| # taz.de -- VW in der Krise: Zwei potenziell tödliche Fehler | |
| > Antriebswende verschlafen, Kernklientel verprellt: Volkswagen hat | |
| > Strukturprobleme, es kriselt in China und in den USA. Aber da ist auch | |
| > ein Hoffnungsschimmer. | |
| Bild: Last car standing: Mitte Dezember endete die Fertigung des ID.3 in der Gl… | |
| 300 Kilometer Reichweite, 116 PS, 24.990 Euro: Ist der neue ID.Polo, der ab | |
| kommenden Sommer verkauft werden soll, die Rettung für Europas größten | |
| Autokonzern? Lange galt ein Elektro-Kleinwagen unter 25.000 Euro als der | |
| Trumpf, den die [1][Volkswagen AG] nur ziehen müsste, um ihre Schwäche im | |
| Segment der Zukunft ein für alle Mal zu lindern. Doch inzwischen gibt es | |
| Kompaktstromer aus Fernost für deutlich weniger Geld, mit mehr Reichweite, | |
| mit besserer Ausstattung. | |
| Die aktuelle Krise ist mehr als eine von denen, wie sie den Konzern bislang | |
| etwa alle zehn Jahre befallen haben. Aber ist es gleich das Ende für | |
| Volkswagen? Neben der übermächtigen Konkurrenz aus China [2][drückt der | |
| Zollkonflikt mit den USA auf die Margen]. Lange war es die | |
| Nachfrageschwäche. Dann die hohen Energiepreise. Oder die überbordende | |
| Bürokratie. | |
| Und jetzt sind es die brutal traurigen VW-Bilanzen. Zwischen Juli und | |
| September fuhr der einstige Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft seinen | |
| ersten Quartalsverlust seit der Coronakrise im Frühsommer 2020 ein. 1,07 | |
| Milliarden Euro Miese. | |
| Volkswagen, Industrie-Ikone mit 679.000 Mitarbeitenden in 117 Werken | |
| weltweit, kann nicht einfach weiterwurschteln. Das sagen alle Fachleute. | |
| Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Kiel, | |
| stellte jüngst sogar das [3][Überleben von VW als eigenständigem Konzern | |
| infrage] – und brachte chinesische Investoren ins Spiel. Nur die | |
| [4][Übernahme durch den chinesischen Geely-Konzern habe die schwedische | |
| Marke Volvo gerettet], so der Ökonom. Der Gedanke daran werde dem | |
| „deutschen Automobilisten-Hirn nicht leicht fallen“, so Schularick. Der | |
| Ausverkauf müsse jedoch „kein Drama sein, wenn wir es schaffen, die | |
| Wertschöpfung, auch bei Batterien, nach Deutschland zu holen“. | |
| ## Noch sind Kündigungen tabu | |
| Und was macht VW? Bangen, gesundschrumpfen, umstrukturieren. Mitte Dezember | |
| endete die Fertigung im kleinen Werk in Dresden, in Osnabrück rätseln die | |
| 2.300 Mitarbeitenden, wie es nach dem Ende der Produktion des T-Roc ab 2027 | |
| weitergehen soll. Insgesamt sollen bis 2030 in den zehn deutschen VW-Werken | |
| [5][35.000 Arbeitsplätze wegfallen]. | |
| Der traditionell bei Volkswagen mächtige Betriebsrat nickte das ab. | |
| Tausende haben bereits Vorruhestandsregelungen unterschrieben, gekündigt | |
| wird in der Herzkammer der deutschen Autoindustrie nicht. Noch nicht. | |
| Nach Jahrzehnten der scheinbar endlosen Profite begingen die VW-Granden am | |
| Wolfsburger Mittellandkanal mindestens zwei möglicherweise letale Fehler. | |
| Erstens: Die [6][Antriebswende wurde verschlafen] und es wurde nicht auf | |
| ihre neuen Kernstücke gesetzt, die Batterie und die Software. Zweitens: Die | |
| Kernklientel wurde vernachlässigt. Heute werden in Europa 3 Millionen Autos | |
| weniger verkauft als 2019. Das liege daran, dass sich Hersteller wie VW | |
| „bewusst für Gewinne statt für hohe Stückzahlen entschieden haben“, sagt | |
| [7][Sebastian Bock von der Verkehrs-NGO] Transport & Environment. VW-Chef | |
| Oliver Blume machte „value over volume“ (Englisch für „Wert über Menge�… | |
| zum Leitspruch der Marke mit dem „Volk“ im Namen. Zwischen 2018 und 2024 | |
| stieg der Durchschnittspreis von Fahrzeugen im hiesigen Massenmarkt um | |
| [8][40 Prozent] – von 22.000 Euro auf 30.700 Euro. | |
| ## Premiummarken wenig hilfreich | |
| Da schauten viele Kund*innen doch erst mal, was die Konkurrenz anbietet. | |
| Noch stärker in China, wo auch durch die starke Konkurrenz Absatz und | |
| Gewinne schmolzen. Volkswagen, bis 2021 hier Nummer eins, kommt bei E-Autos | |
| nun nur noch auf einen Marktanteil von nicht mal 1 Prozent. In einem Markt, | |
| in dem mehr als jedes zweite neue Fahrzeug elektrisch fährt, verheerend. | |
| Ähnlich problematisch läuft es in Thailand oder Vietnam. | |
| Dazu kommen die Probleme bei den Konzernmarken: [9][Porsche], einst Garant | |
| für sagenhafte Gewinne, ist zum Problemkind mit Abschreibungen von allein | |
| im dritten Quartal 4,7 Milliarden Euro geworden. Neben Absatzverlusten in | |
| China kämpft der Luxuskonzern mit den Importzöllen in den USA, dem | |
| wichtigsten Markt der Schwaben. Zu Jahresbeginn kündigte Porsche den | |
| Wegfall von 1.900 Stellen an, über ein weiteres Schrumpfen der Belegschaft | |
| wird mit dem Betriebsrat verhandelt. Außerdem kippte das Management im | |
| September die Strategie, setzt wieder mehr auf Verbrenner und Hybride und | |
| verschiebt vollelektrische Modelle. In der [10][USA-Falle] steckt auch | |
| Audi: Der Tochterkonzern bräuchte dort dringend ein Werk, um die Zölle | |
| besser umgehen zu können, ziert sich aber noch. | |
| ## Rückbesinnung auf den Massenmarkt | |
| Immerhin soll der vollelektrische ID.Up ab 2027 für weniger als 20.000 Euro | |
| zu haben sein und steht damit für eine Rückbesinnung auf die alte | |
| Massenmarkt-Rolle. Und: Zwischen Januar und September dieses Jahres | |
| lieferte Volkswagen 523.000 bereits vollelektrische Autos in Europa aus – | |
| 78 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Aber auch der dringend | |
| notwendige Umbau der Produktpalette birgt Fallstricke. Denn: Die E-Autos | |
| werfen nicht so hohe Margen ab wie die Verbrenner. | |
| Konzernchef Blume verweist gerne darauf, zurzeit mit 60 Prozent seines | |
| Absatzes kein Geld zu verdienen. Das liegt an zu hohen Kosten im Inland – | |
| und an den Dumpingpreisen der Konkurrenz, die jetzt BYD, Xpeng oder | |
| Leapmotor heißt. Der staatlich gepamperte Markt in der Volksrepublik | |
| operiert mit ganz anderen Größenordnungen: Von Januar bis Ende September | |
| wurden in China 6,52 Millionen E-Autos gebaut, 45 Prozent mehr als im | |
| gleichen Vorjahreszeitraum. | |
| 22 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /VW-Mercedes-und-die-anderen/!6124498 | |
| [2] /Umsatzrueckgaenge-und-Stellenabbau/!6106417 | |
| [3] https://www.presseportal.de/pm/58964/6178495 | |
| [4] /Abschied-vom-Verbrenner/!5853461 | |
| [5] /Wirtschaft-in-der-Krise/!6126009 | |
| [6] /Autobauer-in-der-Krise/!6091941 | |
| [7] https://www.transportenvironment.org/te-deutschland/articles/technologieneu… | |
| [8] https://www.jato.com/resources/news-and-insights/rising-car-prices-a-deep-d… | |
| [9] /Porsche-Chef-muss-gehen/!6121347 | |
| [10] /Auswirkungen-der-US-Handelspolitik/!6136058 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai Schöneberg | |
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