| # taz.de -- Aktivist über Initiative in Lüneburg: „Straßenbahnen werden me… | |
| > Brauchen kleine Städte Straßenbahnen? Jonas Korn von der Initiative | |
| > Lünebahn erklärt, wieso die Verkehrswende nur mit großen Forderungen | |
| > gelingen kann. | |
| Bild: Mit solchen Papp-Haltestellenschildern wirbt die Ini an zentralen Punkten… | |
| taz: Die Initiative Lünebahn hat vergangene Woche in Lüneburg | |
| Haltestellenschilder aus Pappe aufgehängt. Warum, Herr Korn? | |
| Jonas Korn: Die Aktion sollte in den öffentlichen Raum hinein wirken und | |
| Öffentlichkeit dafür herstellen, dass eine Straßenbahn eine sinnvolle Sache | |
| für Lüneburg wäre. Durch die Schilder wird sehr anschaulich, dass wirklich | |
| eine Straßenbahn an diesem Ort halten könnte und wo entlang sie verlaufen | |
| könnte. | |
| Warum braucht eine so kleine Stadt wie Lüneburg überhaupt eine Straßenbahn? | |
| Um die Jahrhundertwende hatten sehr viele kleine Städte noch Straßenbahnen. | |
| Bevor die Städte in den 50ern, 60ern und 70ern zu autogerechten Städten | |
| umgebaut wurden, war das sehr üblich. Auch in Lüneburg wurde das | |
| diskutiert. Damals hatte die Stadt weniger als 30.000 Einwohnende. Die | |
| Nachbarstadt Celle war sogar noch kleiner und hat eine Straßenbahn | |
| bekommen. Im Moment gibt es auch international eine [1][Renaissance der | |
| Straßenbahn], zum Beispiel in Frankreich oder Portugal. | |
| Würde es nicht ausreichen einfach mehr Busse auf die Straße zu bringen? Die | |
| können ja auch viele Menschen befördern und brauchen keine extra Schienen. | |
| Wenn man sich den Modal Split für verschiedene Städte anguckt … | |
| Modal Split? | |
| Der Modal Split zeigt an, wie hoch der Anteil an öffentlichem | |
| Personennahverkehr (ÖPNV), Radverkehr, Fußverkehr und PKW-Verkehr in einer | |
| Stadt ist. Und es zeigt sich, dass eigentlich nur Städte mit einem | |
| schienengetragenen ÖPNV zu relevanten ÖPNV-Anteilen kommen. In Lüneburg ist | |
| der Busverkehr absolut untergenutzt. Er hat nur einen Modal-Split-Anteil | |
| von fünf Prozent, obwohl Lüneburg im Vergleich zu anderen Städten in | |
| Niedersachsen einen relativ okayen Busverkehr hat – also eine dichtere | |
| Taktung und ein besseres Netz als der Durchschnitt. | |
| Woran liegt das? | |
| Busse sind an sich nicht so beliebt. Sie sind weniger barrierearm, | |
| schaukeln mehr und sind laut. ÖPNV-Systeme wie Straßenbahnen werden von | |
| breiteren Schichten der Bevölkerung genutzt. In Lüneburg sind es | |
| hauptsächlich Schüler*innen, Rentner*innen und ärmere Menschen, die den | |
| Bus nutzen. Städte mit einem guten ÖPNV, wie zum Beispiel Berlin, haben | |
| eine der besten ModalSplit-Verteilungen. Der PKW-Verkehr ist da nur bei | |
| etwa 25 Prozent, weil der ÖPNV einfach so gut ist, dass es sich nicht lohnt | |
| Auto zu fahren. | |
| Das heißt mehr Schienenverkehr führt zu einer höheren Nutzung von ÖPNV? | |
| Genau. Ein gutes Bussystem kann das auch verbessern, aber die Schiene | |
| scheint auf jeden Fall ein Game-Changer zu sein, der es interessanter für | |
| mehr Leute macht, den ÖPNV zu nutzen. Verkehr auf der Schiene ist schneller | |
| und angenehmer und ist subjektiv und objektiv verlässlicher. | |
| Nimmt so eine Straßenbahn nicht auch viel Platz weg? | |
| Der Verkehrsraum ist immer begrenzt. Wenn man eine Verkehrswende will und | |
| weniger Autos in der Stadt haben will, dann muss man den Platz für Autos | |
| zurückbauen und das Autofahren unattraktiver machen. In Städten wie | |
| Würzburg oder Mainz gibt es an einigen Stellen nur noch Straßenbahn, | |
| Fußgängerzone und einen kleinen Fahrradweg. | |
| Wie lange würde es dauern, so ein Straßenbahnsystem zu bauen? | |
| Solche Projekte dauern schon so zehn Jahre. Aber, wenn wir bis 2030 | |
| Klimaneutralität haben wollen ist vielleicht doch auch eine Beschleunigung | |
| möglich. Es bräuchte dringend eine komplette Kompetenzumverteilung im | |
| gesamten Verkehrsbereich. Die Autobahn GmbH beispielsweise plant mit | |
| tausenden Leuten neue Autobahnen. Die Planer*innen werden eigentlich für | |
| den ÖPNV gebraucht. | |
| Warum soll die von Ihnen geforderte Lünebahn kostenlos sein? | |
| Die Verkehrswende kann nur dann gelingen, wenn sie nicht nur ökologisch, | |
| sondern auch sozial ist. | |
| Also soll die Kommune die Mobilität finanzieren? | |
| Es sind gar nicht so viele zusätzliche Mittel, die – angesichts dessen, was | |
| für den ÖPNV schon gezahlt wird – nötig sind. Man spart ja auch viel, wenn | |
| man keine Kontrolleur*innen und Fahrschein-Automaten mehr braucht. Das | |
| sind niedrige Milliardenbeträge. Außerdem kann schienengetragener ÖPNV eine | |
| Finanzierung durch den Bund bekommen. Dafür muss man einen bestimmten | |
| Nutzen-Kosten-Index vorweisen, also eine bestimmte Anzahl an Menschen, die | |
| das nutzen würden. Der Bund trägt dann 75 Prozent der Kosten der | |
| Straßenbahn. Deshalb ist unsere erste Forderung, dass eine Studie in | |
| Auftrag gegeben wird, die prüft ob eine Straßenbahn in Lüneburg machbar | |
| wäre. [2][In Kiel, wo die Straßenbahn gerade wieder reaktiviert wird], gab | |
| es auch zunächst eine Machbarkeitsstudie. | |
| Sind Sie schon in Kontakt mit der Politik? | |
| Nicht direkt. Aber in Lüneburg wird gerade ein nachhaltig urbaner | |
| Mobilitätsplan erstellt. Da wurde die Idee von verschiedenen Leuten immer | |
| wieder eingebracht. Aber sie wird derzeit noch nicht ernst genommen. | |
| Warum? | |
| Ich glaube das liegt daran, dass es als Projekt zu groß ist, als dass sich | |
| Leute da rantrauen. Wir sehen unsere Aufgabe deshalb erst mal darin, diesen | |
| Denkraum zu öffnen und diese Forderungen ins Spiel zu bringen. Wir haben | |
| auch gemerkt, dass viele die Idee toll finden, aber sie ist eben politisch | |
| nicht einfach umzusetzen und deshalb muss sich in der Bevölkerung erst mal | |
| ein gewisser Druck ergeben, damit sich Leute damit beschäftigen, | |
| Was motiviert Sie sich an so eine große Forderung zu wagen? | |
| Es reicht einfach nicht aus, [3][nur auf Radverkehrsförderung] zu setzen. | |
| Ein Großteil der Menschen kann oder will nicht Rad fahren. Was ist die | |
| Alternative, um viele Menschen zu bewegen, die gerade noch Auto fahren? Der | |
| ÖPNV ist das Rückgrat der Verkehrswende. Wir alle im Team sehen, dass es | |
| die Klimakrise gibt und wir was tun müssen. Und wir müssen mit einem | |
| radikalen Realismus darauf schauen, was notwendig wäre um die Ziele zu | |
| erreichen. | |
| 6 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Betz | |
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