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# taz.de -- Streit um Radweg-Bau in Flensburg: Müssen Eichen weichen?
> Flensburg streitet wieder über Bäume: Sie sollen für einen Radweg gefällt
> werden. Der Naturschutzbeauftragte hält das Vorhaben für
> überdimensioniert.
Bild: Beispiel für einen Idealfall, hier in Frankfurt am Main: Bäume und Radw…
Neumünster taz | Mehr Platz für Räder oder Bäume erhalten? Anfang Juli
beschloss die Flensburger Ratsversammlung den Ausbau eines Fahrradwegs
entlang einer Ein- und Ausfallroute mit dichtem Autoverkehr. Die Stadt
verweist auf steigende Zahlen von Radfahrenden und den Plan, ein örtliches
Netz von Velorouten zu schaffen. Anwohnende und der städtische
Naturschutzbeauftragte [1][halten das Projekt für überdimensioniert].
„Bäume sind ein emotionales Thema, besonders hier“, sagt Rathaussprecher
Clemens Teschendorf. In der Stadt wird seit Jahren über [2][ein Wäldchen am
Bahnhof gestritten], auf dem ein Hotel samt Parkhaus entstehen sollte,
[3][das Ende ist noch offen]. Nun erhitzt ein anderes Projekt die Gemüter
in der Stadt an der dänischen Grenze: Es geht um 23 Bäume an der
Einfallstraße Exe, darunter Bergahorne, Robinien, Birken, Linden und
Roteichen, sowie um eine nicht bezifferte Anzahl von Bäumen für einen
weiteren Radweg am südlichen Ende der Stadt.
Von „2.500 Quadratmetern Versiegelung“ spricht der Naturschutzbeauftragte,
Ralph Müller, in einem Offenen Brief für beide Baupläne. Müller vertritt
den örtlichen Naturschutzbeirat, ein ehrenamtlich besetztes Gremium, das
die Untere Naturschutzbehörde der Stadt berät und Beschlüsse von Politik
und Verwaltung kritisch hinterfragt. Den Ausbau des Radwegs an der Exe
nennt Müller „immerhin diskutabel“, den Plan für den Stadtsüden hält er
dagegen für unverhältnismäßig: „Er sollte gänzlich unterbleiben.“
Kritiker*innen der Ausbaupläne bemängeln auch die Kosten: Allein für
den etwa einen Kilometer langen Radweg an der Exe werden laut Flensburger
Tageblatt rund 3,9 Millionen Euro fällig, von denen die Stadt 1,7 Millionen
tragen muss. „Ich befürchte, unsere städtischen Vertreter haben jegliches
Augenmaß verloren“, heißt es in einem Leserbrief der Zeitung.
„Millionensummen und gefällte Bäume für ein paar Meter Fahrradweg, der
nicht besser und schlechter ist als 90 Prozent der Fahrradwege insgesamt.“
## Der ewige Konflikt
Mit dem [4][Konflikt zwischen Rad und Baum] hat Jan Voss ständig zu tun.
„Am liebsten ist uns, wenn es möglich ist, den Raum für Autos zugunsten der
Fahrräder zu beschränken“, sagt der Landesgeschäftsführer des Fahrradclubs
ADFC. „Das betrifft den rollenden, aber vor allem den ruhenden Verkehr –
also Parkstreifen zu Radwegen.“ Auch das gebe beträchtliche Konflikte, weiß
Voss. „Aber wenn wir das Ziel haben, den Autoverkehr mittelfristig
einzuschränken, muss das Angebot an Parkplätzen geringer werden.“
An der Flensburger Exe besteht diese Möglichkeit nicht: Die Straße ist je
einspurig und ohne Parkplätze am Rand. „Wir würden nicht ohne Not Bäume
fällen“, sagt Rathaussprecher Teschendorf. „Aber diese Ecke ist eine der
großen Ausfallstraßen der Stadt, der Verkehr fließt in Richtung Autobahn,
zur dänischen Grenze und zur Bundesstraße 200, da ist richtig viel los, und
wir haben nicht unendlich viel Platz.“
Es gehe darum, den Radfahrenden ein attraktives Angebot zu machen: „Wer auf
dieser Strecke fährt, will nicht Landschaft gucken, sondern schnell von A
nach B.“ Auch Räder mit Anhänger müssten Platz haben, und wer schnell –
etwa mit Elektroantrieb – unterwegs sei, müsse überholen können. Nur wenn
sich Radfahrende zügig und sicher bewegen könnten, gebe es Anreize, das Rad
als Verkehrsmittel in der Stadt einzusetzen, sagt Teschendorf. Als
Ausgleichsmaßnahme werde die Stadt doppelt so viele Bäume pflanzen, wie
gefällt werden. „Und zwar im selben Viertel, nicht irgendwo am Stadtrand“,
betont der Sprecher.
Dass Gemeinden zunehmend die Verkehrssicherheit der Radfahrenden im Blick
haben, begrüßt ADFC-Geschäftsführer Voss. Die lokale Politik folgt damit
der [5][„Radstrategie Schleswig-Holstein“]. Mit ihr soll das landesweite
Radverkehrsnetz nach bestimmten Standards ausgebaut werden – trotz der
Konflikte, die fast zwangsläufig auftauchen, wenn Raum neu geordnet wird.
## Standards für den Ausbau von Wegen
Dabei gehe es nicht darum, den einen „Aspekt gegen den andern
auszuspielen“, heißt es in einer Vereinbarung zum Umgang mit
„Wurzelaufbrüchen in Radwegen“, die die Landesregierung, vertreten durch
Verkehrs- und Umweltministerium, mit Verkehrs- wie Naturschutzvereinen
geschlossen hat. „Im Gegenteil, beide Aspekte, sowohl die klimaschützenden
Bäume als auch das klimaschützende Radfahren sind wichtig und müssen in
jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.“ Auf 20 Seiten legen die
Beteiligten Regeln fest, wie und wann Baumwurzeln gekappt werden sollen.
Über Standards für den Ausbau von Wegen soll in einer zweiten Runde
verhandelt werden.
Aber die Frage, ob ein Weg überdimensioniert oder Standard-gemäß ist,
beantwortet bereits heute die Straßenverkehrsordnung. Die verlangt für
„benutzungspflichtige Einrichtungsradwege“ mindestens 1,50 Meter, möglichst
jedoch zwei Meter. Ist der Weg in beide Fahrtrichtungen geöffnet, sollten
es 2,40 Meter sein. Ausnahmen sind demnach nur „nach sorgfältiger
Überprüfung an kurzen Abschnitten“ möglich.
Aus Sicht des Naturschutzbeauftragten Ralph Müller seien solche Vorgaben
für die Verwaltung praktisch: „Man kann darauf verweisen und muss den
Ressourcenverbrauch und die Schäden nicht vertreten.“ Er schlägt vor, mit
dem Geld besser innerstädtische Wege auszubauen. „Eine derartige
Verbesserung der Radwegeinfrastruktur fände auf bereits versiegelten
Flächen und ohne Gefährdung des Baumbestandes statt.“
6 Sep 2023
## LINKS
[1] https://akopol.wordpress.com/2023/08/05/radwegebau-mit-naturzerstorung/
[2] /Protest-gegen-Abholzung-in-Flensburg/!5741618
[3] /Gericht-stoppt-Hotelbau-in-Flensburg/!5934824
[4] /Naturschuetzerinnen-lehnen-Radweg-Bau-ab/!5914631
[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/R/radverkehr/Downloads/rad…
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Flensburg
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Naturschutz
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