# taz.de -- Appell für Waffenstillstand in Gaza: Aufstand gegen Scholz | |
> Über 20 SPD-Abgeordnete fordern mit Kollegen aus den USA und Kanada einen | |
> sofortigen Waffenstillstand. Sie wenden sich damit gegen den Kurs der | |
> Ampel. | |
Bild: Leid auf beiden Seiten – tote Zivilist:innen vor einem Krankenhaus nahe… | |
BERLIN taz | Der Appell ist eindeutig und scharf formuliert: Deutsche, | |
kanadische und US-amerikanische Abgeordnete fordern US-Präsident Joe Biden, | |
den kanadischen Premierminister Justin Trudeau sowie Bundeskanzler Olaf | |
Scholz eindringlich auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza | |
starkzumachen und eine Zweistaatenlösung voranzutreiben. In einem offenen | |
Brief, der der taz vorab in der deutschen Fassung vorliegt, heißt es: „Wir | |
glauben, dass der Preis, die Hamas zu besiegen, nicht die Inkaufnahme des | |
andauernden Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung sein kann. | |
Inzwischen sind auch israelische Geiseln den Angriffen zum Opfer gefallen. | |
Ein erneuter, humanitärer Waffenstillstand ist sofort notwendig.“ | |
Zu den Unterzeichner:innen gehören 20 deutsche Bundestagsabgeordnete | |
der SPD, darunter Ralf Stegner und Aydan Özoğuz, 2 SPD-Abgeordnete im | |
Europäischen Parlament, sowie 20 kanadische Abgeordnete der Neuen | |
Demokratischen Partei sowie der Liberal Party of Canada und 10 | |
US-Abgeordnete der Demokraten. | |
„Wir verurteilen den Terror der Hamas aufs Schärfste und [1][fordern die | |
sofortige Freilassung aller Geiseln]“, sagte die SPD-Abgeordnete Derya | |
Türk-Nachbaur der taz. Sie gehört zu den Initiator:innen des Briefes | |
und ist stellvertretende menschenrechtspolitische Sprecherin der SPD. Der | |
Staat Israel hätte das Recht, sich im Rahmen des Völkerrechts zu | |
verteidigen und gegen künftige Angriffe zu schützen. „Die humanitäre Lage | |
in Gaza ist jedoch katastrophal.“ Über 20.000 tote Zivilistinnen, davon | |
tausende Kinder, könnten „uns nicht unberührt lassen“. | |
Türk-Nachbaur verwies in diesem Zusammenhang auf die Reise in den Nahen | |
Osten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der | |
vergangenen Woche. [2][Baerbock hat bei einem Besuch am ägyptischen | |
Grenzübergang Rafah] eindringlich gefordert, dass humanitäre Hilfe Gaza | |
erreichen müsse, um die schlimmste Not zu lindern. | |
## Zwei-Staaten-Lösung einziger Weg | |
Die andauernden Kampfhandlungen in Gaza ließen [3][keinen Schutzraum mehr | |
für Zivilist:innen in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der | |
Welt zu], heißt es in dem offenen Brief weiter. Zudem warnen die | |
Unterzeichner:innen vor einer drohenden Ausweitung des Kriegs. Die vom | |
Iran unterstützten Huthis feuern Raketen auf Handelsschiffe im Roten Meer, | |
die Hisbollah greift aus dem Süden Libanons Israel an. Die Abgeordneten | |
befürchten verheerende Auswirkungen für die ganze Region, sollten diese | |
Parteien verstärkt in den Konflikt eigreifen. | |
„Die Vision einer Zweistaatenlösung bleibt der einzig gangbare Weg für eine | |
nachhaltige Konfliktlösung.“ Aus Sicht der Abgeordneten kommt Deutschland, | |
USA und Kanada dabei eine Schlüsselrolle zu. Dazu gehört auch, eine | |
„nennenswerte internationale Wiederaufbauhilfe für die zerstörten zivilen | |
Ortschaften in Gaza und Israel bereitzustellen“. „Unsere Regierungen | |
sollten sich für die Einhaltung internationalen Rechts einsetzen und unsere | |
Verbündete für ihre Handlungen in die Verantwortung nehmen“. | |
„Es darf keine Rückkehr zu dem gefährlichen Status quo eines ungelösten | |
Konflikts geben“, sagte die SPD-Abgeordnete Sanae Abdi der taz. Nur eine | |
politische Lösung könne dauerhaft für Frieden und Sicherheit sorgen und | |
Extremisten den Boden entziehen. Abdi übt zudem scharfe Kritik an der | |
israelischen Regierung. „Die Ausweitung der Siedlungen im Westjordanland | |
oder Forderungen nach einer Umsiedlung der Palästinenser sind Verstöße | |
gegen das Völkerrecht, die einer nachhaltigen politischen Lösung im Wege | |
stehen.“ | |
Unmissverständlich machen die Unterzeichner:innen klar, dass sie den | |
Terror der Hamas und den brutalen Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 | |
scharf verurteilen. Sie bezeichnen diesen Angriff als „Zivilisationsbruch | |
aus Mord, Folter, sexualisierter Gewalt und Geiselnahme, der sich gegen | |
unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten, inklusive Kinder, richtete“. | |
## Einseitige Haltung Deutschlands? | |
Doch insbesondere in Deutschland würde zunehmend der Eindruck entstehen, | |
dass sich die Bundesregierung einseitig positioniere. „Deutschland ist mit | |
seiner Haltung in Europa und darüber hinaus ziemlich alleine“, sagte die | |
SPD-Politikerin Isabel Cademartori der taz. Viele hätten hierzulande das | |
Gefühl, dass die deutsche Politik einseitig Stellung beziehe und neben der | |
notwendigen und richtigen Solidarität mit Israel das Leid der Palästinenser | |
ausblende und Israels Vorgehen im Gazastreifen mehr oder weniger kritiklos | |
akzeptiere. Viele Menschen in der Bundesregierung, im Parlament und der | |
Bevölkerung sorgten sich um die Situation vor Ort und versuchten auf | |
verschiedenen Wege im Sinne einer humanitären Lösung positiv Einfluss zu | |
nehmen. | |
„Auch in der Tradition der bisherigen Nahostpolitik der SPD, die immer auf | |
einen Interessensausgleich zwischen den Konfliktparteien ausgerichtet war, | |
möchten wir die dringend notwendige Debatte über den richtigen Kurs | |
anstoßen, die bei unseren transatlantischen Partnern anders als in | |
Deutschland sehr offen geführt wird“, so Cademartori. | |
Der Brief sei aus der SPD-Fraktion heraus entstanden, heißt es. Die | |
Erwartung ist hoch, [4][dass Außenministerin Baerbock sich bei ihren | |
Gesprächen im Nahen Osten für die Forderungen starkmacht.] Denn: „Die | |
Sicherheit und die Zukunft von Israel und Palästina sind untrennbar | |
miteinander verbunden.“ | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Wege-zur-Befreiung-der-Hamas-Geiseln/!5982976 | |
[2] /Drei-Monate-Israel-Gaza-Krieg/!5984870 | |
[3] /Baerbock-in-Aegypten/!5984013 | |
[4] /Baerbock-im-Nahen-Osten/!5983908 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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