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# taz.de -- Bundeskongress der Grünen Jugend: „Ricarda, wir zählen auf dich…
> Der Ärger der Grünen Jugend auf die Mutterpartei ist groß – sie fordern
> einen Kurswechsel. Parteichefin Ricarda Lang kommt noch glimpflich davon.
Bild: Alle Hoffnung in Ricarda: Die Grünen-Chefin Lang
Leipzig taz | Knapp anderthalb Tage dauerte der Bundeskongress der Grünen
Jugend schon, als Parteichefin Ricarda Lang in der Rahn-Oberschule in
Leipzig auf die Bühne steigt. Anderthalb Tage lang, in denen sich der
Nachwuchsverband der Grünen gegenseitig versichert hat, was alles schief
läuft. Mit dem Rechtsruck. In der Ampelregierung. Und auch in der eigenen
Partei.
„Ich bin wahnsinnig froh darüber, dass wir nicht zum
Robert-Annalena-Ampel-Fanclub geworden sind“, hat der scheidende
Bundesvorsitzende Timon Dzienus mit Blick auf den Vizekanzler und auf die
Außenministerin gerufen. Im Saal, der eigentlich eine Sporthalle mit
hochgeklapptem Basketballkorb über der Bühne ist, klatschen die
versammelten gut 500 Mitglieder frenetisch. Das Motto des dreitägigen
Bundeskongresses: „Solidarität grenzenlos!“
„[1][Meine Solidarität mit der Ampel ist nicht grenzenlos,] meine
Solidarität mit der Ampel ist am Ende“, hat Noch-Co-Chefin Sarah-Lee
Heinrich in die Halle geschmettert. Und hinzugefügt: „Meine Solidarität mit
der grünen Zurückhaltung ist auch am Ende.“ Auch Heinrich, die gemeinsam
mit Dzienus verabschiedet wird, bekommt dafür donnernden Applaus.
Die Grüne Jugend mit ihren rund 16.000 Mitgliedern steht traditionell links
von den Grünen und der Mutterpartei kritisch gegenüber. Derzeit aber ist
das Verhältnis besonders angespannt. Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit,
Migration – in vielen Themen ist der Nachwuchs mit seiner Partei
unzufrieden. Für die Grüne Jugend ist klar: Die Grünen machen in der
Ampelregierung zu viele Zugeständnisse. Und dass Bundeskanzler Olaf Scholz
mit dem Zitat „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ auf dem Titel
des neuen Spiegels prangt, macht die Stimmung nicht besser.
## Keine Abrechnung mit der Parteichefin
Dann also, es ist schon fast neun am Samstagabend, ist die Parteichefin
dran. Ricarda Lang dankt den beiden scheidenden Vorsitzenden und spricht
vieles an, was hier zuvor bereits gesagt worden ist. Die Solidarität mit
Israel. Wie wichtig Sozialpolitik für die Klimapolitik ist, aber auch im
Kampf gegen rechts. Und dass man in Sachen Migration weg von der Diskussion
von Scheinlösungen müsse, „die hart klingen, aber in der Praxis fast gar
nichts bringen“.
Stattdessen betont Lang die Umverteilung von Geflüchteten auf europäischer
Ebene, den Abbau von Arbeitsverboten, die Unterstützung für die Kommunen.
Dafür bekommt sie Applaus. Eine Abrechnung mit der Parteichefin? Die sähe
anders aus. Eine Debatte mit Lang steht nicht auf der Tagesordnung, nur
eine Erwiderung von Katharina Stolla, eine der beiden gerade frisch
gewählten neuen Vorsitzenden.
Lang, eine Parteilinke, ist – anders als Robert Habeck, Annalena Baerbock
und Co-Parteichef Omid Nouripour, die zum Realo-Lager gehören – eigentlich
eine Verbündete der Grünen Jugend, auch war sie selbst von 2017 bis 2019
Vorsitzende des Nachwuchsverbands. Keine ganz leichte Aufgabe für Stolla
also.
Die startet mit freundlichen Worten, betont aber auch, was die Grüne Jugend
alles falsch findet – besonders beim [2][Thema Migration]: die Zustimmung
der Partei zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS), zur
Krisenverordnung auf europäischer Ebene, zum Migrationspaket, das Habeck
gerade mit Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) verhandelt
hat.
## Lieblingsfeind der Grünen Jugend: Robert Habeck
„Angesichts des Rechtsrucks geht es nicht darum, dass man moralisch
schwierige Entscheidung treffen muss – das ist nicht nur moralisch
fragwürdig, sondern strategisch falsch“, sagt Stolla und der Saal klatscht
begeistert. Es ist ein Seitenhieb gegen Habeck, der eben solche moralisch
schwierige Entscheidungen von seiner Partei gefordert hatte – und der
parteiintern einer der Lieblingsfeinde der Grünen Jugend ist. Zu Lang sagt
Stolla fast beschwörend zum Schluss: „Ricarda, wir zählen auf dich.“
Katharina Stolla, 25, Meterologin aus Hamburg, hatte in ihrer
Bewerbungsrede schon die Migrationsdebatte mit Verve kritisiert und
gefordert: „Europas Grenzen müssen für alle offen sein.“ Eine restriktive
Asylpolitik könne nicht mit der Ausrede durchgehen, dass sie Bauschmerzen
mache, aber angesichts des Rechtsrucks notwendig sei. „Gegen Bauchschmerzen
hilft Iberogast. Gegen den Rechtsruck hilft eine solidarische und soziale
Politik.“ Dafür bekam Stolla 93 Prozent der Stimmen.
Gemeinsam mit ihr steht jetzt Svenja Appuhn, eine 25jährige Medizinerin aus
Hannover, an der Spitze der Grünen Jugend. Sie legte den Schwerpunkt in
ihrer Bewerbungsrede auf die Klimapolitik. „Wer die Klimakrise lösen will
will, muss die Verteilungsfrage stellen“, sagte Appuhn. Und, direkt an
Habeck gerichtet: „Wir erwarten eine Klimapolitik, die die soziale Frage
immer als erstes stellt.“ Dies ist bei Habecks Heizungsgetz bekanntlich
schief gegangen. Für Appuhn stimmten 86,5 Prozent.
Stolla und Appuhn wollen sich weiter für mehr Umverteilung einsetzen und
Klima- und Gewerkschaftsbewegung stärker zusammen bringen, etwa durch
gemeinsame Streiks mit Busfahrer*innen in der Kampagne
„#WirFahrenZusammen“. Die Grüne Jugend beschloss am Wochenende zudem die
Forderung nach einem Ende der Schuldenbremse, höherer Steuern für Reiche
und einen bundesweiten Mietendeckel. [3][Appuhn und Stolla sind die erste
weibliche Doppelspitze der Grünen Jugend seit zwölf Jahren]. Heinrich und
Dzienus, ihre Vorgänger*innen, durften nach zwei Jahren im Amt nicht noch
einmal antreten.
22 Oct 2023
## LINKS
[1] /Gruene-Kritik-an-Aussagen-von-Scholz/!5967782
[2] /Merz-und-Soeder-bei-der-Jungen-Union/!5967784
[3] /Gruene-Jugend-Nachwuchs-ueber-die-Ampel/!5967377
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Grüne Jugend
Ricarda Lang
Ampel-Koalition
Migration
Schwerpunkt Klimawandel
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Asyl
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