[3] /Abschiebezentrum-in-Hamburg-Rahlstedt/!5637272
[4] /Regelung-fuer-Dublin-Faelle/!6062775
[5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/90426/22_18058_einfuehrung…
[6] /Abschiebezentren-fuer-Dublin-Fluechtlinge/!6066894
[7] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2025/02/besuch-hh-…
[8] https://www.abendblatt.de/hamburg/article408414492/deutschlands-erstes-absc…
[9] https://fluechtlingsrat-bw.de/rechtsprechung/sg-darmstadt-kein-leistungsaus…
[10] https://www.abendblatt.de/hamburg/wandsbek/article408398875/fluechtlinge-i…
[11] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-BezVwGHA2006V24P28
[12] /Unter-Kontrolle/!5299523/
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Geflüchtete
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