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# taz.de -- Verkehrswende in Hamburg: Der Kfz-Verkehr wird weniger
> Die Hamburger Verkehrsbehörde registriert einen Rückgang des Kfz-Verkehrs
> und einen Anstieg des Fahrrad-Verkehrs. Der Senat will den Trend
> verstärken.
Bild: Mehr Platz für Radverkehr: Auf der Reeperbahn ist die Fahrbahn seit Nove…
Hamburg taz | Zum ersten Mal seit Jahren stagniert die Zahl der in Hamburg
zugelassenen Pkws. Ob das schon als Silberstreif am Horizont der rot-grünen
Verkehrswende gelten kann, ist ungewiss. Mehr Hoffnung macht dem Senat in
dieser Hinsicht der steigende Anteil des Fahrradverkehrs.
Die Verkehrswende ist ein integraler Bestandteil der Hamburger
Klimaschutzstrategie. Um das international vereinbarte Ziel von maximal 1,5
Grad Erderwärmung zu erreichen, müssen auch die Emissionen des Verkehrs,
der in Deutschland knapp 20 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes
ausmacht, unbedingt sinken.
Hamburg hat dafür 2020 die Bezeichnung seiner Behörde für Verkehr um den
Zusatz „und Mobilitätswende“ (BVM) erweitert. Senator Anjes Tjarks (Die
Grünen) hat sich deshalb unter anderem vorgenommen, die Zahl der
Privatautos im Stadtgebiet zu verkleinern.
Neueste Zahlen aus Tjarks' Behörde deuten in diese Richtung: Nach einem
stetigen Anstieg seit 2014 gab es im vierten Quartal 2022 etwas weniger
angemeldete Pkws in Hamburg als im gleichen Vorjahresquartal: 806.060 Pkws
statt 807.618 im Jahr davor – ein Rückgang von 0,2 Prozent. „Im
Wesentlichen sehen wir seit zwei Jahren eine Stagnation beim Bestand der
zugelassenen Autos in Hamburg“, sagt ein Sprecher der Verkehrsbehörde.
Ob der leichte Rückgang nun den Wendepunkt für Hamburg markiert oder ob es
sich nur um statistische Varianz handelt, muss sich erst noch
herausstellen. Immerhin: Im gleichen Zeitraum ist im Nachbarland
Niedersachsen die Zahl der zugelassenen Pkws um fast zwei Prozent
gewachsen. Und die Stagnation folgt auf einen Zuwachs von 75.000 Pkws in
den vergangenen zehn Jahren. Für die Hamburger Verkehrsbehörde ist daher
ein anderer Trend wichtiger, um den Erfolg der Mobilitätswende-Bemühungen
zu bewerten: das tatsächliche Verkehrsaufkommen.
Mit Wärmebildkameras zählt die Behörde im Stadtgebiet Autos und Fahrräder,
um genauere Daten zu erhalten. Und da ist der Trend klarer: Während der
Kfz-Verkehr bis 2019 weitgehend stagnierte, sank die Verkehrsstärke 2020 um
zwölf Prozent und 2021 um acht Prozent – zwei Jahre in Folge.
Die Gründe für diesen Rückgang sind mehrdimensional, denn neben steigenden
Preisen für Autos und Kraftstoffe hat die Hochphase der Coronapandemie die
allgemeinen Mobilität deutlich verringert.
Die Verkehrsbehörde ist jedoch zuversichtlich, dass der gemessene Effekt
langfristig anhalten könnte: „Bemerkenswert dabei ist aus unserer Sicht,
dass das Jahr 2022 gesamtgesellschaftlich schon in Teilen von einer
Normalisierung nach Corona geprägt war“, teilt ihr Sprecher mit. Der
Kfz-Verkehr sei allerdings immer noch auf einem niedrigen Niveau geblieben.
„Wir sehen gegenüber der Vor-Corona-Situation (2019) immer noch ein Minus
von 13 Prozent“.
Eine der wichtigsten Maßnahmen, um diesen Trend aufrechtzuerhalten, dürfte
der [1][Ausbau von alternativen Mobilitätsangeboten] sein. Für Busse und
Bahnen hat der Senat angekündigt, einen [2][Hamburg-Takt einzuführen]: Bis
2030 soll das Bus- und Schnellbahnnetz so ausgeweitet werden, „dass man in
ganz Hamburg innerhalb von fünf Minuten ein Angebot des öffentlichen
Nahverkehrs erreichen kann“.
Darüber hinaus setzt der Senat sehr auf das Fahrrad. Doch während der
öffentliche Nahverkehr in Hamburg mit circa 22 Prozent Anteil am
Gesamtverkehr immerhin auf Platz fünf bundesweit rangiert, sieht es beim
Radverkehr mit circa 15 Prozent für Hamburg nicht ganz so gut aus. In
kleineren Städten wie Münster (44 Prozent), Oldenburg (43 Prozent) oder
Bremen (25 Prozent) werden deutlich mehr Strecken mit dem Rad zurückgelegt.
Doch auch im Vergleich mit den Millionenstädten Berlin und München (je 18
Prozent) schneidet Hamburg nicht gut ab.
Ein Trend macht Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändern könnte: Seit 2017
ist die Zahl der gemessenen Radfahrenden im Mittel jedes Jahr um rund sechs
Prozent gestiegen. Auch bei den Radfahrenden sei ein Corona-Effekt messbar
gewesen, jedoch habe man auch ohne diesen Effekt 2022 Radverkehr auf
Rekordniveau messen können, stellt die Verkehrsbehörde klar.
Durch Ausbau und Renovierung von 53 Kilometern Radweg im Jahr 2022 wolle
die Behörde diesen Effekt noch einmal verstärken. Das sei zwar etwas
weniger als der Höchstwert von 62 Kilometern in 2020, dafür seien schon 61
Prozent der neuen und renovierten Wege vom Kfz-Verkehr geschützte oder
getrennte Radwege.
„Ohne Frage hat sich in den vergangenen Jahren im Radverkehr einiges
getan“, räumt Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken ein. Doch
immer noch gelte, dass in Hamburg trotz der [3][oft schlechten
Rahmenbedingungen] viel Rad gefahren werde. „Fahrradwege, die abrupt enden
oder ohne Vorwarnung in den Straßenverkehr führen, und [4][viel zu wenig
Platz auch auf den vorhandenen Radfahrstreifen] machen das Radfahren nicht
attraktiver“, kritisert Sudmann.
## Lob für die Radwege auf der Reeperbahn
Auch Dirk Lau vom ADFC Hamburg übt Kritik an Anjes Tjarks' Verkehrsbehörde:
„53 sanierte Kilometer sind auf die gesamte Stadt gesehen [5][ein Tropfen
auf den heißen Stein]“, sagt der Sprecher des Fahrradclubs. „Oft wird alte
Infrastruktur aufgehübscht, statt die Straße für eine echte Verkehrswende
von Grund auf umzugestalten.“
Auch beim Ausbau von Fahrradparkplätzen gebe es Nachholbedarf. Am zur
Modernisierung anstehenden Hauptbahnhof seien nun zwar Stellplätze in einer
geschützten Anlage geplant, für einen Bahnhof, an dem täglich Tausende
Pendler:innen verkehrten, sei das aber deutlich unterdimensioniert.
Die Verkehrsbehörde verspricht, hier „ein richtiges Fahrradparkhaus“ zu
entwickeln. Aktuell gebe es dafür zwar noch keinen Zeitplan. „Es werden
aber schon 2023-2024 durch zwei neue Bike-and-Ride-Anlagen erstmals
Mietstellplätze am Hauptbahnhof geschaffen“, verspricht die
Verkehrsbehörde.
Ein wenig Lob gibt es für die Verkehrsbehörde schon jetzt: „Auf der
Reeperbahn wird genau das gemacht, was benötigt wird“, findet Dirk Lau vom
ADFC. Dort hat die Stadt im November 2022 eine Autospur in jeder Richtung
rot angepinselt und in einen Radstreifen umgewandelt. „Aber das sind eben
auch nur 700 Meter, das bräuchten wir auf viel mehr Straßen in der gesamten
Stadt“, kritisiert Lau. Er fordert Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, um
endlich den ersehnten Schwung in die Verkehrswende zu bringen.
3 Feb 2023
## LINKS
[1] /Initiative-fuer-autofreie-Hamburger-City/!5896874
[2] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5805464
[3] /Unfaelle-von-Radfahrern-durch-Fussgaenger/!5855255
[4] /Radfahrstreifen-zwischen-Autospuren/!5815349
[5] /Radschnellnetz-fuer-Hamburg/!5788098
## AUTOREN
Niklas Berger
## TAGS
Verkehrswende
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