| # taz.de -- Naturschützer*innen lehnen Radweg-Bau ab: Viel Asphalt für wenig … | |
| > Umweltverbände werfen dem Landkreis Lüneburg vor, überflüssige und | |
| > klimaschädliche Radwege zu bauen, nur weil es dafür Fördermittel gibt. | |
| Bild: Der Brockwinkler Weg in Reppenstedt: hier soll ein Radweg gebaut werden | |
| Hamburg taz | Es geht um vier neue Radwege von zweieinhalb Metern Breite, | |
| um fünfeinhalb Kilometer Asphalt und über fünf Millionen Euro Fördermittel | |
| für die Gemeinde Reppenstedt. Die hat etwa 7.500 Einwohner*innen und | |
| liegt ein Stück westlich von Lüneburg. Dass sie viel Geld für den | |
| Radverkehr ausgeben will, stößt bei Umweltschützern auf heftige Kritik. | |
| Entlang der L 216, die aus Richtung Lüneburg nach Kirchgellersen und weiter | |
| nach Salzhausen führt, wurden bereits Bäume für einen dieser Radwege | |
| gerodet. Und das, obwohl der „landschaftspflegerische Begleitplan“ des | |
| Bauprojekts gar noch nicht abschließend geprüft ist. In einem Wäldchen mit | |
| Kiefern und Eichen klafft nun schon eine 200 Meter lange, bis zu neun | |
| Metern breite Schneise. Und auf der anderen Seite der L216 gibt es bereits | |
| einen Radweg. Die Nabu-Kreisgruppe lehne den zusätzlichen Radweg | |
| kategorisch ab, sagt ihr Vorsitzender Thomas Mitschke. Auch die | |
| Regionalgruppe des BUND findet das Vorhaben „völlig überdimensioniert“, so | |
| Vorstand Wolfgang Kreider. | |
| Dieser Ansicht ist auch Nabu-Mitglied Thilo Clavin: „Diese Doppelführung | |
| ist schlicht überflüssig und geht auf Kosten der Natur.“ Der Ur-Lüneburger | |
| fährt nach eigenem Bekunden jährlich über 5.000 Kilometer mit dem Rad, seit | |
| 19 Jahren hat der 60-Jährige kein eigenes Auto mehr. Zur Arbeit ist der | |
| Frührentner stets geradelt, er versteht sich als Alltagsradler, als | |
| Klimaschützer seit Jugendtagen. Und er stellt sich gegen die neuen Radwege. | |
| Das Förderprogramm „Stadt und Land“ fördert im Rahmen des | |
| [1][Klimaschutzprogramms der Bundesregierung] den Neu-, Um- und Ausbau von | |
| Radwegen. Bundesweit gab es knapp 660 Millionen Euro, für Niedersachsen | |
| rund 65 Millionen. Reppenstedt erhielt über fünf Millionen. Das Geld gibt | |
| es für Maßnahmen „mit einer hohen Wirkung“, was die „Verkehrsverlagerun… | |
| weg vom Auto und also den Klimaschutz angeht. Die Investition muss „eine | |
| eigene Bedeutung insbesondere für Berufs- oder Alltagsverkehre“ haben und | |
| „eine positive Prognose hinsichtlich des Verlagerungspotenziales“ | |
| aufweisen. | |
| Genau das treffe in Reppenstedt aber gar nicht zu, wirft Clavin der | |
| Gemeinde vor. So soll etwa eine Verbindungsstraße zwischen Lüneburg und | |
| Reppenstedt einen neuen, parallel geführten und asphaltierten Radweg | |
| erhalten. Nabu und BUND fordern stattdessen, diese „unbedeutende“ Straße in | |
| eine Fahrradstraße umzuwandeln, um „klimaschädliche Neuversiegelungen“ zu | |
| vermeiden. Es herrsche kaum Autoverkehr auf dem Brockwinkler Weg, da es | |
| noch zwei weitere Verbindungsstraßen gebe, zu denen auch die L 216 gehört. | |
| Zudem soll, abgehend von jenem Sträßchen und parallel zu einem Anliegerweg | |
| ein neuer Radweg zum idyllisch gelegenen Pflegezentrum Gut Wienebüttel | |
| entstehen. „Dort könnte der bestehende Kopfsteinpflasterweg einfach | |
| geglättet werden“, sagt Clavin. Auch hier sieht er weder die Relevanz für | |
| den Alltagsverkehr noch ein Potenzial für dessen Verlagerung vom Auto aufs | |
| Rad. | |
| „Absolut überflüssig“, findet auch Nabu-Mann Mitschke das Projekt, er | |
| kritisiert die „massive [2][Flächenneuversiegelung]“ und den „erheblichen | |
| Eingriff in die Natur und das Landschaftsbild“. Die Bauarbeiten würden auch | |
| das Wurzelwerk der Eichen am Wegesrand gefährden. | |
| Samtgemeinde-Bürgermeister Steffen Gärtner sieht dagegen die | |
| Förderbedingungen eingehalten und will mit den neuen Radwegen das | |
| Schulzentrum, den Kindergarten und den Sportpark besser anbinden und | |
| Pendler*innen das Radeln ermöglichen. Reppenstedt liege schließlich in | |
| einer fahrradfreundlichen Distanz von zwei bis drei Kilometern nach | |
| Lüneburg. Den Brockwinkler Weg zur Fahrradstraße zu machen, das lehnt | |
| Gärtner ab: Er findet es „zu gefährlich“, den landwirtschaftlichen mit dem | |
| Auto- und dem Radverkehr zu mischen. | |
| Katrin Holzmann, die Sprecherin des Landkreises, verweist auf die | |
| [3][Vorbildländer Niederlande oder Dänemark]. Es sei geplant, „auf den für | |
| den Radverkehr wichtigen Achsen durch den Ortskern und in die | |
| Nachbarkommunen sichere und hochwertige Radverkehrsanlagen zu schaffen“, um | |
| gerade Kindern und Jugendlichen eine Alternative zum „Elterntaxi“ zu | |
| bieten. Dass gerodet wurde, obwohl der landschaftspflegerische Begleitplan | |
| weiter geprüft werde, sei fachlich durchaus zu begrüßen: „Die | |
| Gehölzarbeiten haben außerhalb der Vegetations- und Brut- und Setzzeit | |
| stattgefunden“, sagt sie. Die Verantwortung liege aber beim Vorhabenträger. | |
| Und der spricht schlicht von einer „forstwirtschaftlichen Maßnahme“. | |
| Florian Mosig, Pressesprecher des Niedersächsischen Verkehrsministeriums, | |
| erklärt, dass die Reppenstedter Anträge „detailliert geprüft“ wurden und | |
| die Kriterien erfüllten. Diese sehen die Asphaltierung aller neuen Radwege | |
| vor, so Mosig. An sich sei es mit diesen Fördermitteln aber auch möglich, | |
| feste Schotterwege zu bauen. Asphaltstraßen würden von Kommunen aber oft | |
| bevorzugt, da sie pflegeleichter seien. „Generell ist Asphaltierung und die | |
| Flächenversiegelung aber kein guter Weg mit Blick auf den Klimawandel“, | |
| sagt Mosig. Wenn möglich, solle Asphalt also vermieden werden. | |
| Umweltschützer Clavin machen genau diese Flächenversiegelung und die | |
| „Überflüssigkeit“ dieser Radwege wütend: „Wenn diese Straßen stark be… | |
| wären, dann hätten die neuen Radwege einen Sinn. Aber hier ist nichts los.“ | |
| Reppenstedt versuche „auf Teufel komm raus“, die Fördergelder zu | |
| „verjubeln“, statt die Radinfrastruktur zu verbessern. | |
| Die Straße von Reppenstedt nach Oedeme auszubauen, findet Clavin hingegen | |
| sinnvoll, da sie ein wichtiger Schulweg sei. Auch die unbefestigte Straße | |
| nach Vögelsen könne man „maßvoll“ für das Rad ausbauen, sagt Kreider vom | |
| BUND. | |
| Um mehr Menschen aufs Rad zu bekommen, sei es „sinnvoller, | |
| klimafreundlicher, billiger und schneller“ bestehende, marode Radwege zu | |
| sanieren, auf Asphalt zu verzichten und Auto- in Fahrradstraßen | |
| umzuwandeln, sagt Clavin. Nun würden 15.000 Quadratmeter neu versiegelt, | |
| „für sinnlose Radwege“. Noch hofft er, dass die Pläne nicht noch mehr Bä… | |
| fordern und keine weiteren „Hitzeinseln“ im Sommer entstehen. | |
| 13 Feb 2023 | |
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| Mareike Andert | |
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