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# taz.de -- Asylverschärfung in Brüssel: Die Grünen sind erstaunlich still
> Obwohl die Ampelkoalition einer weiteren Verschärfung des EU-Asylrechts
> zustimmen will, bleibt lautstarke Kritik der Grünen aus. Nur einer schert
> aus.
Bild: Annalena Baerbock, Omid Nouripour und Ricarda Lang beim Länderrat in Bad…
Berlin taz | Als im Juni die Bundesregierung der Reform des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems, kurz GEAS, zustimmte, brach in Teilen der Grünen
ein Sturm der Entrüstung los. Vom Ausverkauf grüner Werte war die Rede,
schließlich war die Partei angetreten, die Lage von Geflüchteten zu
verbessern. [1][Sogar die Partei- und Fraktionsvorsitzenden zeigten sich in
der Frage demonstrativ gespalten]. Es brauchte zähe parteiinterne
Verhandlungen und einen kleinen Parteitag in Bad Vilbel, um die Wogen
wieder zu glätten. Das scheint nun anders zu sein.
Seit am Donnerstag die Bundesregierung verkündete, mit der Krisenverordnung
einer weiteren deutlichen Verschärfung des Asylrechts auf europäischer
Ebene zuzustimmen, beibt es bislang bei den Grünen erstaunlich still. Einer
der wenigen, der sich neben einigen Fachpolitiker*innen öffentlich
klar positioniert, ist Timon Dzienus, der Co-Chef der Grünen Jugend.
„Die Krisenverordnung öffnet Tür und Tor für rechte Regierungen in Europa,
wie die Faschisten in Italien, die Rechte der Geflüchteten maximal
zurückzufahren“, sagte Dzienus der taz. Es könne möglich werden, dass alle
Geflüchtete in den Lagern an den Außengrenzen landen oder einfach
durchgewinkt würden. Das bedeute noch mehr Chaos und noch mehr Leid. „Dem
darf die Ampel nicht zustimmen“, forderte Dzienus.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt,
dass Deutschland der Krisenverordnung im Grundsatz zustimme. Annalena
Baerbock, die grüne Außenministerin, trug dies mit. Sie verwies darauf,
dass man noch etliche Punkte in den Text herein verhandelt habe. Welche
Punkte das genau gewesen sein sollen, ließ sie allerdings offen.
## Der Kanzler will Faeser den Rücken stärken
Die [2][Krisenverordnung sieht Sonderregeln für EU-Staaten] an den
Außengrenzen vor, wenn dort besonders viele Migrant*innen ankommen. Eine
Einigung der Innenminister war am Donnerstag an einem weiteren
Verhandlungsbedarf Italiens allerdings gescheitert.
Dzienus, der sonst auch gerne mal die eigenen Leute angeht, kritisierte
besonders Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scharf. Dieser hatte am Mittwoch
[3][mit einem angeblichen Machtwort für Furore gesorgt]. Zwar heißt es von
den Grünen, dass es dieses Machtwort gar nicht gegeben habe, aber Scholz
Message war klar: An Deutschland werde eine Einigung im Brüssler Asylstreit
nicht scheitern.
Nicht nur Dzienus empfand das als Schwächung der deutschen
Verhandlungsposition. Scholz Vorstoß habe innenpolitische Gründe, ist
Dzienus sicher. Der Kanzler wolle Faeser, die bei der Landtagswahl in
Hessen in einer guten Woche als SPD-Spitzenkandidatin antritt, den Rücken
stärken. Dafür das Leid von Geflüchteten in Kauf zu nehmen, sei „schäbig�…
Als sich im Juni die EU-Innenminister auf die umstrittene GEAS-Reform
geeinigt hatten, gab es innerhalb der Grünen noch scharfe Kritik an
Baerbock, die die Entscheidung mitgetragen hatte. Solche Kritik ist bislang
kaum zu hören. Statt dessen heißt es immer wieder, auch von Parteilinken:
Man sehe, dass Baerbock sich stark für Verbesserungen eingesetzt habe.
## Landtagswahlen spielen ebenfalls eine Rolle
Am [4][Wochenende hatte die Außenministerin öffentlich mitgeteilt], dass
die Bundesregierung der Krisenverordnung in der damaligen Form nicht
zustimmen könne. Dies habe neue Bewegung in die Sache gebracht, heißt es.
Auch habe Baerbock parteintern besser kommuniziert als bei GEAS.
Die Grünen haben in den vergangenen Tagen in vielfachen Runden und Chats
über die Lage beraten. An die interne Bitte, die Füße still zu halten, bis
es eine endgültige Entscheidung in Brüssel gebe, halten sich aber bislang
die meisten. Wichtig dürfte dafür nicht nur sein, dass es eine endgültige
Bewertung erst geben kann, wenn die Krisenverordnung wirklich beschlossen
ist.
Aber auch die anstehenden Landtagswahlen spielen dabei natürlich eine
Rolle. Den Wahlkämpfer*innen will man es nicht noch schwerer machen,
als sie es ohnehin haben. Denn, und das ist ein weiterer Grund: Die Grünen
und ihre Positionen stehen stark unter Druck von rechts.
Die Anspannung in der Partei ist groß, das ist in vielen Gesprächen zu
spüren. Manche meinen, man müsse weniger ideologisch, sondern pragmatischer
vorgehen. Andere sind der Ansicht, man müsse viel offensiver progressive
Positionen vertreten. Timon Dzienus sagt: „Vielleicht ist der Unmut sogar
größer als im Juni, weil die Koalition dem Druck von rechts immer mehr
nachgibt.“
29 Sep 2023
## LINKS
[1] /Einigung-der-EU-Innenminister/!5939569
[2] /Asylpolitik-der-EU/!5963104
[3] /Streit-ueber-EU-Asylpolitik/!5963023
[4] /Asylpolitik-in-Deutschland/!5959702
## AUTOREN
Sabine am Orde
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