# taz.de -- Abschiebe-Razzien in den USA: Ein eisiger Wind weht durch Chicago | |
> Chicago verstand sich lange als sicherer Ort für Migranten. Doch genau | |
> hier beginnen jetzt die ersten Abschiebeaktionen. Viele Latinos sind in | |
> Panik. | |
Bild: Trump gegen Chicago. Ortskräfte verweigern offenbar die Zusammenarbeit m… | |
Am 12. Mai 2008 stürmten 900 Mitarbeiter der Polizei- und | |
Einwanderungsbehörde ICE im Städtchen Postville, Iowa, eine koschere | |
Fleischverarbeitungsanlage. Sie legten 398 Menschen Handschellen an und | |
brachten sie in Untersuchungshaft. Fast alle der Festgenommenen waren | |
Latinos. Behörden hatten sich über Monate auf die Razzia vorbereitet: zum | |
damaligen Zeitpunkt würde sie als größte Arbeitsplatzdurchsuchung gegen | |
illegal Eingewanderte in die Geschichte der USA eingehen. Nie zuvor seit | |
Gründung der Einwanderungsbehörde nach dem Terror am 11. September 2001 | |
konnte die ICE so viel Erfolg an einem Ort vorweisen. | |
Elf Jahre nach der Razzia veröffentlichten Wissenschaftler der University | |
of Michigan eine Studie mit erstaunlichem Ergebnis: Fast ein Viertel aller | |
Babies von Latina-Müttern, die in den ersten 37 Wochen nach der Razzia auf | |
die Welt gekommen waren, verzeichneten ein niedrigeres Geburtsgewicht als | |
Babies im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Auch das Risiko einer | |
Frühgeburt war bei Latina-Müttern im Vergleich zu anderen Frauen höher. Die | |
Forscher zogen daraus den Schluss: Mütter, die in Stress und Angst vor | |
Abschiebungen leben, bringen kleinere Babies auf die Welt. | |
Am Morgen melden die Nachrichten, Trump erlaube Festnahmen von Migranten | |
jetzt auch in Schulen, Krankenhäusern und Kirchen. In Chicago fällt Schnee. | |
Es sind kleine, harte Flocken, die auf der Haut schmerzen. | |
In der 26th Street im Viertel Little Village, „La Villita“, blicken | |
Schaufensterpuppen in pompösen Brautkleidern und Heiligenstatuen der | |
Jungfrau von Guadalupe auf eine seltsam menschenleere Straße. Viele | |
Geschäfte und Restaurants haben geschlossen. Olman Chaheine, 48, zieht sich | |
an diesem eisigen Januartag seine schwarze Baumwollmütze tiefer ins | |
Gesicht. Vielleicht, sagt er, liege es am Wetter. Ziemlich sicher aber an | |
der Angst. | |
## „Sie haben das Recht, zu schweigen!“ | |
Seit Stunden läuft er von Geschäft zu Geschäft. Sein Ziel: die | |
Geschäftsinhaber über ihre Rechte aufklären. Jetzt betritt Chaheine das | |
„Kafecito“, ein gemütliches mexikanisches Bistro mit handgeschriebener | |
Speisekarte. Wie er selbst ist die Besitzerin Rosa eine Latina, eine ältere | |
Frau mit krausem Haar und einem Blick, der Sorge verrät. Fast alle hier im | |
Viertel sind aus Mexiko eingewandert, in erster, zweiter oder dritter | |
Generation. „Ich bin von der Handelskammer“, stellt er sich vor und zieht | |
ein Din-A4-Poster heraus. | |
Auf dem Poster steht auf Englisch und Spanisch: Jeder Mensch hat das Recht | |
- die eigene Haustür verschlossen zu lassen. Öffnen Sie Ihre Haustür nicht | |
ohne einen gerichtlich unterzeichneten Durchsuchungsbefehl! | |
- zu schweigen. Antworten Sie nicht auf Fragen, auch nicht zu Ihrem | |
Aufenthaltstitel! | |
- auf eine rechtliche Vertretung. Sprechen Sie mit einem Anwalt! | |
- Polizei und die Einwanderungsbehörde (ICE) dürfen Sie anlügen, Ihnen | |
drohen und Sie verunsichern, damit Sie auf Ihre Rechte verzichten. Erfahren | |
Sie Ihre Rechte und verteidigen Sie sich! | |
## Kein Schutz mehr | |
Drei Männer sitzen schweigend auf ihren Plastikstühlen und essen. „El señor | |
presidente“, sagt Rosa hinter einer Plexiglaswand stehend und meint Donald | |
Trump, wollte schon so viele Dinge, die dann nicht eingetreten sind. Warum | |
sollte es nicht auch dieses Mal so sein? Seit 30 Jahren betreibt sie das | |
„Kafecito“, noch länger lebt sie ohne Papiere in den USA. Das „Kafecito�… | |
sei ihr Leben, ihr Zuhause, ihre Existenzgrundlage. Sie fürchtet sich. Aber | |
finanziell kann sie es sich nicht leisten, den Laden geschlossen zu lassen, | |
sagt sie. Chaheine nickt mitfühlend. | |
Die Presse-Agenturen melden an diesem Tag, Ortszeit UTC: | |
13:17 Trump streicht Flüge von Flüchtlingen, die bereits eine | |
Einreiseerlaubnis für die USA hatten. | |
13:23 Das US-Justizministerium will Mitarbeiter regionaler und kommunaler | |
Behörden juristisch verfolgen, wenn sie ihre Mithilfe bei Massenabschiebung | |
verweigern. | |
18:50 Das Pentagon kündigt die Entsendung von 1.500 Soldaten zur | |
Grenzüberwachung an die mexikanische Grenze an. | |
19:05 Das Repräsentantenhaus bestätigt den Entwurf für den „Laken Riley | |
Act“. Bundesbehörden werden verpflichtet, Menschen ohne gültigen | |
Aufenthaltsstatus auch für geringfügige Vergehen wie Ladendiebstahl | |
festzunehmen und abzuschieben. | |
In den USA leben grob geschätzt 14 Millionen Menschen ohne geregelten | |
Aufenthaltsstatus. Etwa 60 Prozent von ihnen haben keine Papiere. Die | |
restlichen 40 Prozent fallen in unterschiedliche rechtliche Kategorien. | |
Die Regierung Biden hat Einwanderern aus von Armut und Konflikten | |
gebeutelten Herkunftsländern einen kollektiven temporären Schutzstatus oder | |
ein humanitäres Visum gewährt. Andere, die als Minderjährige in die USA | |
einwanderten, warten seit Jahren auf die Genehmigung ihrer | |
Staatsbürgerschaft. Weitere 2,6 Millionen beantragte Asylanträge stehen | |
noch aus. [1][All diese Menschen sind jetzt von einer Abschiebung bedroht]: | |
nur weiß niemand so recht, in welchem Maße und in welcher Reihenfolge. | |
## Die Drohung ist real | |
Für seine zweite Amtszeit hat Donald Trumps das größte Abschiebeprogramm in | |
der Geschichte der Vereinigten Staaten angekündigt, „weil sonst kein Land | |
mehr übrig bleibt“. Kaum jemand von den Betroffenen zweifelt am Ernst | |
dieser Drohung. | |
Für Millionen Migranten war Chicago ein Ort der Hoffnung auf ein besseres | |
Leben, auf Glück. In diesen Tagen gibt es viele Mütter, die um das | |
Schicksal ihrer Kinder bangen, und viele Kinder, die Angst haben, ihre | |
Eltern zu verlieren. | |
NGOs, Aktivisten und Lokalpolitiker haben sich seit Monaten auf das | |
eingestellt, was kommen könnte. Als der Ernstfall eintritt, sind sie | |
vorbereitet. Chicago, hatte der „[2][Grenzzar“ Tom Homan] mit | |
Siegesgewissheit gesagt, soll Ground Zero für die geplanten Abschiebungen | |
werden. | |
Ein Drittel der Einwohner in der Stadt sind Latinos. Und so gut wie jeder | |
Latino hat Familie oder Freunde, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in | |
den USA leben. Sie arbeiten auf dem Bau, in Restaurantküchen, als | |
Taxifahrer oder Putzkräfte, haben in diesem Land Kinder auf die Welt | |
gebracht. Trump hat lateinamerikanische Migranten Vergewaltiger, Mörder und | |
Diebe genannt. Trotzdem haben viele von ihnen bei den | |
Präsidentschaftswahlen für ihn gestimmt. | |
## Chicago ist eigentlich eine sichere Zufluchtsstätte | |
Der Bürgermeister Brandon Johnson ist der Regierung ein Dorn im Auge. Er | |
hat allen, die Chicago ihr Zuhause nennen, seinen Schutz versprochen. Seit | |
1985 ist Chicago eine „Sanctuary City“, eine von mehr als 100 sogenannten | |
Zufluchtsstädten in den USA. | |
„Chicago wird Schwierigkeiten bekommen, weil euer Bürgermeister beschissen | |
ist und euer Gouverneur auch. Wenn Johnson nicht helfen will, soll er | |
verdammt nochmal aus dem Weg gehen“, sagte Homan vor kurzem bei einer | |
Veranstaltung der Republikanischen Partei. Während Trumps erster Amtszeit | |
war es Homan gewesen, der den Plan mitentwickelte, „zur Abschreckung“ | |
Eltern an der Grenze von ihren Kindern zu trennen. Es wirkt wie eine | |
makabre Fügung des Schicksals, dass ausgerechnet im Little Village eine | |
Straße „Homan Avenue“ heißt. | |
Wie viel von seinem Versprechen kann Trump umsetzen? Geht es ihm vielleicht | |
vor allem darum, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten? Je genauer man | |
hinschaut, desto widersprüchlicher erscheint alles. | |
Yoseiby Perez (Name geändert, d. Red.) ist erst seit ein paar Monaten im | |
Land. Achtzehn Jahre alt, aus Caracas, Venezuela. Als sie am 11. Mai 2024 | |
die Grenze in die USA überquerte, rief sie ihre Mutter an und sagte, sie | |
habe es geschafft. Gegenseitig gratulierten sie sich zum Muttertag, so | |
erzählt sie es. Die Mutter klang erleichtert, erregt, besorgt. | |
## Sonderfall Venezuela | |
So wie Yoseiby haben während Bidens Präsidentschaft acht Millionen Menschen | |
die südwestliche Grenze der USA überquert. Sie stammen aus Mexico, | |
Venezuela, Guatemala, Kuba, Honduras, aber auch aus China und Afghanistan. | |
Sie könnten die ersten sein, die die Abschiebungen treffen. Jetzt schon hat | |
Trump den temporären Schutzstatus aufgekündigt, unter den die Regierung | |
Biden Migranten wie Yoseiby gestellt hatte. Aber die USA und Venezuela | |
haben keine diplomatischen Beziehungen: niemand weiß, wie das rechtliche | |
Prozedere aussehen könnte, um Venezolaner abzuschieben. | |
Das Durchschnittsgehalt eines Lehrers oder einer Krankenschwester an einer | |
öffentlichen Schule in Venezuela beträgt drei Dollar im Monat, das eines | |
Angestellten in der Privatwirtschaft 160 Dollar – die monatlichen Kosten, | |
um eine vierköpfige Familie zu ernähren, liegen laut der Venezuelan Finance | |
Observatory bei 372 Dollar. | |
Die Einwanderungsbehörde schickte Yoseiby nach Los Angeles. Aber sie wollte | |
nach Chicago, zu einer entfernten Verwandten. Als sie ankam, wandte die | |
Verwandte sich von ihr ab. | |
## Seither steht die Zeit still | |
Sie sitzt an einem Tisch im Büroraum der NGO „Instituto del Progreso | |
Latino“ im Little Village. In der Ferne ragen die Wolkenkratzer Chicagos | |
wie abgestumpfte Bleistifte in den trüben Himmel, von den Dächern der | |
Backsteinhäuser schmilzt langsam der Schnee. Ein Sozialarbeiter hat sie mit | |
seinem Auto von der Flüchtlingsunterkunft zum Interview gefahren. Niemand | |
darf erfahren, wo die Unterkunft sich befindet, schon gar nicht eine | |
Reporterin. Zu hoch ist das Risiko, dass die Mitarbeiter von ICE auf sie | |
aufmerksam werden. | |
In der Unterkunft, erzählt sie, leben noch mindestens 800 andere Migranten. | |
Yoseiby, ihr Freund und der dreijährige Sohn teilen sich ein Zimmer von | |
etwa zwölf Quadratmetern mit einer anderen Kleinfamilie. Es ist ihre dritte | |
Bleibe in neun Monaten. Es gibt einen Gemeinschaftsraum, jemand kocht für | |
sie, manchmal Gerichte aus Venezuela, manchmal mexikanische Tortillas. | |
Yoseiby verzieht ihr Gesicht. | |
Ihr Alltag hat sich verändert, und zwar schnell und zum Schlechteren. | |
Stunde um Stunde verfolgt sie auf dem spanischsprachigen Kanal „Univision | |
Noticias“ Trumps Pläne. | |
Früher ging sie mit dem Kind im Park spazieren, kaufte Erdbeeren oder Kiwis | |
im Supermarkt ein, im Sommer gingen sie alle zusammen ins Freibad. Sie | |
wischt auf ihrem Handy und zeigt ein Foto: Alle drei lachen sie unbeschwert | |
in die Kamera. Seit letztem Montag steht die Zeit still. Sie verlässt die | |
Unterkunft nicht mehr. Sie schläft nur oder läuft die Treppen auf und ab. | |
Ausdauertraining. | |
## Aufenthalt und Kochbananen | |
Gestern, als der Freund nicht pünktlich zur Ausgangssperre um zehn Uhr | |
abends von seinem Gelegenheitsjob auf dem Bau zurückkehrte, war sie sich | |
kurz sicher, sie hätten ihn geholt. Wenn sie ihn abschieben, wolle auch sie | |
nach Venezuela zurück, beteuert sie. Aber bis es soweit ist, kratzen sie | |
jeden Cent zusammen und überweisen das Geld nach Venezuela, Mindestbetrag | |
für jede Überweisung 20 Dollar. Sie könnten sich eine Wohnung suchen. Aber | |
sie wollen das Geld für die Miete lieber in Anwaltskosten für ihren | |
Asylantrag investieren. Ihre Familie in Caracas setzt sie unter Druck, auf | |
keinen Fall zurückzukehren. Durchhalten, sagen sie. | |
Auf Fragen nach ihrer Flucht, ihrem Aufenthaltstitel, ihrer Familie | |
antwortet sie einsilbig, verstrickt sich in Widersprüchlichkeiten. Sie | |
zupft die Fäden aus ihrer weißen Plüschjacke, wickelt daraus kleine Knäuel | |
und massiert mit den Knäueln ihren kleinen Finger. „Wie lange noch?“, fragt | |
sie nach anderthalb Stunden mit abwesenden Augen. | |
Der Sozialarbeiter tritt in den Raum. Sie grinst ihn mit ihrem breiten | |
kindlichen Zahnspangenlächeln an, er setzt sich an den Tisch und macht | |
einen Scherz. Nach und nach kommt im Gespräch mit ihm heraus, dass sie im | |
Interview bei vielem die Unwahrheit gesagt hat. Yoseiby möchte nichts von | |
sich preisgeben. Sie hat Angst vor allem Unbekannten, vor dem, was jeder | |
Tag bringen kann. | |
Was wünscht sie sich im Leben? Ein eigenes Zuhause, in dem sie Tajadas, | |
frittierte süße Kochbananen, zubereiten kann. Einen Aufenthaltstitel. Dass | |
ihr dreijähriger Sohn eines Tages hier studieren kann. | |
## Abschiebung in Militärmaschinen | |
Die Presse-Agenturen melden: | |
7:56 Berichte über Mitarbeiter der Polizei- und Einwanderungsbehörde ICE an | |
einer Schule in Chicago stellen sich als falscher Alarm heraus. | |
11:04 US-Regierung erleichtert Abschiebungen. Anderthalb Millionen | |
Migranten aus Kuba, Venezuela, Nicaragua und Haiti, die einen temporären | |
Schutzstatus genießen oder ihre Asylanträge über die App CPB stellten, | |
sollen abgeschoben werden. Für die Abschiebeflüge dürfen Militärmaschinen | |
eingesetzt werden. | |
14:46 Bis zu 10.000 Soldaten sollen sich in den kommenden Tagen auf einen | |
Einsatz an der Grenze zu Mexiko vorbereiten. | |
Jurani ist Case Managerin bei einer NGO. „Wenn jemand über die Lage | |
Bescheid weiß, dann sie“, stellt ihr Vorgesetzter sie stolz vor. Er nickt | |
ihr freundlich zu, dann verlässt er den Raum. Jurani wanderte aus Kolumbien | |
in die USA ein. Seit fünf Jahren lebt sie in den USA, sie hat einen | |
Mexikaner mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft geheiratet. Im Mai | |
letzten Jahres hat auch sie die Staatsbürgerschaft bekommen. Der Prozess | |
lief glatt und dauerte wenige Monate. Sie hatte sich rechtzeitig darum | |
gekümmert, betont sie: Schließlich weiß man nicht, was mit dem neuen | |
Präsidenten drohen könnte. | |
## Latinos gegen Latinos | |
Jurani hat ihre pechschwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz | |
zusammengebunden, ihr Blick durch die Brillengläser ist ernst. Wie Yoseiby | |
spricht sie kein Englisch und bleibt lange Zeit wortkarg. Wir sprechen über | |
einen Übersetzer am Telefon. Bei Fragen nach ihrer persönlichen Biographie | |
verstummt sie, flüchtet sich in Allgemeinheiten. Sie helfe Menschen mit | |
ihren Anträgen auf Staatsbürgerschaft, sagt sie. Wer keinen geregelten | |
Aufenthaltstitel hat, falle nun mal nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, | |
dazu könne sie also auch nichts sagen. | |
Dann kommt sie wie zufällig auf die Flüchtlingsunterkünfte zu sprechen. Sie | |
zieht die Lippen zu einem beschämten Lächeln zusammen, aber ihre Augen | |
strahlen: Sie hat etwas zu sagen, von dem sie weiß, dass sie es eigentlich | |
für sich behalten sollte. Doch es bricht aus ihr heraus. | |
„Die Menschen aus Venezuela bekommen vom Staat Unterstützung, die ich mir | |
als Migrantin niemals erträumt hätte.“ Jurani zählt auf: In den | |
Unterkünften müssten sie weder für sich kochen noch Wäsche waschen. Das | |
Essen sei gutes Essen. Sie bekämen Essensmarken, Krankenversicherung, ein | |
Dach über dem Kopf. Anfangs hätte der Staat sie sogar in vornehme | |
Hotelzimmer einquartiert. Ein Vater hätte für sich und seinen Sohn vor drei | |
Monaten einen Scheck über achttausend Dollar bekommen, mit eigenen Augen | |
hätte sie es gesehen. | |
Eigentlich ist der Aufenthalt in einer Unterkunft auf 60 Tage vorgesehen, | |
aber viele würden von Unterkunft zu Unterkunft rotieren und fast ein Jahr | |
keine eigene Bleibe suchen. Immerhin, in den letzten Monaten sei das Budget | |
immer weiter geschrumpft. Mittlerweile müssten sie sich die Unterkünfte mit | |
den Obdachlosen von Chicago teilen. | |
„Fast niemand strengt sich an oder sucht Arbeit. Sie sind faul. Sie sind | |
undankbar.“ Eine Erklärung dafür hat sie nicht. Haben auch deswegen [3][so | |
viele Latinos Trump gewählt]? „Definitiv. Wegen diesen Neulingen treffen | |
die Abschiebungen jetzt alle, auch die, die schon seit Jahrzehnten hier | |
leben.“ | |
## Interne Konflikte zwischen Latinos | |
Francisco Sandoval, Anwalt für Asylrecht und Vizepräsident der Illinois | |
Venezuelan Alliance lebt schon lange in Chicago. Er seufzt traurig, als ich | |
ihm von Juranis Ausbruch erzähle. „Diese internen Konflikte zwischen den | |
Einwanderungsgruppen“, sagt er, „sind ein Riesenproblem unter Latinos“. | |
Auch er glaubt, dass es ein Fehler Bidens war, so viele Venezolaner ins | |
Land zu lassen – nur die wenigsten von ihnen fielen in die Kategorie von | |
Geflüchteten, sagt er. | |
Die Mexikaner würden sich am meisten ärgern, weil sie „very well behaved“ | |
sind, gut an das Leben in den USA angepasst. Die Neuankömmlinge würden | |
ihrem Ruf schaden – die würden manchmal vergessen, wo sie hier sind und | |
bräuchten mehr Zeit, um zu begreifen, wie der Laden hier läuft. Aber er | |
glaubt auch, Trump werde einen Weg finden, Venezolaner loszuwerden. | |
Am Donnerstagabend meldet das ICE, landesweit seien 538 Menschen | |
festgenommen worden. Zwischen Donnerstag und Samstag sind es 1.400, zu | |
Festnahmen kommt es in 19 Städten, darunter in den Bundesstaaten Illinois, | |
Utah, Kalifornien, Minnesota, New York, Florida und Maryland. | |
## Razzia verfehlt offenbar eigene Ziele | |
Am Sonntag reist Tom Homan nach Chicago. Am Nachmittag beginnt eine groß | |
angelegte Razzia in der ganzen Stadt. Ortskräfte haben sich offenbar nicht | |
daran beteiligt. | |
Die ICE gibt 956 Festnahmen bundesweit bekannt. Wie viele davon in Chicago | |
stattgefunden haben, ist unklar. Die Leiterin einer NGO schreibt in einer | |
privaten Nachricht, soweit hätte man wohl nur Menschen mit Strafdelikten | |
festgenommen: „Sie wollten angeblich 200, aber sie haben ihr eigenes Ziel | |
verfehlt, weil wir unsere Leute mit „Know Your Rights“ so gut vorbereitet | |
haben. Das ist eine Riesenerleichterung.“ | |
27 Jan 2025 | |
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Marina Klimchuk | |
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