# taz.de -- Asylpolitik der EU: Brüssel definiert Krise neu | |
> Die EU-Innenminister einigen sich darauf, die Rechte von Flüchtlingen | |
> einzuschränken. Aber Familien sollen nicht in Auffanglager. | |
Bild: Die Krisenverordnung im geplanten Asylpaket gestaltet sich zur Zerreißpr… | |
BRÜSSEL/BERLIN taz | „Höhere Gewalt“, „Massenankünfte“ und | |
„Instrumentalisierung“ – das sind die Fälle, in denen die EU künftig die | |
Rechte Geflüchteter einschränken will. Am Donnerstag [1][berieten die | |
Innenminister die sogenannte „Krisenverordnung“ der EU]. Sie ist ein | |
Element des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS genannt. | |
Unter anderem könnten die Staaten sich im Fall einer „Krise“ mehr Zeit mit | |
der Registrierung der Geflüchteten lassen, sie könnten die Menschen für | |
längere Zeit internieren und die Hürden für Asyl-Schnellverfahren direkt an | |
den Grenzen würden abgesenkt. | |
Schon 2020 hatte die EU-Kommission Vorschläge dafür präsentiert. Zunächst | |
waren nur „Höhere Gewalt“ – also etwa Naturkatastrophen – und | |
„Massenankünfte“ als auslösende Ereignisse vorgesehen. In diesem Jahr kam | |
„Instrumentalisierung“ hinzu: Immer dann, wenn ein Nachbarstaat eine | |
größere Zahl Flüchtlinge schickt oder schleust, um einem EU-Staat zu | |
schaden, sollen die Rechte der Ankommenden beschränkt werden. | |
Hintergrund dafür ist, dass die Türkei, Marokko und Belarus seit 2020 die | |
Grenzen Richtung Griechenland, Spanien und Polen mal länger, mal nur kurz | |
für Flüchtlinge geöffnet hatten, um durch deren Ankünfte politisch Druck | |
aufzubauen. | |
In Gesprächen mit dem spanischen EU-Ratsvorsitz konnte Deutschland am | |
Donnerstag nun offenbar noch einige Verbesserungen durchsetzen. So soll | |
klarer definiert werden, was eine „Krise“ in der Asylpolitik ist. Berlin | |
setzte sich zudem [2][für humanere Aufnahmebedingungen für Asylbewerber] | |
sowie für eine Ausnahme von Familien bei der geplanten Internierung in | |
Auffanglagern ein. | |
## Das heiße Eisen wurde weggeschoben | |
Allerdings war lange unklar, ob diesem Ergebnis auch genug andere | |
EU-Staaten zustimmen können. Österreich und Tschechien hatten die | |
Krisenverordnung abgelehnt, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Seine | |
Skepsis begründete Österreichs Innenminister Gerhard Karner in Brüssel | |
damit, dass „wir in Teilbereichen sehen, dass es zu noch mehr Anziehung | |
kommen könnte“. | |
Die Krisenverordnung ist Teil eines Pakets zur Asyl- und | |
Flüchtlingspolitik, über das die Mitgliedstaaten mit dem Europaparlament | |
verhandeln. Weil die EU-Staaten sich bisher nicht einig waren, hatten die | |
Abgeordneten die Gespräche ausgesetzt. | |
Die Innenminister schoben das heiße Eisen am Donnerstag den EU-Botschaftern | |
zu, die sich in Brüssel zu einer Sondersitzung trafen. Ob dieses | |
ungewöhnliche Verfahren – normalerweise entscheidet der Ministerrat – zu | |
einer Einigung führen würde, blieb am Donnerstagabend zunächst offen. Die | |
Chancen stünden 50:50, sagte ein EU-Diplomat. Optimistischer zeigte sich | |
Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska: „Wir sind sehr nah an | |
einer Einigung“, erklärte er. | |
Wenn die Verständigung gelingt, können die EU-Staaten die Verhandlungen mit | |
dem Europaparlament wieder aufnehmen. Das Parlament steht den deutschen | |
Wünschen aufgeschlossen gegenüber. Mit einer abschließenden Einigung im | |
sogenannten Trilog zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission wird erst in | |
einigen Wochen gerechnet. Faeser und die meisten EU-Innenminister streben | |
eine Verabschiedung noch vor der Europawahl im Juni 2024 an. Damit solle | |
Populisten der Wind aus den Segeln genommen werden, heißt es in Brüssel. | |
Bis die neuen Regeln umgesetzt sind, könnte es bis zu zwei weitere Jahre | |
dauern. | |
28 Sep 2023 | |
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[1] /Streit-um-Krisenverordnung/!5963090 | |
[2] /Krisenverordnung-der-Europaeischen-Union/!5959415 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Christian Jakob | |
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