| # taz.de -- Angst vor Deportationen in den USA: Niemand ist sicher | |
| > Deyvid ist einer von 400.000 Asylsuchenden in New York. Obwohl er legal | |
| > hier ist, fürchtet er, unter Präsident Trump deportiert zu werden. | |
| Bild: Deyvid hat Asyl beantragt, weil er in seiner Heimat Peru homophobe Gewalt… | |
| New York taz | Auf Deyvid lastet in den vergangenen Wochen eine bleierne | |
| Schwere. Es ist ein Gefühl der Lähmung, wie er es bislang noch nicht | |
| kannte, seit er vor beinahe einem Jahr vor homophober Gewalt aus seiner | |
| Heimatstadt Lima, Peru, floh. Deyvid verlässt kaum mehr sein Zimmer im | |
| Asylbewerberheim in Harlem, in dem er untergebracht ist, es sei denn, er | |
| muss zu seinem illegalen Job als Küchengehilfe in einem Restaurant | |
| Downtown. Er redet so wenig wie möglich mit seinen Mitbewohnern und | |
| versucht die Nachrichten zu vermeiden. Zum ersten Mal, seit er aus Peru | |
| geflohen ist, verspürt er so etwas wie Heimweh, sagt er. | |
| Es ist die Ungewissheit, die Deyvids Stimmung trübt, wenn Trump in dieser | |
| Woche ins Weiße Haus einzieht. Er werde sofort mit der größten | |
| Massendeportation beginnen, die es in der Geschichte der USA gegeben hat, | |
| hat Trump getönt, doch niemand weiß genau, wie ernst es ihm damit ist. Ganz | |
| gewiss hat er nicht von Anfang an die Infrastruktur, um die rund 12 | |
| Millionen undokumentierten Einwanderer in den USA wie Deyvid zu finden und | |
| zu verhaften. Manche glauben, er wolle nur Terror und Verunsicherung säen. | |
| Streng juristisch kann Deyvid eigentlich nicht viel passieren. Nachdem er | |
| im März vergangenen Jahres nach einem langen Treck über Kolumbien in El | |
| Paso über den Rio Grande gekommen war, wurde er von den Grenzkontrollen | |
| registriert. Dann schob man ihn, wie so viele Einwanderer aus den | |
| konservativen Staaten entlang der Grenze, nach Norden ab. | |
| Hier in New York hatte er im vergangenen Herbst dann seinen ersten | |
| Gerichtstermin. Er ist nun offiziell als Asylsuchender im System und kann | |
| rein rechtlich nicht deportiert werden. Alleine seine illegale Arbeit | |
| könnte ihm zum Verhängnis werden. Erst im Februar darf er einen Antrag auf | |
| eine Arbeitsgenehmigung stellen, eine der vielen Absurditäten des | |
| chaotischen US-amerikanischen Einwanderungsrechts, das seit mehr als 30 | |
| Jahren einer Neuregelung harrt. So lange schon kann sich die Politik in | |
| Washington auf keine Formel einigen. | |
| ## Familien über Jahre auseinandergerissen | |
| Doch wirklich sicher kann sich niemand sein, der keine dauerhafte | |
| Aufenthaltsgenehmigung oder eine Staatsbürgerschaft hat. „Wir müssen uns | |
| auf alles einstellen“, sagt Joan Sanchez, eine zierliche Mitfünfzigerin mit | |
| pinken Haarsträhnen, die seit vielen Jahren als Freiwillige Asylsuchende | |
| betreut. Sicher, sagt Joan bei einem Kaffee in Midtown Manhattan, sei nur, | |
| dass Trump irgendetwas tun wird. „Er wird seinen Wählern demonstrieren | |
| wollen, dass er es ernst meint.“ So wie das letzte Mal, als er am ersten | |
| Tag seiner Amtszeit die [1][Einwanderung aus sieben vorwiegend muslimischen | |
| Ländern stoppte]. Die Exekutivanordnung richtete ein heilloses Chaos an und | |
| riss Familien teilweise über Jahre hinweg auseinander. | |
| Joan arbeitete schon damals für die Hilfsorganisation New Sanctuary | |
| Coalition. Die endlosen Geschichten, die sie von damals erzählen kann, sind | |
| haarsträubend. Es sind Geschichten von Familien, die zu einer | |
| ordnungsgemäßen Anhörung in ihrem Asylverfahren gemeinsam ins Gericht | |
| gehen, aber ohne den Vater wieder herauskommen, weil dieser ohne Angabe von | |
| Gründen verschleppt wurde. Geschichten von Razzien in Kirchen und Schulen, | |
| wo Freiwillige wie sie Asylbewerbern beim Ausfüllen ihrer Anträge helfen. | |
| Oder Geschichten von unmarkierten Fahrzeugen der nach 9/11 gegründeten | |
| Einwanderungs-Truppe ICE, die wahllos Leute von der Straße aufsammelte. | |
| All das, befürchtet Joan, werde wiederkommen. Und vielleicht Schlimmeres, | |
| sagt sie mit einem tiefen Seufzer. Eigentlich sei sie zu erschöpft, um | |
| diesen Kampf noch einmal aufzunehmen. Oder um wieder Woche für Woche zu | |
| demonstrieren. Doch sie werde es trotzdem tun. „Ich habe mir schon dicke | |
| Socken besorgt.“ | |
| Die wird Joan sicherlich auch brauchen. Denn die Lage für Migranten in New | |
| York ist diesmal noch um einiges prekärer, als sie das vor acht Jahren war. | |
| Die liberale Bastion New York bröckelt. Zuletzt waren 51 Prozent der New | |
| Yorker für eine härtere Einwanderungsgesetzgebung. Das liegt nicht zuletzt | |
| am großen Zuzug von Migranten in den vergangenen zweieinhalb Jahren. 2022 | |
| verschifften die [2][Gouverneure der republikanisch regierten Staaten] | |
| Texas und Florida Massen von Menschen, die an ihrer Außengrenze ankamen, | |
| einfach in den Norden, vor allem nach New York. | |
| ## Die einstmals liberalste Stadt der USA | |
| Seither nahm die Stadt knapp 230.000 Flüchtlinge auf. Jeden Morgen steht | |
| eine mehrere hundert Meter lange Schlange vor dem Gebäude des | |
| Einwanderungsgerichts. Im Schnitt haben die Richter etwa sechs Minuten Zeit | |
| für jeden Fall. Gleichzeitig hat sich damit auch das Problem der | |
| Obdachlosigkeit dramatisch verschärft. Vor 2022 hatte die Stadt geschätzt | |
| rund 80.000 Obdachlose. Im Jahr 2023 stieg die Zahl erstmals in der | |
| Geschichte auf mehr als 100.000. | |
| Die Stadt sucht seither verzweifelt nach Unterbringungsmöglichkeiten. Auf | |
| einem stillgelegten Flugplatz am äußersten Ende von Brooklyn wurde eine | |
| Zeltstadt errichtet. Ebenso auf Randall’s Island, einer Freizeitinsel im | |
| East River, auf der sonst Fußballturniere stattfinden und Familien mit | |
| herrlichem Ausblick auf Manhattan Picknicks veranstalten. | |
| Anwohner beschwerten sich, dass Asylsuchende auf Spielplätzen übernachteten | |
| und sich dort wuschen. Pendler störten sich an den vielen Obdachlosen in | |
| den U-Bahnhöfen, Berichte von Schießereien und Messerstechereien in den | |
| Asylunterkünften beunruhigen die Menschen. Hinzu kommt, dass die | |
| Unterbringung die Stadt schon mehr als sechs Milliarden Dollar gekostet | |
| hat. | |
| All das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass selbst in der liberalsten | |
| Stadt Amerikas eine verblüffend große Anzahl von Menschen für Donald Trump | |
| stimmte. Und so können sich Menschen wie Deyvid selbst in New York nicht | |
| mehr ohne Vorbehalte willkommen fühlen. | |
| ## Schmutziger Deal mit dem Bürgermeister? | |
| Das liegt nicht zuletzt auch an der Haltung des New Yorker Bürgermeisters. | |
| Je mehr dem Ex-Polizisten Eric Adams das Problem ihm über den Kopf wuchs, | |
| desto weniger liberal wurde seine Politik. Zunächst ging er vor Gericht, um | |
| das von der Stadt verbriefte Recht auf Obdach aufheben zu lassen. Dann | |
| verkürzte er die Aufenthaltsdauer von Asylsuchenden in städtischen | |
| Einrichtungen. Schließlich legte er sich mit der Biden-Regierung an, weil | |
| er sich von ihr finanziell im Stich gelassen fühlte. | |
| Dafür flog er am Wochenende vor Trumps Amtsantritt nach Florida. Böse | |
| Zungen mutmaßten, dass Adams Trump einen Freibrief für Deportationen | |
| erteilen wollte. Im Gegenzug verspreche er sich Milde in einem | |
| [3][Korruptionsprozess] gegen ihn, der im April ansteht. Bestätigt ist das | |
| allerdings nicht. | |
| Für die mehr als 400.000 undokumentierten Einwanderer in New York ergibt | |
| das alles zusammen ein trübes Bild für die kommende Zeit. In der South | |
| Bronx, der Gegend mit der größten Dichte an Migranten, ist man dennoch | |
| entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. | |
| Das kleine mexikanische Restaurant La Morada gehört Natalia Menendez, deren | |
| Rezepte schon vom Kritiker der New York Times gelobt wurden. Natalia lebt | |
| seit 30 Jahren ohne Dokumente in den USA, ihr Sohn hat vor drei Jahren Asyl | |
| erhalten. Ihr Lokal ist gleichzeitig ein inoffizielles Gemeinde- und | |
| Informationszentrum für Einwanderer. Nataila und ihr Sohn tun alles für | |
| sie, vom Ausfüllen von Anträgen bis hin zu kostenlosen Mahlzeiten. Über dem | |
| Eingang hängt ein großes Banner mit den Worten „No | |
| Deportaciones/Deportations“. | |
| „Wenn ich vor 20 Jahren die Nachrichten gehört hätte, die ich heute höre�… | |
| sagt die energische kleine Frau mit leuchtenden braunen Augen, „hätte ich | |
| mich heulend verkrochen“. Doch sie sei über die Jahre stark geworden und | |
| habe nicht vor, sich von Trump einschüchtern zu lassen. Schon alleine, um | |
| den neu Angekommenen die Hoffnung nicht zu nehmen. Und vielleicht, ganz | |
| vielleicht, glaubt sie, gibt sogar ein Donald Trump nach, wenn man ihm | |
| lange genug die Stirn bietet. | |
| 21 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sebastian Moll | |
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